Der öffentliche Auftraggeber hat die Verfehlung des Unternehmers mittels eines objektivierbaren Nachweises festzustellen.
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Sind Straf-Ermittlungen ein Ausschlussgrund?

15. Juni 2023
Wie hat sich eine Gemeinde zu verhalten, wenn in einem Vergabeverfahren gegen einen Bieter ein Strafverfahren läuft oder Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft anhängig sind?

Angebote von Unternehmern, deren Eignung nicht gegeben ist, sind auszuscheiden. Zur Eignung müssen Unternehmer ihre Befugnis, berufliche Zuverlässigkeit, wirtschaftliche und technische Leistungsfähigkeit nachweisen.

Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit

Die berufliche Zuverlässigkeit fehlt unter anderem bei Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung des Unternehmers nach den im Gesetz aufgezählten Tatbeständen (vgl. § 78 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018) oder bei Vorliegen einer schweren Verfehlung (vgl. § 78 Abs. 1 Z 5 BVergG 2018).

Der Beurteilung der beruflichen Zuverlässigkeit sind insbesondere die Nachweise gemäß § 82 Abs. 2 und 3 BVergG 2018 zugrunde zu legen. Dazu zählen unter anderem Strafregisterbescheinigungen bzw. Registerauskünfte für Verbände. Geht nun aus einem solchen Nachweis eine rechtskräftige Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung hervor oder erfährt der öffentliche Auftraggeber auf andere Weise von einem solchen Urteil, kann dennoch vom Ausschluss des betroffenen Unternehmers abgesehen werden, wenn:

  1. die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 bis 5 BVergG 2018 vorliegen oder
  2. die/der Unternehmer gemäß § 83 Abs. 2 BVergG 2018 glaubhaft macht, trotz des Vorliegens eines Ausschlussgrundes zuverlässig zu sein.

Prüfung über Ausschluss obliegt dem öffentlichen Auftraggeber

Die Prüfung und Abwägung, ob ein Unternehmer auszuschließen ist, obliegt somit dem öffentlichen Auftraggeber. Unternehmer sind trotz rechtskräftiger Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung nicht per se aus einem Vergabeverfahren auszuschließen.

Dies trifft noch mehr auf den Fall zu, in welchem noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt.

Verfehlung muss nachweisbar sein

Liegt eine Gerichts- oder Verwaltungsentscheidung vor, die noch nicht rechtskräftig ist, kann diese einen geeigneten Nachweis für die fehlende Eignung eines Unternehmers darstellen. Der öffentliche Auftraggeber hat die Verfehlung des Unternehmers jedenfalls mittels eines objektivierbaren Nachweises festzustellen.

Aus den Gesetzesmaterialien geht hervor, dass an diese Objektivierbarkeit strenge Anforderungen gesetzt werden. Ein solcher Nachweis muss objektiven Kriterien genügen, die den Formen der gesetzlich geregelten Nachweise für das Vorliegen eines Ausschlussgrundes gleichzuhalten sind. Umstände, die gerichtlich erst zu klären sind, entsprechen dieser Anforderung nicht.

Ermittlungen sind noch keine Verfehlung

In Weiterführung dieses Gedankens führen Ermittlungen gegen einen Unternehmer als Beschuldigter noch weniger automatisch oder gar zwingend zum Ausschluss dieses Unternehmers. Ermittlungen gegen Beschuldigte dienen der Klärung, ob ein strafbares Verhalten vorliegt. Sie stellen noch keine schwere Verfehlung nach dem Verständnis des Bundesvergabegesetzes dar.

Der öffentliche Auftraggeber hat schwere Verfehlung eines Unternehmers wiederum durch objektivierbare Nachweise festzustellen. Liegen solche objektiven Nachweise schwerer Verfehlungen eines Unternehmers vor, ist dieser aus dem Vergabeverfahren auszuschließen. Alleine die Ermittlungen der Kriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft in einem Strafverfahren stellen allerdings keinen Nachweis dar, welcher diesen Anforderungen genügt und den automatischen oder zwingenden Ausschluss eines Unternehmers aus einem Vergabeverfahren rechtfertigt.

Infos

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