Bludenz
Blick auf Bludenz.
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Wem gehört das Ländle?

1. September 2023
Mit der von der Arbeiterkammer Vorarlberg in Auftrag gegebenen Studie „Wem gehört das Land?“ gibt es erstmal eine Übersicht, wieviel verfügbaren Baugrund Vorarlberg noch hat und wer entscheiden kann, was damit passiert. Auch wenn es keine Neiddebatte geben soll, ist allein die Frage brisant.

Gleich vorweg betonen die Studienautoren und -auftraggeber ausdrücklich, dass es „zu keiner Zeit Ziel war, in eine Neiddebatte einzusteigen, sondern belastbare Fakten über die tatsächliche Situation am Grundstücksmarkt zu erhalten. Dies ist aus gesellschaftspolitischer Sicht enorm wichtig, hängen davon künftig sowohl die Preisentwicklung am Wohnungsmarkt als auch die Expansionsmöglichkeiten für Wirtschaftsbetriebe ab. Das wiederum hat einen wesentlichen Einfluss auf den künftigen Wohlstand in Vorarlberg. Wir können uns den Luxus einer musealen Erstarrung unserer Wirtschaftsstruktur ebenso wenig leisten, wie den Stopp der weiteren Entwicklung am Wohnungsmarkt.“

Das Thema des Eigentums und der Besitzverhältnisse ist tatsächlich von hoher gesellschaftlicher Brisanz, da unausgeglichene Besitzverhältnisse die soziale Ungleichheit fördern und zur Spaltung der Gesellschaft beitragen, Marktmonopole ermöglichen und den Preisanstieg für Grundstücke und Wohnraum mitverursachen.

Aus diesen Gründen definiert beispielsweise das Vorarlberger Grundverkehrsgesetz unter § 1 lit. b) als Ziel „eine möglichst breite, sozial erträgliche (...) Streuung des Grundeigentums zu erhalten; und lit. d) der Baulandhortung entgegenzuwirken.“ (vgl. Amt der Vorarlberger Landesregierung – Gesetzgebung (2023): Gesetz über den Verkehr mit Grundstücken).

Britische Studien zeigen großes Ungleichgewicht der Bodenbesitzverhältnisse

Mehrere Studien in Großbritannien haben zuvor schon die Besitzverhältnisse von Grund und Boden untersucht und als Ergebnis ein großes Ungleichgewicht der Bodenbesitzverhältnisse aufgezeigt. In der im „The Guardian“ veröffentlichten Studie „Who owns the Land“ aus dem Jahr 2019 wurde festgestellt, dass weniger als ein Prozent der Bevölkerung 50 Prozent der Flächen in England besitzen.

Wahrnehmung in der Öffentlichkeit

Gleichzeitig findet sich auch in der öffentlichen Diskussion in Vorarlberg die Wahrnehmung, dass wenige Personen und Unternehmen eine Vielzahl an Grundstücken besitzen und akkumulieren. Ob ein solches Ungleichgewicht in den Grundstücksbesitzstrukturen in Vorarlberg tatsächlich besteht, wurde im Rahmen dieser Auftragsstudie detailliert analysiert.

Die bisherige Faktengrundlage und Datenintransparenz waren bislang nicht ausreichend, um Studien dieser Art durchzuführen. Mit dem gezeigten Ansatz besteht sowohl die Hoffnung als auch der Anspruch, in Zukunft ähnlich gelagerte Fragestellungen einfacher bearbeiten und beantworten zu können.

Die Ziele der Studie

Zielsetzung der Studie ist es laut Autoren und Auftraggeber nicht, einzelne Grundstücksbesitzer herauszufiltern und zu benennen, sondern die Grundstücksbesitzverhältnisse in Vorarlberg durch die Verschneidung von Grundstückskataster und Flächenwidmungsplan in einem Geoinformationssystem (GIS) einer vertiefenden räumlichen und statistischen Betrachtung zu unterziehen und als Ergebnis Kennzahlen zu Anzahl, Flächengröße, Besitzverteilung und Flächenwidmung aufzubereiten und darzustellen.

Damit die in der implementierten Datenbank vorgehaltenen Grundstücke und Auswertungen nicht einer spezifischen natürlichen oder juristischen Person zugeordnet werden können, wurden die Grundstücksbesitzer anonymisiert.

Agrargemeinschaften und öffentliche Hand besitzen halb Vorarlberg

Grundsätzlich kann konstatiert werden, dass rund 50 Prozent der Gesamtfläche im Besitz von Agrargemeinschaften, Gemeinden, Land und Bund sind und somit erschwert verkauft werden kann. In diesem Kontext zeigt sich, dass die Besitzverhältnisse in Vorarlberg nicht mit denen in Großbritannien vergleichbar sind.

Nichtsdestotrotz lassen sich klare Ungleichverteilungen in Vorarlberg erkennen.

  • Rund 60 % der Vorarlberger:innen besitzen anteilig keinen Grund und Boden.
  • Rund zwei Drittel der Vorarlberger:innen besitzen kein Wohnbaugrundstück bzw. Eigentumswohnungsanteil.
  • 10 % der Vorarlberger:innen besitzen 76 % der gesamten Wohnbaugrundstücksflächen

Vorarlberg wird zum Land der Mieter

Diese Besitzverhältnisse tragen das Potential einer weiteren gesellschaftlichen Spaltung. Durch diese Ungleichheit werden immer weniger Vorarlberger:innen Wohneigentum haben und immer mehr Vorarlberger:innen in Mietverhältnissen leben. Das Ländle wird zum Land der Mieter:innen. Diese Entwicklungen bringt zahlreiche negative Auswirkungen mit sich.

Gerald Mathis
„Was es benötigt, ist eine klare Ansage gegen den spekulativen Wohnbau.“ Gerald Mathis, Geschäftsführer des ISK Instituts für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung in Dornbirn

Jeder Mensch in Vorarlberg hat das Recht auf angemessenen Wohnraum. Im Rahmen der Studie wurde jedoch erhoben, dass 64 % gar kein Wohnbaugrundstück oder Wohnungsanteil besitzen. Zudem wird hier eine deutliche Spaltung sichtbar: 10 % der Vorarlberger:innen besitzen 76 % der gesamten Wohnbaugrundstücksflächen und nur noch 16 % der Gesamtbevölkerung besitzen noch unbebaute Wohnbaugrundstücke.

Dies führt zunehmend zu Flächenakkumulationen von wenigen Besitzer:innen. Diese Entwicklung wird, wenn nicht entgegengesteuert wird, unweigerlich zu einer weiteren Spaltung führen und fördert langfristig Altersarmut und führt insgesamt zu einer verstärkten Belastung der öffentlichen Hand. Gewidmete, aber unbebaute Flächen sind schwer mobilisierbar. Hier liegt die Entscheidungskompetenz bei den Eigentümern. Dies erhöht bei Gemeinden den Widmungsdruck zur Mobilisierung von landwirtschaftlichen Flächen.

Potential für Wohneigentum wird verringert

Eine weitere negative Folge ist, dass gewidmete Flächen ohne Einfluss der öffentlichen Hand und ohne Einschränkungen des Grundverkehrs auf dem freien Markt veräußerbar sind und somit den Preisdruck auf Grundstücksflächen erhöhen.

Diese uneingeschränkten Nutzungsmöglichkeiten befeuern den Veranlagungswohnbau und verringern das Potential an Flächen für den dringenden notwendigen Bedarf für Wohneigentum mit Hauptwohnsitz.

Studie Wem gehört das Land

Fazit

Bernhard Heinzle, Präsident der Arbeiterkammer Vorarlberg: Politik muss gestalten und nicht nur verwalten. Ziel der öffentlichen Hand muss es künftig sein, stärkeren Einfluss auf die räumliche Entwicklung, den Grundverkehr und den Wohnungsmarkt zu nehmen.

Wie bisher praktisch alles dem Markt zu überlassen und zu hoffen, es wird schon irgendwie gut gehen, ist maximal noch ideologisch argumentierbar, ignoriert aber völlig die schon deutlich spürbaren negativen Auswirkungen am Wohnungs- und Grundstücksmarkt im Lande.

Als Arbeiterkammer verfolgen wir diese Entwicklung seit Jahrzehnten und sind immer wieder erstaunt, wie wenig sich die Politik tatsächlich dieser Probleme annimmt. So wurde die von der Vorarlberger Arbeiterkammer unter dem damaligen Präsidenten Josef Fink vor über dreißig Jahren aufgestellte Forderung nach einem Bodenfonds für Wohn- und Betriebsgrundstücke konsequent ignoriert und erst jetzt ist der politische Wille vorhanden, das Projekt umzusetzen.

Bernhard Heinzle
Bernhard Heinzle, Präsident der Arbeiterkammer Vorarlberg: „Wir wollen keine Neiddebatte eröffnen!“ Foto: Lukas Haemmerle

Was es aber inzwischen vielmehr benötigt, ist eine klare Ansage gegen den spekulativen Wohnbau, der sich nicht an den Wohnbedürfnissen der Menschen orientiert, sondern nur an den Profitinteressen einiger Investoren. Wir als gesetzliche Vertreter der arbeitenden Menschen in diesem Lande wollen deshalb eine strenge Bedarfsprüfung nach dem Motto, wer keinen Bedarf für die Deckung des eigenen Wohnbedarfs hat, kann in Vorarlberg nicht kaufen. Das ist rechtlich zwar nicht einfach umzusetzen, aber möglich, wenn der politische Wille dazu vorhanden ist.

Die von der AK beauftragte Studie von Univ.-Prof. Peter Bußjäger zeigt den Weg dazu auf. Als Vorlage für derartige einschränkende Regelungen kann zudem der landwirtschaftliche Grundverkehr gelten. Denn was für den Schutz der Bauern durchaus Sinn macht, muss auch für den Schutz der Wohnbevölkerung erlaubt sein. Denn diese leiden unter den massiv gestiegenen Wohnungspreisen am stärksten. Und nachdem Wohnen ein Grundbedürfnis ist, das nicht substituiert werden kann, sind gestaltende Eingriffe in den Grundstücks- und Wohnungsmarkt ein Gebot der Stunde.