Walter Leiss
Walter Leiss: „Die stark gebeutelten Airlines zeigen andere Wege auf: Ohne Impfung kein Ticket. Nur mit Überzeugungsarbeit und vertrauensbildenden Maßnahmen wird man da nicht weit kommen.“

Gesteckte Ziele müssen auch umgesetzt werden

Die Klima-Uhr tickt. Und die Europäische Union liegt gut in der Zeit mit ihrer neuen Zielvorgabe. Olof Skoog, der EU-Botschafter bei den Vereinten Nationen ist zufrieden. Er hält die Beschlüsse für gut. „Es gibt drei beachtenswerte Dinge: Einmal die 2030, dann die 55 Prozent und schließlich das Wort „mindestens“.

Ihren CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2030 mindestens um 55 Prozent zu senken, dazu haben sich die EU-Staaten in letzter Minute verpflichtet. Vergleichsmarke ist das Jahr 1990. Das angepasste Ziel greift wesentlich weiter als vorher. „Das ist ein enormes Ziel und genau das, worum der UN-Generalsekretär gebeten hat“, erklärt Skoog. Die Menschheit möge endlich ihren Krieg gegen die Umwelt beenden, möge ihre Klimaziele verschärfen, im Angesicht der verheerenden Waldbrände, Überschwemmungen und Wirbelstürme. Bei der UN-Generalversammlung im September hatte Guterres gewarnt: „Die Welt hat hohes Fieber - sie verbrennt gerade“.

Manchen sind diese Zielvorgaben nicht ambitioniert genug. 60 Prozent sollten es nach den Wünschen des Parlaments sein. NGOs wollen natürlich noch mehr.

Bedenken wurden allerdings insofern laut, als es nicht nur Ziele zu definieren gilt, sondern auch konkrete Umsetzungsstrategien erforderlich sind. Manche setzen noch auf Atomenergie als grüne Energie und das wird auch anerkannt. Fraglich ist, wie das ganze umgesetzt wird, ohne den Standort Europa für die Industrie zu gefährden, oder wie es gelingen wird die Bürger von der Notwendigkeit des Ausbaus von Windkraftanlagen oder Photovoltaikparks zu überzeugen.

Raus aus Öl, Kohle und Gas sind beliebte Schlagworte. Viele Milliarden werden nach Polen fließen, um dort der kohle- und schwerindustrielastigen Wirtschaft den Umstieg zu ermöglichen. Hoffentlich besser als in Deutschland, wo der Ausstieg aus der Atomenergie im Ergebnis zu einer höheren CO2-Belastung geführt hat.

Die Umsetzung wird die Bürger noch fordern

Höhere Steuern für Verbrennungsmotoren bei PKW durch die Erhöhung der Nova wurden soeben beschlossen. Eine generelle CO2-Steuer wird von vielen verlangt. Das Aus für Ölheizungen ist für Neubauten schon selbstverständlich. Wie das allerdings bei den Altbauten umgesetzt wird, ist noch offen. Vieler Förderungen wird es hier bedürfen.

Keine Frage, Ziele sollte man sich setzen und auch ambitioniert dabei vorgehen. Aber bei dem Ganzen sollte nicht vergessen werden, dass es zur Zielerreichung auch konkreter Schritte zur Umsetzung bedarf. Dass die Umsetzung auch schmerzhaft sein wird und noch viele bürokratische Hürden vor uns liegen, verschweigt man dabei sehr oft.

Vergleicht man die die Umsetzung mit den Zielen in der jetzigen Coronakrise, kann man berechtigte Zweifel daran haben, ob das Vorhaben auch gelingen wird. Das Ziel beim Auftreten der ersten Fälle in Europa war für alle klar. Das Virus muss bekämpft werden, die Menschheit muss geschützt werden. Die Gesundheit war zumindest für die meisten Staaten oberstes Ziel. Natürlich auch um unser Wirtschafts- und Sozialsystem aufrecht zu erhalten.

Um das Ziel zu erreichen, wären gewisse Maßnahmen und Vorgaben zu setzen:

Vermeidung der Ausbreitung, Nachverfolgung der Infizierten, Quarantänemaßnahmen bis zu Ausgangsbeschränkungen, Massentestungen um Infektionsketten zu stoppen, bis letztendlich zu einer Impfung. Dass Quarantänemaßnahmen schon im Mittelalter und vor 500 Jahren effektiv und wirksam waren, zeigen die Erfahrungen mit der Pest und mit der Cholera.

Der Rechtsstaat funktioniert auch in der Krise

Während in manchen Staaten mit anderen Systemen die Zielerreichung relativ gut funktioniert hat, sind wir bei uns sehr bald an die Grenzen gestoßen. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel bezeichnete die Pandemie als „demokratiepolitische Zumutung“. Konrad Paul Liessman hat das zurecht hinterfragt. Der Rechtsstaat funktioniert und demokratiepolitische Kontrollinstanzen wie der Verfassungsgerichtshof, zeigen die Grenzen der möglichen Maßnahmen auf.

Den Grundrechten und vor allem dem Datenschutz werden durch die Rechtsordnung mehr Bedeutung beigemessen als dem Gesundheitsschutz. Die Ausgangsbeschränkungen sind überschießend. Das Tragen eines Mund- Nasenschutzes verstößt gegen Grundrechte. Schulschließungen im Lockdown verstoßen gegen das Grundrecht auf Bildung.

Ein wirkungsvolles Contact Tracing, wofür am besten eine europaweit funktionsfähige App zum Einsatz kommen sollte, scheitert am Datenschutz. Genauso wie die Daten von am Virus Erkrankten nicht den Gemeinden bekanntgegeben werden dürfen.  Dafür dürfen die Mitarbeiter der Gemeinden dann den Gesundheitsbehörden beim „analogen“ Contact Tracing aushelfen. Ja der Datenschutz treibt auch in der Krise seine Blüten. Dass bei der Durchführung von Testungen auf die Gemeinden zurückgegriffen wird ist ja selbstverständlich. Aber, dass die Gemeinden zwecks gezielter Information der Bürger auf ihre Meldedateien zugreifen, ist zumindest datenschutzrechtlich höchst bedenklich.

Geldgeschenk fürs Impfengehen?

Der Freiheit des Einzelnen wird in unserer Gesellschaft große Bedeutung beigemessen. Vielleicht auch, weil der Staat – das sind doch wir alle – uns sehr stark unterstützt. Von wirtschaftlicher Unterstützung angefangen bis zu kostenlosen Tests für die Bürger – bei geringer Teilnahmezahl. Die Lehrergewerkschaft verweigert die Teilnahme – aus welchem Grund auch immer. Bei den vorgesehenen Impfungen wird das noch eine spannende Auseinandersetzung.

Impfgegner und Impfskeptiker melden sich schon zu Wort. Da braucht es Anreizsysteme, damit dieses kostenlose Angebot im eigenen und gesamtgesellschaftlichen Interesse genutzt wird. Bei den Testungen wird eine Belohnung in der Höhe von 50 Euro im Gesundheitsministerium angedacht. Wieviel wird es dann für die Teilnahme an der Impfung sein?

Die stark gebeutelten Airlines zeigen da schon andere Wege auf: Ohne Impfung kein Ticket. Nur mit Überzeugungsarbeit und vertrauensbildenden Maßnahmen, wie von manchen Parteiobleuten gefordert, wird man da nicht weit kommen, wenn gleichzeitig selbst Kritik geäußert wird und damit die Bevölkerung verunsichert wird.

Beide Beispiele zeigen, dass die Zielvorgaben zwar notwendig, aber allein nicht ausreichend sind. Wie im privaten Bereich auch, wo es nicht ausreicht, sich ambitionierte Ziele zu setzen, sondern es notwendig ist, die Ziele umzusetzen, müssen auch staatliche und politische Ziel zur Umsetzung kommen. Und dafür müssen unsere Rechtsvorschriften, vielleicht auch die Verfassung, angepasst werden, um die Umsetzung auch zu ermöglichen. Da bedarf es auch der entsprechenden Einschnitte und Beschränkungen. Es gibt auch Stimmen die sagen, dass unser politisches System dafür nicht geeignet ist. Es bleibt zu hoffen, dass das nicht stimmt.