Wiener Neustadt
Der Wiener Neustädter Dom steht - betrachtet man Langhausachse und Achse des Chors - etwas „verdreht“. Warum, lesen Sie unten.
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Wiener Neustadt - die „Allzeit Getreue“

3. März 2019
Im Jahre 1192 entschloss sich der Babenberger Herzog Leopold V., inmitten der Ebene des südöstlichen Steinfeldes eine stark befestigte Stadt zu gründen. Für den Bau der „Neuenstat“ konnte ein Teil des Lösegeldes des englischen Königs Richard Löwenherz verwendet werden.

Durch Verleihung wichtiger Privilegien gedieh die neue Stadt ausgezeichnet. Schon um das Jahr 1200 wurde mit dem Bau der spätromanischen Pfarrkirche „Zu unserer Lieben Frau“ begonnen. Noch in der Babenbergerzeit entstand auch die viertürmige Burganlage in der Südostecke der Stadt, der späteren Militärakademie.

Blütezeit unter den Habsburgern

Ihre Blütezeit erlebte die Stadt Wiener Neustadt im 15. Jahrhundert, als sie Kaiser Friedrich III. viele Jahrzehnte hin- durch als Residenz diente. Von ihm erhielt die Stadt auch den ehrenvollen Beinamen die „Allzeit Getreue“ für die bewiesene Treue beim Aufstand der österreichischen Stände 1457. Hier, in der Neustädter Burg, wurde 1459 Friedrichs berühmter Sohn, der spätere Kaiser Maximilian I., geboren. Er fand in der prachtvollen St.-Georgs-Kathedrale der Burg seine letzte Ruhestätte (1519). 1469 erfolgte die Gründung eines Bistums in Wiener Neustadt.

Eroberung durch Matthias Corvinus

Nach fast zweijähriger Belagerung durch die Ungarn musste die ausgezeichnet befestigte und vorbildlich verteidigte Stadt Wiener Neustadt im August 1487 schließlich doch ihre Tore dem ungarischen König Matthias Corvinus und seinen Truppen öffnen.

Ein großer, silberner, vergoldeter und mit ungarischem Drahtemail reich verzierter Prunkpokal, der „Corvinusbecher“ - der Tradition nach ein Geschenk des ritterlichen Ungarnkönigs an die Wiener Neustädter - erinnert heute noch an diese Zeit. Erst im Sommer 1490, also nach dreijähriger ungarischer Besetzung, gelang es dem jungen König Maximilian I., seine Vaterstadt wieder zurückzuerobern.

Im 16. Jahrhundert verlor Wiener Neustadt, die nun nicht mehr Residenz war, sehr an Bedeutung. Ihre ursprüngliche Funktion, als Bollwerk gegen den Osten zu dienen, erfüllte die Stadt jedoch auch in der Neuzeit getreulich und hielt sich tapfer gegen Türken und Kuruzzen.

Maria Theresia gründet Militärakademie

Von größter Bedeutung für die Stadt war der 1751 gefasste Entschluss Maria Theresias, in der kaiserlichen Burg zu Wiener Neustadt ein adeliges Kadettenhaus einzurichten: Diese berühmte „Theresianische Militärakademie“, in der 1752 der Unterricht aufgenommen wurde, besteht (von kurzfristigen Unterbrechungen abgesehen) bis zum heutigen Tag. Im Jahre 1768 erlitt Wiener Neustadt - vor allem die Burg - durch ein heftiges Erdbeben beträchtlichen Schaden; der Wiederaufbau der Burg erfolgte nach Plänen des Baumeisters Niccolo Pacassi. Die Akademie ist heute noch Österreichs einzige Ausbildungsstätte für Offiziere.

Auf Befehl Kaiser Joseph II. musste im Jahre 1785 das Bistum Wiener Neustadt nach St. Pölten transferiert werden. Mit Ausnahme des Zisterzienserstiftes Neukloster und des Kapuzinerklosters sind 1782 bis 1784 alle in Wiener Neustadt befindlichen Klöster auf- gehoben worden.

Das Flugfeld

Im Jahre 1909 ließ die Stadtgemeinde zur Förderung des mechanischen Flugwesens im Norden der Stadt ein Flugfeld anlegen, auf dem bereits 1911 die 1. österreichische Flugwoche abgehalten wurde. Das Wiener Neustädter Flugfeld – auf dem Flugpioniere, wie Igo Etrich, Karl Illner, Adolf Warchalowski, ihre Flugversuche unter- nahmen – war das erste offizielle österreichische Flugfeld.

Der Zweite Weltkrieg

Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 kam es in Wiener Neustadt zu einer Konzentration kriegswichtiger Industrie. Dies führte dazu, dass Wiener Neustadt im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig

Sonnenaufgang ist 4. Dimension

Zweifach orientiert auf Pfingstsonntag

Wiener Neustadt wurde nach den Regeln der mittelalterlichen Baukunst zuvor abgesteckt und geplant und entsprechend dem Gelände ausgerichtet.

Bei genauerer Untersuchung stellt sich in diesem Fall heraus, dass die Mittelachse des Doms ebenso wie die SW-NO-Diagonale der Stadt, auf den Sonnenaufgang Pfingsten 1192 (24. Mai) ausgerichtet ist.

An diesem Tag wurde der Babenberger Herzog Leopold V. von Österreich von Kaiser Heinrich VI. mit dem Herzogtum Steiermark (das Gebiet um Wr. Neustadt gehörte damals zur Steiermark) belehnt. Erst mit der Belehnung machte der Bau einer Grenzfestung Sinn.

Erste Orientierung des Doms ist also der 24. Mai 1192. Der Dom selbst steht - betrachtet man Langhausachse und Achse des Chors - etwas „verdreht“. Normalerweise bilden die Chorachsen mit der Längsachse einen rechten Winkel, also das Gebäude ein Rechteck.

In diesem Fall aber bildet die Längsachse mit den Chorachsen eine Raute. Betrachtet man die Ausrichtung der Chroachsen, so ergibt sich, dass sie auf den Sonnenaufgang des 16. Mai 1193 hinweisen, die zweite Orientierung: Pfingsten 1193, der Tag der Grundsteinlegung zum Dom.

Aus: Erwin Reidinger, Bauingenieur und Forscher, aus: Österr. Ingenieur- und Architektenzeitung, 143. Jg., Heft 1/1998