Erschliessung eines neuen Baugebietes
Die Erschließung eines neuen Baugebietes ist teuer. Nicht immer zahlt es sich für die Gemeinde aus.
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Damit Träume nicht platzen

Lohnt es sich, in Siedlungsentwicklung zu investieren?

17. Januar 2024
Der Niederösterreichische InfrastrukturKostenKalkulator (NIKK) ist ein vom Land Niederösterreich kostenfrei zur Verfügung gestelltes Berechnungstool, mit dem Gemeinden und Planer die finanziellen Auswirkungen von Siedlungsentwicklungen abschätzen können.

Fast alle Gemeinden wünschen sich, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen, mehr Einwohner. Die Erschließung von Bauland ist aber teuer, und nicht immer rentieren sich die Investitionen.

Damit das nicht passiert, stellt das Land Niederösterreich stellt schon seit gut zehn Jahren mit dem InfrastrukturKostenKalkulator eine Anwendung zur Verfügung, die Gemeinden eine wirtschaftlich effiziente Planung erleichtern soll.

Mit dem Kalkulator kann man die Ausgaben und Einnahmen von Erweiterungs- und Siedlungsprojekten vorhersagen und besser einschätzen. Auch die Langzeiterhaltungs- und Folgekosten lassen sich errechnen, Einsparungsmöglichkeiten und Synergien können sofort erkannt werden.

Durch vordefinierte Anwendungsfälle kann das Tool verschiedene Nutzungsarten, wie Wohn- oder Geschäftsnutzung sowie gemischte Siedlungsbereiche simulieren. Es erfasst auch vorhandene Gebäudestrukturen als Bestand und bewertet geplante Siedlungsentwicklungen sowohl innerhalb als auch außerhalb des bestehenden Bereichs.

Was muss eingegeben werden?

Die räumliche Betrachtungsebene beim Arbeiten mit dem Kalkulator ist ein Baugebiet. Die Eingabe erfolgt in acht Schritten, mit denen ein Baugebiet definiert wird:

  • Unter dem Menüpunkt „Baugebiet“ erfolgt eine grundlegende Charakterisierung des betrachteten Vorhabens (Baugebietstyp, Status) und die Erfassung der Flächen.
  • Unter „Bebauung“ wird mit der Aufteilung des Nettobaulandes die Bebauungsstruktur definiert. Eingegeben werden müssen dazu Baugebietstyp, Bebauungstyp, Bauklasse sowie der Flächenanteil am Nettobauland.
  • Danach werden in vier Schritten die verschiedenen Infrastrukturen (Verkehrsinfrastruktur, Leitungsinfrastruktur, Grün- und Freiraum, soziale Infrastruktur) erfasst, die für die Auswertungen berücksichtigt werden sollen.
  • Unter Besiedlung können Einstellungen zur Flächenverfügbarkeit sowie zu Besiedlungsdauer und Besiedlungsgrad vorgenommen werden.
  • Unter dem Menüpunkt Finanzwirtschaft werden Einstellungen zu finanziellen Wirkungen vorgenommen.

Mit diesen Eingaben kann ein grundlegendes Ergebnis errechnet werden. Mit weiterführenden Angaben können individuelle Situationen im Detail betrachtet werden.

Aufbereitung der Ergebnisse

Der Kalkulator liefert grafische und tabellarische Ergebnisse für folgende Bereiche: Finanzen, Bevölkerung, Wirtschaft und Flächen. Die Ergebnisse können Format exportiert und in einem Tabellenkalkulationsprogramm weiterbearbeitet werden. Auf diese Weise lassen sich zusätzliche detaillierte Auswertungen anstellen und in Diagrammen grafisch veranschaulichen.

Der Kalkulator ermöglicht Varianten- und Standortvergleiche für Siedlungsentwicklungen. Auf diese Weise können die unterschiedlichen Auswirkungen von Siedlungsentwicklungen aufgezeigt werden. Einerseits wird so Bewusstsein für fiskalische Wirkungen durch Siedlungsentwicklungen geschaffen. Andererseits werden Möglichkeiten zur Verbesserung der Planungsvorhaben aufgezeigt. So können nicht nur die Kosten im Auge behalten werden, sondern auch die finanziellen Chancen, die sich aus Infrastrukturprojekten ergeben, können erkannt und genutzt werden.

Variantenvergleich
In der Tabelle werden ausgewählte Wirkungen der Alternativvarianten in Einfamilienhausbebauung im Vergleich zum Planungsvorhaben mit moderat verdichteter Wohnbebauung mit Reihenhausanlage und Mehrfamilienhaus zusammengefasst. Mit dem Variantenvergleich wird die deutlich bessere Flächenausnutzung in der moderat verdichteten Baugebietskonfiguration ersichtlich. Im Gegensatz zur reinen Einfamilienhausbebauung wird mit der Kombination aus Reihenhausanlage und Mehrfamilienhaus eine höhere bauliche Ausnutzung der Baugebietsfläche erreicht. Dies wird auch mit den höheren Werten für Siedlungsdichte bzw. Wohndichte verdeutlicht.
Umgekehrt ausgedrückt kommt die moderat verdichtete Baugebietskonfiguration mit einer deutlich niedrigeren Flächenintensität je Wohneinheit aus, wenn beispielsweise die Summe aus Nettobauland und Verkehrsflächen pro Einwohner/innen betrachtet wird.

Die Vorteile des InfrastrukturKostenKalkulators

Geringer Zeitaufwand: Viele wichtige Einflussgrößen sind bereits mit Zahlen hinterlegt. Die Daten wurden mit Fachabteilungen des Amtes der NÖ Landesregierung ermittelt oder aus relevanten Statistikdaten abgeleitet. In Abstimmung mit Expertinnen und Experten aus Raumordnung, Finanzwissenschaft, Statistik, Wasserbau, Straßenbau und Flächenmanagement wurden die erforderlichen Richtwerte und Hintergrunddaten in das Berechnungstool eingearbeitet.

Objektivität: Mit der einheitlich strukturierten Berechnungsbasis werden sämtliche relevante Zahlungen berücksichtigt. Diese können als objektive Diskussionsgrundlage sowie für die Entscheidungsfindung in der Gemeinde zur Verfügung gestellt werden.

Variantendarstellung: Mit dem Kalkulator können sowohl unterschiedliche Bebauungsvarianten am gleichen Standort als auch unterschiedliche Standorte untereinander verglichen werden. Die einfache Variantenerstellung ermöglicht eine differenzierte Betrachtung und bildet eine fundierte Entscheidungsbasis.

Effizienter Infrastrukturausbau: Mit der Verwendung des Kalkulators wird den Gemeinden die Planung eines kostensparenden Ausbaus von Infrastruktur erleichtert.

Die „Vogel-Strauß-Taktik“ zieht heutzutage nicht mehr

Kommentar von KOMMUNAL Chefredakteur Hans Braun

Der niederösterreichische „InfrastrukturKostenKalkulator“ stellt zweifellos einen bedeutenden Schritt in Richtung effizienterer Planung von Siedlungsprojekten dar. Das Tool ermöglicht Gemeinden, die finanziellen Aspekte ihrer Entwicklungspläne eingehend zu analysieren und potenzielle Herausforderungen frühzeitig zu erkennen. Die Möglichkeit, Ausgaben und Einnahmen sowie Langzeiterhaltungs- und Folgekosten vorherzusagen, ist von unschätzbarem Wert für eine nachhaltige und wirtschaftlich sinnvolle Gemeindeentwicklung.

Warum also könnten einige Gemeinden zögern (wie hinter vorgehaltener Hand zu hören ist), ein solches Berechnungstool zu nutzen? Ein möglicher Grund könnte in der Unkenntnis über die Existenz eines solchen Instruments liegen. Es ist entscheidend, dass die Verantwortlichen in den Gemeinden von der Verfügbarkeit und den Vorteilen dieses Kalkulators erfahren, um eine informierte Entscheidungsfindung zu ermöglichen.

Ein weiterer Faktor könnte die Scheu vor dem vermeintlich komplexen Eingabeprozess sein. Die acht Schritte zur Definition eines Baugebiets mögen auf den ersten Blick umfangreich erscheinen, doch sie bilden die Grundlage für eine präzise Analyse.

Es könnte natürlich auch sein, dass der Kalkulator nicht genutzt wird, weil sonst die Träume eines Ansiedlung weiterer Gemeindebürger:innen und damit eine Steigerung der Ertragsanteile, die sich ja nach den Kopfzahlen in den Gemeinden richten, platzen. Das aber wäre eine klassische „Vogel-Straß-Taktik“.

Ratsam wäre (und das sollten vor allem die Länder beachten, die ein solches Tool anbieten sollten), die Werbetrommel zu rühren und Schulungen oder Hilfestellungen anzubieten, um die Hemmschwelle bei der Nutzung des Tools zu verringern. Denn insgesamt bietet der InfrastrukturKostenKalkulator eine wertvolle Ressource, um die Kosten und Chancen von Siedlungsprojekten umfassend zu verstehen – gerade in Zeiten wie diesen, wo dem Thema „Bodenverbrauch“ so derartig viel Platz und vor allem Emotionen gewidmet wird.