„Es braucht eine proaktive Herangehensweise“

„Es braucht …“ Wie oft wurde diese Phrase im Wahlkampf von den Spitzenkandidaten der Parteien verwendet? Wer dieses „ES“ ist, blieb aber immer unbeantwortet. Stephen Kings Gruselclown vielleicht?

Früher sagte man „Man braucht …“ oder die geschlechtsneutralere und persönlichere Formulierung „Wir brauchen“. „Es braucht“ hat sich erst in den letzten Jahren eingebürgert und ist seither in Politikerreden fast unverzichtbar.



Gerne verwendet wird neuerdings auch „skalieren“. Und zwar in den verschiedensten Zusammenhängen. Früher verwendeten den Begriff hauptsächlich Grafiker, wenn sie etwa die Größe von Fotos oder Schriften veränderten. Jetzt skalieren auch Unternehmen – wobei meist nichts anderes gemeint ist, als dass sie größer werden.

Sinn kann man nicht "machen"



Schon länger eingebürgert hat sich die Phrase „Es macht Sinn“ statt des guten alten „Es hat Sinn“ oder des noch besseren „Es ist sinnvoll“. Dabei sollte man gerade als Österreicher seit den psychologischen Forschungen Viktor Frankls wissen, dass man Sinn nicht „machen“, sondern bestenfalls „finden“ kann.



Der deutsche Sprachexperte Bastian Sick führt den Siegeszug von „Sinn machen“ auf die wörtliche Übersetzung des englischen „That makes sense“ zurück. Die Phrase klinge modern und hemdsärmelig-zupackend zugleich: „,Das macht Sinn‘ ist prima geeignet, um über ein mangelndes Profil oder fehlende Sachkompetenz hinwegzutäuschen und von politischen Missständen abzulenken. Da wird von ‚machen‘ gesprochen und gleichzeitig Sinn gestiftet! Das ist der Stoff, aus dem große politische Reden geschrieben werden“, meint Sick.



Wenn die hohe Politik meint, sich derart profilieren zu müssen, dann soll sie es tun, aber als Gemeindemandatar sollte man überlegen, ob man sich die Sprachverirrungen der Spitzenpolitiker zum Vorbild nehmen muss.

Jeder "muss liefern"



In Mode ist derzeit auch die Phrase „… muss liefern“. Gemeint sind damit nicht nur Briefträger und Pizzaboten, sondern auch Sportler, die Erfolgen hinterherlaufen, und Politiker, die neu im Amt sind.



Schon beinahe unverzichtbar sind „Tools“ – interessanterweise aber gerade nicht dort, wo der Begriff am besten passen würde, nämlich am gemeindeeigenen Bauhof. Oder haben Sie schon einmal einen Arbeiter sagen hören „Gib mir doch bitte das Tool zum Nägeleinschlagen“?



In Büros und Amtsstuben geht es dagegen immer cooler zu. Da gibt es Kick-Off-Meetings, Daily Standups und Jour fixes, man scrumt und evaluiert auf Teufel komm raus. Wichtig ist eine „prozess- und wirkungsorientierte“ Herangehensweise – idealerweise „proaktiv“. Gibt es eigentlich auch eine „contraaktive“ oder eine „propassive“ Herangehensweise?



Die ohnehin schon unselige Umschreibung ASAP – „as soon as possible“ – hat einen großen Bruder bekommen: „asapst“. Die Steigerung eines Superlativs – das muss einem erst einmal jemand nachmachen!



Besonders erfinderisch in der Kreation neuer Begriffe sind – Wer auch sonst? – Marketing-Fachleute. Das werden PitchBooks erstellt, Key Visuals erstellt und Sales Funnel aufgebaut. Wer nicht weiß, was das ist, dem gibt eine Website Auskunft: „Marketing im Sales Trichter hat die Aufgabe, viele Visits zu erreichen und mit einer hohen Conversion Rate viele Leads mit guter Qualität zu generieren.“ Alles klar?