Reinhard Haider
Reinhard Haider: „Bei der Digitalisierung nicht alles auf einmal machen, Schritt für Schritt vorgehen, Bereich für Bereich digital erschließen.“

Kommunalwirtschaftsforum 2022

„Unsere Zukunft ist das ‚Gemeindeversum‘“

6. April 2022
Was bringt die Zukunft den Gemeinden? Diese Frage stellte – und beantwortet in weiten Teilen – Amtsleiter Reinhard Haider. Das Internet bestimmt in praktisch allen Bereichen unser Leben, auch das der Gemeinden.

Haider ist kein Unbekannter, seit 1996 leitet – und digitalisiert – er als Amtsleiter die Gemeinde Kremsmünster im oberösterreichischen Traunviertel. Sein Blick in die Zukunft hat visionäres. Zum Beispiel was „LoRaWAN“ für Gemeinden tut. LoRaWAN steht für Long Range Wide Area Network und bezeichnet ein reichweitenstarkes, energiesparendes Funknetzwerk. Kombiniert mit Sensoren kann es für Gemeinden im Winterdienst arbeiten, automatisch Zähler ablesen oder Innenstadtfrequenzen auswerten – in Summe sind das massive Arbeitserleichterungen.

„Zukunft ist auch, mit Drohnen gegen Umweltsünder im Einsatz zu sein. Oder Wildbachbegehungen durchzuführen“, so Haider. Denkbar wäre auch, dass – Stichwort 5G am Land“ – der Baggerfahrer im Homeoffice arbeitet und das Gerät remote bedient. Möglich wären mit Techniken wie „Virtual Reality“ auch, dass Museumsbesucher das virtuelle Museum zu Hause auf der Couch genießen oder Fußballplätze tauglich für „Augmented Reality“ werden. Dieses AR ist eine „computergestützte Erweiterung der Realitätswahrnehmung“, wie die Definition lautet.

Auch Wahlen würden künftig nur mehr online stattfinden, wenn es auch nicht wie in Japan laufen wird. 2018 kam von dort die Nachricht, dass ein Roboter für ein Bürgermeisteramt kandidieren würde. Für Österreich sei das aber eher undenkbar. Aber dass ein Avatar eines Bürgermeisters, einer Bürgermeisterin rechtzeitig und ohne konkreten Auftrag das richtige Geburtstagsgeschenk für eine 90jährige Jubilarin bei örtlichen Online-Shop kauft, ist denkbar.

Was ist Digitalisierung und was E-Government

Haider, der auch Lektor für E-Government an der FH Oberösterreich und E-Government-Beauftragter des oberösterreichischen Gemeindebundes ist, räumte auch mit weit verbreiteten Missverständnissen auf. Unter Digitalisierung versteht man allgemein die Aufbereitung von Informationen zur Verarbeitung oder Speicherung in einem digitaltechnischen System.

„Statt handgeschriebenem Einkaufszettel nützen wir nun eine App, vielleicht verbunden mit den Familienmitgliedern in der Cloud oder auch mit dem E‐Kühlschrank und dem Lieferservice. Statt Papier nützen wir nun einen elektronischen Workflow bis hin zur elektronischen Bestellung, Lieferung und Abrechnung,“ so Haider.

Digitalisierung betrifft alle Lebensbereiche, wichtig ist aber, dass „Digitalisierung nicht um jeden Preis stattfindet, aber da wo es sinnvoll ist und den Alltag vereinfacht.“ Dabei ist Digitalisierung nicht (nur) eine technologische, sondern vor allem eine gesellschaftspolitische und organisatorische Frage.

Hingegen ist E‐Government der „Einsatz von Informations‐ und Kommunikationstechnologien in öffentlichen Verwaltungen in Verbindung mit organisatorischen Änderungen und neuen Fähigkeiten um öffentliche Dienste und demokratische Prozesse zu verbessern und die Gestaltung und Durchführung staatlicher Politik zu erleichtern,“ so Definition der EU‐Kommission.

Es ist die elektronische Abwicklung von Amtswegen, wie die Definition der Österreichischen Bundesregierung lautet.

E‐Government muss auch nicht um jeden Preis stattfinden – aber da wo es sinnvoll ist und den Menschen das Leben mit den Behörden vereinfacht. „Es ist keine technologische, sondern vor allem eine organisatorische Frage.“

Das Beispiel Kremsmünster

Die vielen Aktivitäten der Gemeinde Kremsmünster – von der GemCloud als Basis-IT-System, über K5-Finanzen und K5-Verfahren für Baumanagement bis zu einem eigenen Laufwerk für Fotos und Videos oder ein Programm für Online-Sitzungen – sind alles interne E-Government-Anwendungen.

Die Website-Entwicklung hin zur rechtskonformen elektronischen Amtstafel, über Social Media hin zu Verwendung von Microsoft „Teams“ bis zur „Alexa im Bürgerservice“ sind weitere Beispiele.

Die digitale Signatur, offene Daten, eine eigene Wirtschaftsplattform, die Bürgermeiste-Sprechstunde live auf Facebook, das Streaming und der Download von Gemeinderatssitzungen via Youtube sind nur ein paar weitere Anwendungen, die vor allem durch die Pandemie befeuert wurden.

Basierend auf diesen Erfahrungen stellte Haider abschließend sieben Thesen auf:

  • Digitalisierung ist mehr als Breitband.
  • Digitalisierung in Gemeinden muss einfach gestaltet und schrittweise umgesetzt werden.
  • Digitalisierung verändert die Strukturen und Abläufe in der Gemeindeverwaltung.
  • Damit Digitalisierung gelingt, müssen wir die Menschen mitnehmen.
  • Social Media und E‐Beteiligungstools können die örtliche Demokratie bereichern.
  • Wir müssen an einem positiven Bewusstsein für die Chancen der Digitalisierung arbeiten.
  • Die Bereiche Datenschutz und Internetkriminalität erfordern höchste Aufmerksamkeit.

Was sollten Gemeinden bei ihrer digitalen Transformation beachten?

Bisherige analoge Prozesse sollten auf den Prüfstand gestellt und umständliche Prozesse vereinfacht werden. Dazu sind „neue Prozesse und Lösungsansätze, die über das Technische hinausgehen erforderlich. Eine Aufgabenreform, Personal‐ und Organisationsentwicklung etc. sind essentiell“, so Haider. Auch müsste das Digitalisierungs‐Know How innerhalb der Verwaltung aufgebaut werden und die Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung rund um die digitale Sicherheit für Gemeindemitarbeiter/innen forciert werden.

„Nicht alles auf einmal machen“, gibt er noch einen guten Rat, „Schritt für Schritt vorgehen, Bereich für Bereich digital erschließen.“ Geplante Schritte seien strategisch vorzubereiten und umzusetzen, für eine externe Begleitung und Unterstützung sei zu sorgen. „Die Gemeinde ist ein Dienstleistungsbetrieb. Demzufolge sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das wichtigste Mittel zum Erfolg“, wie Haider unterstreicht.

Und die Zukunft?

„Es gibt das „Universum“, das Weltall, Raum, Zeit, Materie. Es gibt ein „Metaversum“, virtual Reality, Augmented Reality, die physische Realität. Ich finde, ein „Gemeindeversum“ sollte eine Chance erhalten, die Gemeinde neugestalten, neuen Baugrund schaffen, Gemeindeversammlungen im virtuellen Raum, Leben, Arbeiten, Feiern.“