Walter Leiss
Walter Leiss: „Die Nutzung der Straße erfolgt nicht nur durch Gemeindebürger, sondern durch jeden Straßenbenützer, egal, woher er kommt. Deswegen muss die Finanzierung auch durch die Allgemeinheit, somit durch den Bund, erfolgen.“
© Philipp Monihart

Wer trägt die Schuld bei Unfällen auf Bahnübergängen?

Mit vorhersehbarer Regelmäßigkeit ereignen sich Verkehrsunfälle auf Bahnübergängen. Zirka 3.000 davon gibt es in Österreich, und die Hälfte davon ist technisch gesichert, das heißt mit einer Licht- und/oder Schrankenanlage versehen. Vor den technisch nicht gesicherten Bahnübergängen stehen Andreaskreuze und/oder auch Stopptafeln. Schon fast ein Jahrzehnt liegt es zurück, dass mit der sogenannten Eisenbahnkreuzungsverordnung nach einem Zeitplan eine Überprüfung der Eisenbahnkreuzungen vorgeschrieben wurde und eine Auflassung oder technische Sicherung vorzuschreiben ist.

Wer die Kosten für diese Sicherungen zu tragen hat, ist im Eisenbahngesetz geregelt. Grundsätzlich ist dabei vorgesehen, dass 50 Prozent der Kosten das Eisenbahnunternehmen und 50 Prozent der Träger der Straßenbaulast aufzubringen hat. Bei Gemeindestraßen ist dies die Gemeinde. Wenn man von Kosten von bis zu 500.000 Euro pro Anlage ausgehen kann, so ergibt dies eine gewaltige finanzielle Belastung für die betroffenen Gemeinden.

Auch wenn der Gemeindebund bei der Erlassung der Eisenbahnkreuzungsverordnung den Konsultationsmechanismus ausgerufen hat und letztlich der Verfassungsgerichtshof festgestellt hat, dass der Bund bei der Erlassung der Verordnung eine Darstellung der damit verbundenen Kosten unterlassen hat und er damit zur Kostentragung verpflichtet wäre, ist es de facto so, dass die Gemeinden nur einen Bruchteil ihrer tatsächlichen Kosten ersetzt erhalten.

Eindeutige Verhaltensregeln für das Überqueren von Bahnübergängen

Jetzt kann man durchaus der Auffassung sein, dass jeder Verletzte oder sogar Tote im Straßenverkehr einer zu viel ist und Maßnahmen zur Verhinderung solcher Unfälle zu setzen sind.

Generell und im Speziellen beim Übersetzen von Eisenbahnkreuzungen darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, wer denn die Schuld an derartigen Verkehrsunfällen trägt. In der Regel ist dies immer derjenige, der - mit welchem Verkehrsmittel auch immer – die Eisenbahnkreuzung überquert.

Die Straßenverkehrsordnung und die Eisenbahnkreuzungsverordnung geben eindeutige Verhaltensregelungen vor, wie sich Personen in Fahrzeugen bei Überqueren von Bahnübergängen zu verhalten haben.

Die Straßenbenützer haben sich bei der Annäherung an eine Eisenbahnkreuzung vereinfacht gesagt so zu verhalten und insbesondere ihre Geschwindigkeit so zu wählen, dass sie erforderlichenfalls vor der Eisenbahnkreuzung verlässlich anhalten können. Sie haben sich durch Ausblick auf den Bahnkörper und durch Beachtung abgegebener akustischer Signale der Schienenfahrzeuge nach beiden Richtungen zu überzeugen, ob ein gefahrloses Übersetzen der Eisenbahnkreuzung möglich ist oder ob sie von der Eisenbahnkreuzung anzuhalten haben.

Bei Lichterzeichen oder bei Schranken haben die Straßenbenützer bei Gelb oder Rot blinkenden Lichtern oder sich herabbewegenden Schrankenbäumen ihr Fahrzeug anzuhalten. Vor dem Übersetzen einer Eisenbahnkreuzung haben sich die Straßenbenützer auch zu überzeugen, dass das Übersetzen der Eisenbahnkreuzung gefahrlos möglich ist. Ein richtiges Verhalten der Straßenbenützer vorausgesetzt dürfte es eigentlich zu keinen Verkehrsunfällen bei Bahnübergängen kommen. Die Schuldfrage und Verantwortlichkeit dürften somit in der überwiegenden Zahl geklärt sein.

Lichtzeichen sind kein Allheilmittel

Dass technische Sicherungen durch Lichtzeichen oder Schranken erwarten lassen, dass weniger Übertretungen erfolgen, liegt zwar auf der Hand, die Fälle der Vergangenheit zeigen jedoch, dass selbst durch Lichtzeichen gesicherte Eisenbahnkreuzungen und selbst mit Schrankenanlagen gesicherte Eisenbahnkreuzungen von Unfällen nicht verschont sind. Über eine Stopptafel wird halt schneller gefahren als über eine rote Sicherungsanlage.

Jedenfalls ist festzuhalten, dass nicht die Behörden oder die Gemeinden schuld an den Verkehrsunfällen sind, weil sie es unterlassen haben jede Eisenbahnkreuzung durch eine Schrankenanlage zu sichern, sondern die Straßenbenützer, die die maßgeblichen Vorschriften für das Annähern von Eisenbahnkreuzungen missachtet haben.

Unterschiedliches Maß?

Mit Interesse ist auch festzustellen, dass offenbar nicht allen Verkehrsunfällen die gleiche Bedeutung beigemessen wird. Im Jahr 2019 forderten Unfälle auf Schutzwegen zwölf Tote und 1.225 Verletzte. Besonders gefährdet waren Senioren und Kinder. Offenbar erscheinen diese Personengruppen nicht so schutzwürdig, weil ansonsten auch hier der Ruf nach technischen Sicherungen von Fußgängerübergängen schon laut geworden wäre. Unfälle auf Schutzübergängen erscheinen nicht so dramatisch wie Verkehrsunfälle auf Bahnübergängen.

Frist für Überprüfung verlängern

Mir ist durchaus bewusst, dass eine Aufrechnung hier nicht ganz statthaft ist und ein Vergleich nur bedingt möglich ist. Was aber jedenfalls notwendig erscheint ist, ist eine Anpassung der Fristen für die Durchführung der Überprüfung von ungesicherten Eisenbahnkreuzungen und eine neue Finanzierungsregelung im Eisenbahngesetz.

Die derzeitige Regelung sieht vor, dass die Überprüfung der Eisenbahnkreuzungen binnen fünf Jahren zu erfolgen hat. Diese Frist gehört jedenfalls verlängert, auf zumindest zehn Jahre. Darüber hinaus gehören die Mittel des Bundes erhöht. Im Finanzausgleich wird aktuell darüber verhandelt.

Neue Finanzierungsregelung gefordert

Generell ist jedoch eine neue Finanzierungsregelung anzustreben. Dass nämlich die jeweilige Standortgemeinde die 50 Prozent der Errichtungskosten und auch die anteiligen Betriebskosten oder gegebenenfalls mehr zu finanzieren hat, ist nicht mehr zeitgemäß.

Die Nutzung der Straße erfolgt nicht nur durch Gemeindebürger, sondern durch jeden Straßenbenützer, egal, woher er kommt. Deswegen muss die Finanzierung auch durch die Allgemeinheit, somit durch den Bund, erfolgen. Dies hätte auch den Vorteil, dass der Bund für mehr Transparenz bei der Ermittlung der Kosten für die Sicherungsmaßnahme Sorge tragen könnte.

Die Praxis hat nämlich gezeigt, dass die Kosten nicht transparent und überhöht sind. Welche Sicherungsanlagen ausgewählt werden und wieviel sie kosten, darauf haben die Gemeinden keinen Einfluss. Sie bekommen nur die Rechnungen präsentiert und müssen bezahlen. Wenn der Bund die Straßenbenützer beim Übersetzen von Eisenbahnkreuzungen schützen will, so soll er auch die erforderlichen Finanzmittel bereitstellen.