Europas Zukunft liegt in den Gemeinden

Europäische Werte werden vor allem in den Gemeinden vermittelt. Bei einer Diskussion zum Weißbuch zur Zukunft Europas ist daher eine kommunale Komponente unerlässlich.

Nachdem das Weißbuch zur Zukunft Europas im März des Jahres als erster Diskussionsanstoß vorgestellt wurde, wird der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, bei der jährlichen Rede zur Lage der Europäischen Union am 13. September 2017 der Öffentlichkeit seine Vorstellungen über die von der Kommission gestellten Fragen darlegen. Bis dahin gibt es übrigens für alle EU-Bürgerinnen und EU-Bürger die Möglichkeit, auch sehr kurze eigene Ideen zur Zukunft Europas über ein einfaches Internetportal abzugeben.



Der Österreichische Gemeindebund hat die mit dem Weißbuch begonnene Diskussion bereits im März beim Gemeinsamen Europatag mit dem deutschen Schwesterverband zum Anlass genommen, eine kritische, aber europafreundliche Erklärung abzugeben. Auch der Ausschuss der Regionen hat dazu bereits eine erste Position verfasst. Die Stellungnahmen der kommunalen Vertreter zu diesem Weißbuch klingen alle sehr ähnlich: Sie verlangen weniger Regulierungswut und eine stärkere Einbindung der kommunalen Ebene in den Entscheidungsprozess Europas, gerade dies könnte zu einer stärkeren Verankerung der europäischen Idee in der Gesellschaft führen.



In der Erklärung des Gemeinsamen Europatages wurde konstatiert, dass durch die vergangenen Krisen eine gewisse Europaskepsis zugenommen hat. Dennoch, so die Erklärung, erkennen die Kommunen das zusammenwachsende Europa als eine Chance und einen Entwicklungsraum, in dem Zukunft gestaltet und von unseren Gemeinden wesentlich mitgeprägt werden soll.

Europas Stärken: Achtung der Menschenwürde und friedliche Koexistenz



Freilich ist es so, dass die EU derzeit durch Herausforderungen wie den Brexit, die Migrationskrise oder islamistischen Terror erschüttert wird. Dies sollte aber nicht den Blick auf das Wesentliche verstellen. Europas Stärke liegt in einem Gemeinwesen, das auf der Achtung der Menschenwürde und friedlicher Koexistenz aufbaut.



Diese entwickelte westliche Demokratie wird zwar immer auch als fehlerhaft und verletzbar wahrgenommen. Aber sie ist eine ständige Herausforderung; jede Generation muss sich demokratische Tugenden wie Beteiligung und Engagement erst aneignen. Die Gemeinden aber sind Schulen dieser Demokratie.



In einem wohlgeordneten kommunalen Gemeinwesen werden durch Transparenz, Motivation, Dialog- und Kompromissfähigkeit gesellschaftliche Grundwerte vermittelt, die Menschen werden nicht nur als passive Konsumenten versorgt, sondern zur aktivem Beteiligung ermuntert.

In Europa wie in den Gemeinden - Alle müssen an einem Strand ziehen



Wie in einer Gemeinde ist es auch in Europa wichtig, dass möglichst alle an einem Strang ziehen. Dies ist mit demokratischen Strukturen nicht immer einfach. Auch der Diskurs und der Umgang mit unterschiedlichen Positionen muss Teil eines Erfolgsmodells sein. Bei aller Gegensätzlichkeit im politischen Spektrum ist es das Ziel, ein handlungsfähiges und zusammenwachsendes Gemeinwesen zu pflegen. Der gesellschaftliche Zusammenhalt, die Findung von Gemeinsamkeit ist auch in den kleinen kommunalen Einheiten der Angelpunkt für ein gedeihliches Fortkommen aller Gemeindemitglieder.



Dies mag vielleicht banal klingen, jedoch hat eine bereits zehn Jahre alte Studie des Gemeindebundes über die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen in ländlichen Kommunen vor allem diese weichen Standortfaktoren für eine verbesserte Lebensqualität hervorgehoben.

Eigenbrötelei schwächt Europa



Europa und seine demokratische Grundordnung können nicht nur durch Krisen von innen und von außen bedroht werden, sondern auch von Eigenbrötelei. Krisenhafte Auswüchse davon sind nicht nur der Brexit, sondern auch generell die mangelnde Akzeptanz von gemeinsamen Grundwerten.



Aktuelle Beispiele, die vor allem in den Kommunen spürbar werden, sind Parallelgesellschaften, die unseren demokratischen Grundkonsens ablehnen. Hier sind nicht nur importierte Gesellschaftsmodelle mit Selbstjustiz und autokratischen Herrschaftsstrukturen zu nennen, sondern auch die ebenso gefährlichen und die Solidarität unterwandernden Bewegungen der Freemen, Reichsbürger.



Das Wort Europa wird von vielen Menschen mit den unterschiedlichsten Hoffnungen und Zielen ausgesprochen, aber es ist für alle ein umfassender und in sich sammelnder Begriff. Damit wird Europa aus seiner Bedeutung schon ein größeres Ganzes, so wie es eine Gemeinde auch ist. Als Minimum ist es ein einigendes Band, nicht nur geographisch, sondern menschlich.



In welchen Bereichen dieses Band einigend ist, muss von den Bürgerinnen und Bürgern selbst gefunden und bestimmt werden. Dazu soll auch die weitere Konsultation zum vorliegenden Weißbuch führen.

Europäischer Zusammenhalt wächst in den Gemeinden



Für die Europäische Kommission wäre es wichtig, sich zu vergewissern, dass dieser gesellschaftliche Zusammenhalt und eine Richtung für eine gemeinsame Zukunft vor allem in den Gemeinden wächst. Denn es sind vor allem die kommunalen Verantwortungsträger, die durch ihre Bemühungen um einen Interessensausgleich die Basis für neue Projekte, neue Perspektiven und eine bessere Lebensqualität sorgen.



Die bewährten Europagemeinderäte haben dabei bewiesen, dass sie europäische Werte in ihrem Lebensumfeld vermitteln können. Vor einigen Jahren hat der Österreichische Gemeindebund das Motto „Europa wächst in den Gemeinden“ geprägt. Aus dieser Überzeugung heraus ist bei einer Diskussion zum Weißbuch zur Zukunft Europas daher eine kommunale Komponente unerlässlich, denn die Zukunft Europas liegt in den Gemeinden.