Ulrich Kubinger
Ulrich Kubinger: „Es geht um Wasser, Umwelt und unsere Zukunft.“
© Ines Thomsen

Umwelt

Abwasserbehandlung mit Nanotechnologie

Der Klimawandel bringt es mit sich, dass die Ressource Wasser immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Künftig wird vor allem unser Umgang mit Wasser in jeder Form wichtig sein. Riesige Summen werden daher jedes Jahr in die Behandlung von Abwasser gesteckt, das über kommunale Abwasserreinigungsanlagen wieder in den Kreislauf der Natur geschickt wird. Ein oberösterreichisches Biotechnologie-Unternehmen hat ein Verfahren entwickelt, das „nach Zukunft riecht“.
Karl Nehammer und Ulrich Kubinger
Ulrich Kubinger führt einem faszinierten Bundeskanzler Karl Nehammer auf dem „4GameChangers“-Festival im Mai 2023 denselben Versuch vor wie im Juni auf der Kommunalmesse 2023. Man kann den Versuch auch auf der VTA-Website ansehen.

Angefangen hat diese Geschichte Ende Juni auf der Kommunalmesse 2023 in Innsbruck. Bundeskanzler Karl Nehammer, Festredner des Gemeindetags, besuchte auch die Aussteller der Messe. Sein Weg führte ihn unter anderem am Stand der VTA – die Abkürzung steht für „Verfahrens Technologische Abwasseraufbereitung“ –vorbei. Sein Besuch sollte länger dauern als geplant – und fast wirkte es, als könne er nicht glauben, was er sieht. 

VTA-Wissenschaftler und -Verfahrenstechniker führten dem Bundeskanzler vor, was mit ungereinigtem Abwasser passiert, wenn man einen Tropfen „VTA Nanofloc®“, basierend auf dem „VTA Liquid Engineering Verfahren“  –Firmengründer Ulrich Kubinger nennt es „flüssige Intelligenz“ –, hineingibt. Die Schad- und Schmutzstoffe werden effektiv zu Flocken gebunden und sedimentieren in kürzester Zeit zu Boden. Am Ende bleiben optisch klares Wasser und eine kompakte Masse am Boden des Glases übrig. 

Ich war beim Rundgang des Kanzlers auf der Messe dabei und der Prozess hat nicht nur ihn gefesselt. Ich wollte mehr wissen. Und nicht nur ich. Wie ich später erfuhr, wollte auch der Kanzler mehr wissen und war schon vor mir in Rottenbach. Aber das ist eine andere Geschichte.

Recherche vor Ort

Ein Besuch bei der VTA – fast wie ein Besuch in einer anderen Welt. Zwei Monate später, in der kleinen Gemeinde Rottenbach im oberösterreichischen Hausruckviertel, eröffnet sich einige Kilometer nach der Autobahnabfahrt auf der Landstraße plötzlich ein unerwarteter Anblick. Links der 1.300-Einwohner-Ort Rottenbach, rechts ein Firmenkomplex, der Vorstellungen von einem „mittelständischen Unternehmen“, wie auf der Website der VTA zu lesen steht, über den Haufen wirft. Auch meine Recherchen vorab hatten mich nur ungenügend vorbereitet. Auf dem Weg zu Ulrich Kubinger, dem Chef der Firma, revidierte ich das Gelesene. 

Zwei riesige Produktions- und Fertigungshallen tauchen auf, praktisch komplett umhüllt mit Photovoltaikmodulen. Daneben das Hauptgebäude, wo neben den Büros auch die Labore der Wissenschaftler untergebracht sind. Im Hintergrund ein weiterer Komplex, der gerade in Bau ist, ein europäisches Forschungszentrum für Abwasserbehandlung, wie Kubinger später erklärt. 

Das Ganze ist in eine gepflegte Landschaft eingebettet, die eines von Weitem zeigte: Da ist jemand am Werk, dem die Umwelt ­generell – nicht nur Wasser – viel bedeutet. Und da besteht, wie er eindrücklich mahnt, Zeitnot. Für Ulrich Kubinger ist es für die Umwelt nicht 5 vor 12, sondern schon knapp vor 3 Uhr nachmittags. 

Wasserreinigung auf Basis modernster Nanotechnologie

„Wo die Chemie an ihre Grenzen stößt, beginnt die Nanotechnologie“, erklärt der VTA-Chef im Hinblick auf klassische Kläranlagen, die das Wasser mit Chemikalien und in großen Klärbecken säubern. Er hat selbst 14 Jahre lang in einer von der Universität Wien geplanten Kläranlage gearbeitet, wie er erzählt. „Ich kenne mich in der Materie aus“, sagt er. „Für den Optimierungsprozess der Anlage braucht man gute Systemprodukte, in Kombination mit verfahrenstechnischer Erfahrung – Liquid Engineering“.

Herkömmliche Kläranlagen funktionieren im Prinzip immer gleich. Das Abwasser kommt hinein, wird mechanisch vorgereinigt, in der biologischen Stufe belüftet und umgewälzt. Dabei arbeiten Mikroorganismen. Dann kommt alles in ein Nachklärbecken, wo sich das Feste vom Flüssigen trennt. Das Feste nennt man Belebtschlamm, dieser wird teilweise rückgeführt, und das biologisch gereinigte Wasser wird anschließend in einen Vorfluter eingeleitet.

Vor rund 50 Jahren wollte man mit dem Prozess Kohlenstoff reduzieren. Dann hat man sich vor 40 Jahren überlegt, dass man auch Stickstoff und Phosphor reduziert. An der Technik hat sich seither nur wenig geändert. Es kam lediglich der Faulturm dazu, wo im Wesentlichen Energie zurückgewonnen wird, das heißt, nicht rückgeführtes organisches Material wird in Gas umgewandelt, das zur Energiegewinnung genutzt wird. Selbst Kläranlagen am heutigen Stand der Technik funktionieren so. 

„Aber eine wirklich moderne Kläranlage sieht für mich anders aus. Ich sehe die Zukunft der Anlagen ganz anders, und ich erkläre Ihnen auch gleich wie. Auch die Zukunft der Klärwärter, die es als Berufsstand in Österreich eigentlich ja gar nicht gibt. Deswegen baue ich auch den Campus, damit ich den Klärwärtern auch einen Berufsstand geben kann“, erläutert Ulrich Kubinger. Aber dazu später.

 „Auch heute noch gibt man,“ so Kubinger, „Fällmittel lediglich auf Eisensalze-Basis in die Kläranlagen. Die modernste Kläranlage der Welt oder Europas arbeitet mit diesen Produkten. Und was ist daran bitte modern?“

Der erste Versuch, den Kubinger vorführt, wird mit standardisiertem Abwasser gezeigt. Kubinger: „Da geben wir jetzt unseren ,Biolizer‘ – wir nennen es „flüssige Intelligenz“ – hinein. Als Vergleich: Einen Tropfen von herkömmlicher Eisensalzlösung (… Pause …) – und jetzt schauen Sie sich an, was da an Fällschlamm entsteht.“ 

Sparpotenzial in Kläranlagen

Was nicht bekannt ist: Eine moderne Kläranlage braucht für das Ergebnis 30 Prozent mehr Energie. „Das wird zwar mancherorts abgestritten, aber wenn da nichts mehr wäre, dürfte ich auch nichts sehen – oder? Bei meinem Produkt sehe ich jedenfalls nichts mehr!“, so Kubinger.
Er fokussiert sich auf die Energie. „Wir haben nämlich nicht so viel Energie, dass wir um 30 Prozent mehr Energie in ein Verfahren stecken können, das billiger möglich ist.“ Er bringt ein kurzes Rechenbeispiel: „Normales Eisensulfat kostet eine große Kläranlage rund 1.000 Euro am Tag, unsere ‚flüssige Intelligenz‘ kostet 2.500 Euro am Tag. Aber die Energiekosten, die wir in der Kläranlage bei der alten Methode brauchen, um die 8.000 Euro, reduzieren sich damit um 30 Prozent! Das sind bei mir dann 2.400 Euro. Unter dem Strich kommt eine Einsparung von 900 Euro pro Tag für die Kläranlage raus.“

An diesem Punkt des Klärprozesses wird Nanofloc dem Beckeninhalt hinzugefügt.
An diesem Punkt des Klärprozesses wird Nanofloc dem Beckeninhalt hinzugefügt.

„Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit.“ Was laut Kubinger auch noch zu bedenken ist: Beim VTA-Produkt fällt um bis zu ca. 50 Prozent weniger Fällschlamm an. Und weil der Schlamm Energie benötigt – man muss ihn belüften, bearbeiten, entwässern –, ist ein erheblicher Energieaufwand nötig. Wenn man weniger Schlamm hat, spart man Energie. 

Und es gibt zwei Arten, wie man Energiekosten betrachten kann: „Die einen sagen, man muss sparen – das setzt aber voraus, dass man vorher Energie vergeudet hat. Der klügere Weg ist die Energievermeidung, das ist es, was die VTA macht. Also agieren und nicht reagieren. Aber das kommt nicht bei allen in Österreich gut an. Ich denke dann immer an den Spruch ,Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit‘.“
Nach dem Prozess bleibt zwar kein Trinkwasser übrig, aber 99,6 Prozent reines Brauchwasser, etwa zu Bewässerung von Grünflächen oder möglicherweise zukünftig für die Landwirtschaft. 

Nanotechnologie

Was unter den Begriff Nanotechnologie (im Altgriechischen bedeutet nános  „Zwerg“) fällt, wird allein durch die Größe der Materialien bestimmt, die untersucht oder genutzt werden. Unter dem Begriff werden alle Technologien gefasst, die sich in einer Größenordnung von typischerweise unter 100 Nanometern (Milliardstelmetern) bis hin zur Größe eines Atoms abspielen.

Unterhalb von etwa 50 Nanometern gelten nicht mehr die klassischen physikalischen Gesetze. Stoffe verhalten sich vielmehr nach quantenphysikalischen Gesetzen. 

Zur Person

Ulrich Josef Kubinger, Jahrgang 1957, Vater dreier Töchter, besuchte die HTL Wels (Chemieingenieurwesen). Weiterbildungen absolvierte er im Bereich Management (B.A.) und Business Administration and Management (M.A.)

Der tiefgläubige Katholik Kubinger ist leidenschaftlicher Chemiker und gründete 1992 die VTA als Ein-Mann-Unternehmen. Sein Ziel damals wie heute ist es, die Abwasserreinigung in Kläranlagen mit selbst entwickelten, innovativen und biologisch voll verträglichen Produkten zu optimieren. Damit baute er die VTA vom belächelten Ein-Mann-Betrieb zum internationalen Innovationsführer der Branche mit einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro im Jahr 2022 aus.

Forschungscampus
Auf 15.000 Quadratmetern errichtet VTA-Gründer Ulrich Kubinger neben dem VTA-Firmengelände in Rottenbach derzeit einen Forschungscampus der Alma Mater Europaea. Kommendes Jahr soll das imposante Gebäude fertiggestellt sein.
Ziel des Campus mit internationaler Ausrichtung ist die Kompetenzvermittlung im Wasser- und Umweltbereich. Wissen soll praktisch, verständlich und nachhaltig vermittelt werden, um die Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft zu fördern. Es soll „ein multinationaler Campus für Forschung und Diskussionen und zur Wahrheitsfindung für eine bessere Zukunft werden“, wünscht sich Kubinger.