Symbolbild Nachhaltigkeit
Bei der Umsetzung von ESG-Kriterien können sich Gemeinden als Vorreiter in nachhaltiger Entwicklung positionieren.
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Nachhaltigkeit

ESG und Sustainable Finance als Herausforderungen für Gemeinden

ESG, Sustainable Finance, Green Deal, EU-Taxonomy, CSRD - Nachhaltigkeitsbegriffe sind zwar mittlerweile in aller Munde, deren genaue Bedeutung und Zusammenhänge gehen aber oft im Dschungel des Fachjargons verloren. Was genau ist mit diesen Begriffen gemeint und wie betreffen diese eigentlich Gemeinden?

Nachhaltigkeit ist im Trend und dieser Wandel beeinflusst mittlerweile alle Aspekte unseres täglichen Lebens. Von der Wirtschaft über die Politik bis hin zu individuellen Lebensstilen rückt das Bewusstsein für ökologische und soziale Verantwortung in den Vordergrund. Unternehmen orientieren sich vermehrt an ESG-Kriterien, um ihre Umweltauswirkungen zu minimieren und auch die Politik setzt stark auf nachhaltige Strategien. Starten wir daher mit einem kurzen Überblick über die wesentlichen Themen:

European Green Deal

The European Green Deal ist die bedeutendste Initiative der Europäischen Union. Dieser zielt darauf ab, durch verschiedenste Maßnahmen Klimaneutralität innerhalb der EU bis 2050 zu erreichen. Klimaneutralität bedeutet, dass durch menschliche Aktivitäten das Kima nicht beeinflusst wird. Kernpunkte des Deals sind die Reduzierung von Treibhausgasemissionen, die Förderung erneuerbarer Energien, die Verbesserung der Energieeffizienz, die nachhaltige Landwirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen im Bereich der grünen Technologien.

Als Hauptakteure der Daseinsvorsorge sind Gemeinden wesentlich in der Erreichung der Klimaziele, weshalb der Green Deal auch auf Gemeindeebene erhebliche Auswirkungen hat.  Kennzeichnend hierfür ist die Initiative „Green Deal Going Local“, die Städte, Regionen und Gemeinden als zentrale Akteure beim Übergang der EU zur Klimaneutralität sieht. Daher soll für Kommunen die Inanspruchnahme von EU-Mitteln erhöht und die Umsetzung von EU-finanzierten Projekten auf lokalen Ebene gefördert werden.

ESG (Environmental, Social und Governance)

ESG steht für Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) und umfasst die wesentlichen Faktoren, nach denen die Nachhaltigkeit, die ethische Qualität und die sozialen Auswirkungen eines Unternehmens oder einer öffentlichen Körperschaft beurteilt werden.  

ESG-Kriterien sind zu einem entscheidenden Maßstab für Investoren, Banken und Versicherungen geworden, die ihre Verantwortung stärker betonen wollen. Deswegen haben auch Unternehmen, die sich positiv in Bezug auf Umwelt, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung positionieren, oft bessere Chancen auf Finanzierung und werden von einer wachsenden Zahl von Investoren bevorzugt, die nicht nur finanzielle Renditen, sondern auch ethische und nachhaltige Praktiken berücksichtigen möchten.

Sustainable Finance (Nachhaltige Finanzierung)

Sustainable Finance integriert ESG-Kriterien in den Entscheidungsprozess des Finanzsektors. Ziel ist es, finanzielle Ressourcen in Projekte und Unternehmen zu lenken, die positive Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft haben.

Seitens der Europäischen Union wurde mittlerweile einige diesbezügliche Regelwerke veröffentlicht. Die EU-Taxonomy klassifiziert erstmals „grüne“ und „nachhaltige” Wirtschaftstätigkeiten innerhalb der EU. Durch die EU-Taxonomy wurden nun klare Regeln und Rahmenbedingungen geschaffen, wann ein Unternehmen nachhaltig oder umweltfreundlich wirtschaftet. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) sieht hingegen Offenlegungspflichten für Finanzunternehmen (z.B. Banken, Versicherungen) vor. Diese haben bekannt zu geben, inwiefern sie Nachhaltigkeitsfaktoren in den Entscheidungsprozess für ihre Finanzprodukte einbeziehen und was die wesentlichen nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen ihrer Finanzprodukte sind.

Mit der Richtlinie zur Unternehmens-Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD = Corporate Sustainibility Directive) werden stufenweise ab 1.1.2024 rund 49.000 Unternehmen in der EU und rund 2.000 Unternehmen innerhalb von Österreich zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet.

Die CSRD verankert die sogenannte doppelte Wesentlichkeit. Demnach sind die betroffenen Unternehmen verpflichtet, sowohl über die Auswirkungen des eigenen Geschäftsbetriebs auf Mensch und Umwelt als auch über die Auswirkungen von Nachhaltigkeitsthemen auf ihr Unternehmen zu berichten. Durch die verpflichtende Transparenz soll eine nachhaltige Unternehmensstrategie gefördert und zudem Stakeholdern zuverlässige und vergleichbare Informationen für die Bewertung von nachhaltigen Strategien geliefert werden.

Und was hat das nun alles mit Gemeinden zu tun?

Gerade die CSRD kann in diesem Zusammenhang auch öffentliche Unternehmen betreffen, sofern diese eine bestimmte Größe (z. B. Bilanzsumme über 20 Millionen Euro oder mehr als 250 Beschäftigte) erreichen. Zudem ist derzeit noch nicht gesichert, ob nicht auch Genossenschaften von der Richtlinie umfasst sein werden. Hier ist abzuwarten, wie sich der österreichische Gesetzgeber entscheiden wird – grundsätzlich könnte er auch einen Ausnahmetatbestand schaffen.

Die Offenlegungspflichten und Berichtspflichten betreffen (derzeit noch) nicht öffentliche Körperschaften wie Gemeinden, Bundesländer oder den Bund. Kommunen sind daher noch nicht direkt und unmittelbar von den regulatorischen Vorgaben betroffen.

Eine dahingehende Schlussfolgerung, dass ESG-Kriterien und Nachhaltigkeit Gemeinden nicht betreffen, wäre allerdings falsch. So finanzieren Gemeinden oft wichtige Projekte in der Infrastrukturentwicklung wie Bildungseinrichtungen, Pflegeheime und weitere wichtige öffentliche Vorhaben.

Diese Projekte erfordern erhebliche Investitionen, für welche Kredite von Banken aufgenommen und Versicherungen abgeschlossen werden. Eben diese Banken und Versicherungen sind einer der stärksten betroffenen Sektoren der Nachhaltigkeitsbewegung. Banken müssen etwa ab 2024 ihre sogenannte „Green Asset Ratio“ offenlegen. Diese misst den Anteil an grünen Finanzierungen am Gesamtportfolio der Bank.

Durch die Offenlegungs- und Berichtspflichten spielen ESG-Kriterien und Nachhaltigkeitskriterien damit auch für die Kreditvergabe eine immer größer werdende Rolle. Banken prüfen bei Kreditvergaben schon jetzt, ob der Kunde bestimmte ESG-Kriterien erfüllt. Nachhaltigkeit steigert die Kreditwürdigkeit. Kunden, die ESG-Kriterien erfüllen, bekommen somit Kredite zu besseren Konditionen.

ESG-Treiber für den öffentlichen Sektor

Auch Gemeinden können somit von der Implementierung von ESG-Kriterien, etwa durch Kredite mit vergünstigten Konditionen, profitieren. Planen sie somit beispielsweise ein neues Infrastrukturprojekt sollten Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden, wie etwa Energieeffizienzmaßnahmen, ressourcenschonende Planung oder PV-Anlagen.

Wesentlich ist insbesondere auch den Lebenszyklus des Projekts zu betrachten, sodass Projekte insbesondere während des Betriebs keine negativen ökologischen Auswirkungen, sondern einen positiven CO2-Fußabdruck haben. Mittlerweile gibt es hier auch Zertifizierungsstellen, die bereits im Zuge der Planung mit Auditoren dabei unterstützen, ein nachhaltiges Gebäude zu konzipieren. Mit den ausgestellten Zertifikaten können bessere Kredite und Förderungen beantragt werden.

Sustainable Finance und ESG darf jedoch nicht rein auf „Green Finance“ bzw Klimaschutz verkürzt werden. Ebenso sind soziale Kriterien und Kriterien im Rahmen der Führung der Gemeinde entscheidend. Dies betrifft insbesondere die Förderung der sozialen Vielfalt, die Förderung von Frauen in der Gemeinde oder auch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Gerade Letzteres hängt stark mit der Förderung von lokalen und regionalen Unternehmen zusammen. Und hier können die öffentliche Beschaffung und das Vergaberecht einen Beitrag leisten.

Mit der Implementierung von ESG-Kriterien in Ausschreibungen werden regionale Unternehmen gefördert und zeitgleich Nachhaltigkeitsziele befriedigt. Wer regional kauft, minimiert die Transportwege und unterstützt eine heimische Produktion, die kontrolliert und nachhaltig erfolgt. Vergabeverfahren können als starkes Lenkungsinstrument eingesetzt werden.

Nur Herausforderungen – oder auch Chancen?

Was kommt nun auf die Gemeinden zu? Die Frage lässt sich leicht beantworten.

Fakt ist, dass ESG-Kriterien gekommen sind, um zu bleiben. Gemeinden sind schon jetzt betroffen, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis weitere gesetzliche Vorgaben kommen und Gemeinden unmittelbar in den Fokus der ESG-Kriterien rücken. Dies birgt jedoch nicht nur Herausforderungen, sondern auch Chancen für Kommunen: Gemeinden können sich als Vorreiter in nachhaltiger Entwicklung positionieren und so als positives Beispiel für ökologisches und soziales Engagement hervorstechen, was langfristig zu einem attraktiven Umfeld für Bürger, Investoren und Partner führen wird.