Walter Leiss
Walter Leiss: „Mit der bloßen Zielfestschreibung von 2,5 Hektar täglich oder weniger wird ‚sorgsamer Umgang mit Boden‘ nicht zu erreichen sein. Man stelle sich nur vor, wie die dann zur Verfügung stehende Fläche auf die einzelnen Bundesländer oder auf die Gemeinden aufgeteilt werden sollte.“
© Philipp Monihart

Umwelt

Der Kampf um die Nutzung des Bodens

Das Thema Bodenverbrauch wird mit wiederkehrender Regelmäßigkeit in den Medien behandelt. Wenn ein Windpark oder Kraftwerk geplant oder Betriebe angesiedelt werden, wenn Wohnprojekte realisiert werden oder wenn es Unwetter mit Schäden für die Landwirtschaft gegeben hat, ist mit Sicherheit am nächsten Tag einen Kommentar in den Medien zu lesen.

Schuld an diesen Ereignissen ist der Bodenverbrauch. Das Ziel der Eindämmung des Bodenverbrauchs verfolgt die Europäische Kommission ebenso wie alle nationalen Regierungen der letzten Jahre.

Zuletzt wurde von der ÖROK eine Bodenstrategie erarbeitet und Maßnahmen vorgeschlagen, wie der Bodenverbrauch eingedämmt werden könnte. Kurz vor der Beschlussfassung wollte ein Koalitionspartner ein verbindliches 2,5 Hektar-Ziel festschreiben. Die Beschlussfassung ist daraufhin gescheitert und wurde auf den Herbst vertagt.

Definitionsfragen

Schon bei der Erarbeitung der Bodenstrategie wurden verschiedenste Fragen über die Ziele dieser Strategie und über Begrifflichkeiten geführt:

  • Was versteht man eigentlich unter Bodenverbrauch bzw. kann Boden verbraucht werden?
  • Wenn Wirtschaftsgüter verbraucht sind, können Sie nicht mehr genutzt werden. Trifft dies auch für den Boden zu oder geht es nicht viel mehr um die Nutzung des Bodens für andere Zwecke?
  • Gilt Boden als verbraucht, wenn er nicht für landwirtschaftliche Zwecke genutzt wird, sondern für Betriebsansiedlungen, Infrastruktur oder zur Schaffung von Wohnraum?
  • Sind unsere Alpen und Gebirgszüge oder Brachflächen schon als verbraucht anzusehen, weil Sie nicht der landwirtschaftlichen Produktion dienen oder dienen diese Böden anderen Zwecken wie beispielsweise als Lebensraum vieler Tierarten oder als Erholungsraum für touristische Zwecke?

Ich will nicht ausschließen, dass es in machen Gegenden der Welt zu einem tatsächlichen Bodenverbrauch (insbesondere für die Gewinnung von Rohstoffen, die wir für unser tägliches Leben benötigen, wie beispielsweise Lithium) kommen kann, wodurch eine spätere Nachnutzung weder für Mensch noch Tier möglich ist, jedoch kann dies für Österreich weitgehend ausgeschlossen werden. 

Ziele festlegen

Ist man sich darüber einig, dass es als solches einen Bodenverbrauch kaum gibt, so gilt es festzulegen, wie und für welche Zwecke der Boden zu nutzen ist.

Es gilt daher, die Ziele, die mit der Bodenstrategie verfolgt werden, festzulegen, bzw. zu priorisieren. Dass dies kein einfaches Unterfangen ist, erhält allein aus der Tatsache, dass die verschiedenen Gruppierungen unterschiedliche Interessen verfolgen.

Dabei geht es um unterschiedliche Interessen, die an die Politik herangetragen werden. Manche finden sich auch bereits in Gesetzten verankert. Darunter fallen Ziele wie den Klimawandel stoppen, die Ernährungssicherheit für Österreich zu gewährleisten, die Energietransformation in Richtung Erneuerbare Energien zu ermöglichen, Natur, Artenschutz und die Diversität zu erhalten, leistbares Wohnen zu ermöglichen, Infrastrukturen zu erhalten bzw. zu errichten und letztlich Österreich als Wirtschaftsstandort zu stärken. Dass sich all diese Ziele nicht gleichzeitig erreichen lassen bzw. sich sogar widersprechen, liegt auf der Hand.

Landwirtschaftlich genutzte Fläche ging zurück

Wenn es beispielsweise um die Ernährungssicherheit geht, wäre es notwendig, sich realistisch mit den Zahlen und Fakten auseinander zu setzen.

Im jüngsten Bericht des Rechnungshofs zur Versorgungssicherheit ist lesbar, dass die landwirtschaftlich genutzte Fläche im Jahr 2010 von 2.879.895 Hektar auf 2.602.666 Hektar im Jahr 2020 zurückgegangen ist. Das sind nicht weniger als 277.229 Hektar landwirtschaftlich genutzte Fläche. Der diskutierte Flächenverbrauch von 12,5 Hektar täglich würde in den letzten 10 Jahren aber nur 45 625 Hektar ausmachen. Viel landwirtschaftlich genutzter Boden wurde also einer anderen Nutzung zugeführt, ohne dass er als verbraucht gilt.

Bioproduktion braucht mehr Fläche

Gleichzeitig stellt der Rechnungshof fest, dass die Getreideproduktion in den letzten zehn Jahren um mehr als 850.000 Tonnen und der Selbstversorgungsgrad von 92 auf 94 Prozent gestiegen ist. Die Obstproduktion ist ebenso gestiegen und die Fleischproduktion geringfügig geschrumpft, bei einem Selbstversorgungsgrad von 112 Prozent.

Daraus lässt sich schließen, dass der Rückgang der landwirtschaftlich genutzten Flächen wesentlich höher als der diskutierte Bodenverbrauch ist. Und andererseits trotz Rückgang der landwirtschaftlich genutzten Flächen die Ernährungssicherheit erhöht wurde.

Es ist schon klar, dass hierfür verschiedenste Faktoren ausschlaggebend sind. Produktionsmethoden und -mittel spielen dabei sicherlich eine große Rolle. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die jüngst veröffentlichte Aussage, dass bei einer Bioproduktion mit einem Rückgang der Erträge bei Weizen um 30 Prozent und bei Erdäpfeln um 50 Prozent zu rechnen sei. Auch hier gilt es sich daher zu entscheiden, welches Ziel man verfolgt.

Flächen für Energietransformation

Um die Energietransformation zu ermöglichen, wird es auch großflächige Photovoltaikanlagen und Windräder sowie Flächen für den Netzausbau benötigen. Vorsichtshalber wurden diese Flächen, die sicher zu Ertragseinbußen bei der landwirtschaftlichen Produktion führen, nicht eingerechnet.

Eine Nutzung des Bodens für die Schaffung von Wohnungen, Betrieben und der dafür erforderlichen Infrastruktur wird auch in Zukunft notwendig sein. Schließlich ist Österreich in den vergangenen zehn Jahren um mehr als eine Million Einwohner gewachsen. Einige Wohnbauträger beklagen schon, dass Boden nicht verfügbar ist und die Bautätigkeit daher eingeschränkt werden muss. Gelten all diese Flächen deswegen als verbraucht oder werden sie für andere Zwecke genutzt?

„Versiegelt“ ist nicht gleich „verbraucht“

Dass in diesem Zusammenhang der Einfamilienhausbau so verteufelt und von manchen sogar verboten werden soll, erklärt sich vielleicht auch daraus, dass mit den Begrifflichkeiten sehr oberflächlich umgegangen wurde.

Anscheinend kommt es auf die Widmung unabhängig von der tatsächlichen Nutzung an. So gilt bei einem Einfamilienhaus die gesamte Grundstücksfläche als „verbraucht“ obwohl in den meisten Fällen nicht mehr als 100 m2 tatsächlich verbaut bzw. versiegelt sind.

Erst im Zuge der Diskussion über das nicht Zustandekommen der Beschlussfassung wurde dann festgestellt, dass wir eigentlich von versiegelten Flächen sprechen sollten. Der tatsächliche Versiegelungsgrad liegt aber bei weniger als der Hälfte der diskutierten Werte. Eine genaue Erhebung soll nun durch das Umweltbundesamt durchgeführt werden und demnächst vorliegen. Verwunderlich ist dabei auch, dass Parkanlagen und Freizeitflächen genauso wie Sportanlagen, Golfplätze und Skipisten als verbraucht gelten. Hier wird es noch einiger Diskussionen bedürfen. 

Dass ein sorgsamer Umgang mit der Ressource Boden in Zukunft stattfinden sollte und die dafür erforderlichen Instrumente geschaffen werden müssen, ist unbestritten. Mit der bloßen Zielfestschreibung von 2,5 Hektar täglich oder weniger wird dies nicht zu erreichen sein. Man stelle sich nur vor, wie die dann zur Verfügung stehende Fläche auf die einzelnen Bundesländer oder auf die Gemeinden aufgeteilt werden sollte. Es bleibt jedenfalls spannend, ob im Herbst die Beschlussfassung der Bodenstrategie durch die ÖROK gelingen kann.