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Wann sind Angebote vertieft zu prüfen?

18. September 2023
Vergabeverfahren sind nach den Bestimmungen des Bundesvergabegesetz (BVergG) unter Wahrung der unionsrechtlichen Grundsätze wie u. a. dem freien und lauteren Wettbewerb, der Wirtschaftlichkeit und der Vergabe zu angemessenen Preisen durchzuführen (vgl. § 20 BVergG 2018). Die vertiefte Angebotsprüfpflicht des § 137 BVergG 2018 dient der Einhaltung dieser Grundsätze.

Weisen Angebote

  • einen im Verhältnis zur Leistung ungewöhnlich niedrigen Gesamtpreis auf (Abs. 2 Z 1),
  • weisen Angebote zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen auf (Abs. 2 Z 1) oder
  • bestehen begründete Zweifel an der Preisangemessenheit der Angebotspreise (Abs. 2 Z 1)

sind öffentliche Auftraggeber zur vertieften Angebotsprüfung verpflichtet.

Der Begriff des „ungewöhnlich niedrigen“ Gesamtpreis wird vom Gesetzgeber nicht näher definiert. Eine Annäherung kann durch einen Vergleich mit dem geschätzten Auftragswert oder dem billigsten Gesamtpreis zum Mittelwert aller Gesamtpreise erfolgen. Ein „ungewöhnlich niedriger“ Gesamtpreis ist jeweils im Einzelfall festzustellen – auch die Rechtsprechung gibt keine allgemein gültigen Vergleichsmaßstäbe vor. Abweichungen in Höhe von rund 10 Prozent (Liefer- und Dienstleistungen) bzw. 15 Prozent (Bauleistungen) können jedoch regelmäßig zu einer vertieften Prüfung verpflichten.

Ausnahmen

Die Bestimmungen des § 137 BVergG 2018 gelangen bei der Direktvergabe, der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung und der Vergabe einer besonderen Dienstleistung gem. Anhang XVI BVergG 2018 nicht zur Anwendung. Eine analoge Anwendbarkeit des § 137 Abs. 1 BVergG wurde erst kürzlich vom VwGH – konkret für die Vergabe besonderer Dienstleistungen – verneint[1]. Die Bestimmungen des § 137 BVergG 2018 dienen jedoch als Anhaltspunkte zur Sicherstellung der Grundsätze des Vergabeverfahrens gem. § 20 BVergG 2018, die stets zu beachten sind.

[1] vgl. VwGH 21.2.2023, Ra 2021/04/0223

Infos

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