Sekretärin
Passende Lehrlinge zu finden, ist eher ein sekundäres Problem.
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Personalmangel

Lehrlinge für die Gemeinde

Wie sieht es in Österreichs Gemeinden mit der Lehrlingsausbildung aus? Bilden die Kommunen ihre zukünftigen Fachkräfte selbst aus? KOMMUNAL hat eine Umfrage unter Bürgermeistern und Amtsleitern durchgeführt – hier sind die Ergebnisse.

Personalnot im Allgemeinen und Fachkräfte­mangel im Besonderen sind die großen Probleme des österreichischen Arbeitsmarkts. Für die öffentliche Verwaltung und ihren Bedarf an Arbeitskräften gilt das in besonderem Maße, da sie im Buhlen um mögliche Arbeitnehmer nicht jene Flexibilität an den Tag legen kann, wie es die Privatwirtschaft tut. Verschärft wird die Situation durch die teils bevorstehende und teils bereits laufende Pensionierungswelle der geburtenstarken Jahrgänge. 

Die Mehrheit der Gemeinden hat also ihre liebe Not, ausreichend Personal zu finden, um die Daseinsvorsorge weiterhin in gewohnter Qualität zu gewährleisten. In einer aktuellen KOMMUNAL-Umfrage unter Bürgermeistern und Amtsleitern geben rund zwei Drittel an, in gewissen Bereichen Personalprobleme zu haben. Zehn Prozent haben sogar in großem Ausmaß Schwierigkeiten damit, und nur jede vierte Gemeinde verneint die Frage zum Personalengpass. Damit hat sich die Lage im Vergleich zur KOMMUNAL-Erhebung im Oktober 2022 leicht verschärft.

Der Fokus der aktuellen Befragung lag diesmal speziell bei der Lehrlingsausbildung durch die Gemeinden. Von den gut 2.000 adressierten Kommunen haben 550 den Fragebogen vollständig retourniert. Auch wenn die Umfrage nicht repräsentativ ist, so vermitteln die Antworten von mehr als einem Viertel aller Gemeinden einen guten Eindruck über den derzeitigen Stand. 

Diagramm zur Lehrlingsausbildung
Bürgermeister antworteten auf die Frage: Haben Sie Interesse an einer österreichweiten Fortbildungsschiene für Lehrlinge im Gemeindedienst?

In knapp der Hälfte der Gemeinden arbeitet aktuell zumindest jeweils eine Person, die selbst in einer Gemeindeverwaltung als Lehrling ausgebildet wurde (23 Prozent), oder es sind sogar mehrere solcher ehemaligen Lehrlinge (20 Prozent). Drei Viertel aller Gemeinden haben schon über eine interne Lehrlingsausbildung nachgedacht, die tatsächliche Ausbildungssituation kommt an diese Zahl allerdings nicht heran.

Nur jede fünfte Gemeinde bildet derzeit einen Lehrling im kommunalen Dienst aus. Während 29 Prozent der Kommunen das zwar in der Vergangenheit getan haben, es jetzt aber nicht mehr tun, so haben sich immerhin knapp 10 Prozent vorgenommen, zukünftig Lehrlinge auszubilden. Die meisten Gemeinden (41 Prozent) tun das aber nicht und haben es auch nicht vor. 

Warum werden keine Lehrlinge ausgebildet?

Spannend ist die Frage, warum keine Lehrlinge (mehr) ausgebildet werden. Jene Gemeinden, die angeben, damit schlechte Erfahrungen gemacht zu haben, kann man an den Fingern abzählen. Die Ursachen liegen also woanders, nämlich an einem Mangel an zeitlichen Ressourcen (16 Prozent) und viel mehr noch an fehlenden personellen Ressourcen (45 Prozent).

„Lehrlinge im Gemeindedienst machen erst bei größeren Gemeinden Sinn, bei denen auch die personellen und zeitlichen Ressourcen vorhanden sind. In kleinen Gemeinden sind diese im Normalfall nicht vorhanden“, gibt beispielsweise ein Amtsleiter an, und ein Kollege stellt fest: „Schwierig ist, dass die Parteienverkehrszeiten/Arbeitszeiten sämtlicher Mitarbeiter nicht mit dem Jugendschutzgesetz (maximale tägliche Arbeitszeit) vereinbar sind. So müssen die Mitarbeiter abwechselnd an ihrem freien Mittwochnachmittag für den Lehrling da sein.“ 

Ankündigung Webinar Lehrlingsausbildung
Das Webinar informiert über Lehrlingsausbildung für Gemeinden
Termin: 4. April 2024, Anmeldung hier

Die Umfrage zeigt, dass die Größe einer Gemeinde ein maßgeblicher Faktor ist: „In kleinen Gemeinden wie unserer ist die Kapazität, einen Lehrling in der Verwaltung auszubilden, nicht da. Bei drei Personen, davon zwei in Teilzeit, müsste man jemanden dazu anstellen, der sich um die Lehrlingsausbildung kümmern kann“, meint ein weiterer Amtsleiter. Ein Bürgermeister regt an: „Eine Lehrlingsausbildung sollte in Kooperation mit einer zweiten Gemeinde möglich sein, weil beispielsweise meine Amtsleitung nur an drei Wochentagen im Amt ist.“ 

 „Es muss immer ein Ausbildner da sein. Personell ist dies auf einem Gemeindeamt mit wenig Personal nicht so einfach. Wenn wir eine bereits ausgebildete Person einstellen, dann kann diese auch alleine im Amt bzw. im Bauhof arbeiten“, erklärt eine Verwaltungsspitze jene Überlegung, die wohl vielerorts angestellt werden dürfte. Und so entscheidet man sich oft notgedrungen gegen einen Lehrling, obwohl eine überwältigende Mehrheit der Befragten der Meinung ist, dass Lehrlinge auszubilden der richtige Weg zur Lösung der Personalnot ist. Sowohl Bürgermeister als auch Amtsleiter bejahen das zu über 80 Prozent. Jeweils die Hälfte von ihnen meint zwar, dass Gemeinde-Lehrlinge nur in geringerem Ausmaß dazu beitragen können, allerdings sagen auch über 30 Prozent der Amtsleiter und 37 Prozent der Bürgermeister: „Das ist mit eine der besten Maßnahmen, die mir einfällt!“

Sabine Floßmann
„Wir müssen uns das Fachpersonal der Zukunft heranzüchten, das die Aufgaben stemmt, wenn die alten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Pension gehen.“
Sabine Floßmann, Lehrlingsbeauftragte der Stadt Innsbruck

Auf die eigene Lehrlingsausbildung setzt man schon seit Längerem ganz gezielt in Innsbruck. Zwischen 18 und 25 Lehrlinge werden von der Tiroler Landeshauptstadt in zwölf verschiedenen Lehrberufen ausgebildet, erzählt die Lehrlingsbeauftragte der Stadtgemeinde, Sabine Floßmann. Und damit habe man sehr gute Erfahrungen gemacht. Natürlich versuche man, die fertig ausgebildeten Lehrlinge danach im Haus zu halten, Jobgarantie gibt es aber keine.

„Der Lehrling muss sich genauso auf Stellen bewerben wie externe Personen, aber er hat natürlich einen Bonuspunkt. Wir wären ja dumm, wenn wir Lehrlinge ausbilden und sie dann nicht behalten würden. Aber ich will, dass die Initiative vom Lehrling ausgeht und der sagt: Ja, ich will bei meinem Dienstgeber bleiben“, erklärt Floßmann. 

Natürlich ist es nicht leicht, geeignete Lehrlinge zu finden. Von jenen Gemeinden, die Lehrlinge ausbilden, haben rund 8 Prozent derzeit offene Stellen, die sie nicht besetzen können. Weitere 16 Prozent hatten dieses Problem in der Vergangenheit.

Ungleicher Kampf mit der Privatwirtschaft

Erschwerend ist der ungleiche Kampf um die besten Köpfe mit der Privatwirtschaft. Ein Bürgermeister bringt es auf den Punkt: „Nachdem in der Privatwirtschaft mit sehr vielen Zusatzangeboten – sprich Zuckerln – nach Lehrlingen geangelt wird, hat hier der öffentliche Dienst nicht viel anzubieten, und das Entlohnungsschema ist auch sehr starr. Das gilt generell für alle Dienstklassen.“

Auch in Innsbruck ist Floßmann mit diesen Umständen konfrontiert: „Bei dem breiten Angebot, das es derzeit für die Lehrlinge gibt, und den finanziellen Anreizen aus der Privatwirtschaft, von Führerschein über Moped bis Pipapo – das habe ich in der öffentlichen Verwaltung nicht.  Das kann ich ihnen nicht anbieten und das will ich ihnen auch gar nicht anbieten. Ich will nicht, dass ein Lehrling nur deshalb kommt, weil er einen Führerschein gezahlt bekommt. Ich will, dass der Lehrling kommt, weil ihn die Arbeit interessiert, weil er sich vorstellen kann, hier zu arbeiten, und weil er sich einbringen will. Da ist es mir lieber, er hat zwei Vierer im Zeugnis, aber ist engagiert und interessiert.“

Momentan, und wie es ausschaut leider auch für heuer, ist in Innsbruck beispielsweise kein qualifizierter Lehrling zu finden, der den Lehrberuf Straßenerhaltungsfachmann/-frau erlernen will. Doch genau das wären die zukünftigen Straßenbaumeister, die am Bauhof dringend benötigt werden. Zwar spielen mehrere Lehrberufe in das Aufgabenspektrum von Bauhofmitarbeitern hinein, einen dezidierten Lehrberuf gibt es dafür aber nicht. Die Umfrage zeigt jedoch, dass eine derartige Ausbildung zum kommunalen Facharbeiter einer der am häufigsten geäußerten Wünsche ist – von Bürgermeistern ebenso wie von Amtsleitern.

Häufigste Lehrberuf in Gemeinden ist Verwaltungsassistenz

Der mit großem Abstand häufigste Lehrberuf in Gemeinden ist die Verwaltungsassistenz. Abhängig von der Gemeindegröße entfallen zwischen zwei Drittel und drei Viertel aller Lehrstellen in den Gemeinden auf diesen Lehrberuf. Dahinter folgen mit großem Abstand Bürokaufmann/-frau, Straßenerhaltungsfachmann/-frau und die Berufe zur Grünraumpflege.

Betrachtet man diese Verteilung näher, fallen zwei Dinge auf. Da ist einmal die nach Bundesländern doch sehr unterschiedliche Häufung an Gemeinden, die Lehrstellen anbieten. Beispiel Verwaltungsassistenz: In Oberösterreich bieten 102 Gemeinden diese an. In den ähnlich großen Bundesländern sind es deutlich weniger – in der Steiermark 39 und in Niederösterreich 30. Während es in Salzburg, Tirol und Vorarlberg jeweils plus/minus 15 Gemeinden sind, fallen noch zwei Ausreißer auf.

Im Burgenland ist es nur eine einzige Gemeinde (Oberwart) und in Kärnten  sind es stolze 62. Wien sei bei dieser Betrachtung ausgenommen. Aufgrund seiner Struktur macht ein Vergleich keinen Sinn: Alleine das Magistrat Wien beschäftigt doppelt so viele Lehrlinge wie ganz Kärnten in der Verwaltung zusammen. Und doch steht Kärnten hervorragend da. Warum ist das so?

Servicezentrum unterstützt Kärntner Gemeinden

Ein wesentlicher Faktor und Katalysator ist das Gemeinde-Servicezentrum (GSZ), das es in dieser Form in keinem anderen Bundesland gibt. Seine Aufgaben sind im Kärntner Gemeindemitarbeiterinnengesetz definiert und sein Kuratorium ist sozialpartnerschaftlich besetzt. Es berät und unterstützt die Gemeinden und Gemeindeverbände in vielerlei Belangen, unter anderem auch bei der Personalauswahl sowie der Organisations- und Personalentwicklung.

Das GSZ ist auch für die in Kärnten zentrale Lehrlingsausbildung im öffentlichen Dienst zuständig. Sie bietet als duales Ausbildungssystem (Stammgemeinde und Berufsschule) und durch Praktika im öffentlichen Dienst (andere Kärntner Gemeinden, unterschiedliche Abteilungen des Landes oder Bezirkshauptmannschaften) sowie in Unternehmen der Privatwirtschaft und durch Zusatzausbildungen eine umfassende Lehrlingsausbildung. Das GSZ organisiert und koordiniert die Praktika, die Fortbildungsveranstaltungen und die Exkursionen und ist Ansprechpartner sowohl für Gemeinden als auch für die Lehrlinge. Zudem übernimmt es die Aufgabe einer Vertrauensperson für die Lehrlinge. 

In der KOMMUNAL-Umfrage gab es auch Möglichkeiten für offene Antworten und Anmerkungen. Zwei Dinge sind in diesem Zusammenhang bemerkenswert: Zum einen wurde – vermutlich von Kärntner ­Gemeinden – auffallend oft die hohe Zufriedenheit mit dem GSZ und dem Kärntner System der Lehrlingsausbildung an sich geäußert. Zum anderen wurden – wohl von Nicht-Kärntner Gemeinden – viele Wünsche, Anregungen und Verbesserungsvorschläge geliefert, die in Kärnten bereits umgesetzt werden.

Beispielsweise der Wunsch nach einer kommunale Lehrlingsplattform, nach einer „gemeinsamen überbetrieblichen Ausbildung, da bei manchen Berufsbildern nicht alles seitens der Gemeinde abgedeckt werden kann“, Hilfe im „administrativen Bereich und bei der Erstellung von diversen Ausbildungsplänen“, „Praktika in Ausbildungsbereichen, die in unserer Gemeinde nicht oder nur wenig angeboten werden“, oder wie es ein Bürgermeister formuliert: „Die Lehrlinge sollten die Vielfalt des Gemeindewesens kennenlernen und Praktika in anderen Gemeinden, Städten und auch in der Privatwirtschaft machen.“

Magdalena Hinterreither ist am GSZ  für die zentrale Lehrlingsausbildung, die übrigens vom Land durch eine Bedarfszuweisung finanziert ist, zuständig und kann diese Bedürfnisse nur allzu gut nachvollziehen. Sie kennt sich in der Thematik aus, kennt die Bedürfnisse und Hemmnisse der Gemeinden und hat jede Menge Tipps parat. Zum Beispiel meint sie: „Wenn eine Gemeinde eine Bürokauffrau ausbildet, ist das eigentlich suboptimal. Denn der Lehrberuf Verwaltungsassistenz beinhaltet den Lehrberuf Bürokauffrau ohnehin.  Wer den Lehrabschluss zur Verwaltungsassistenz macht, ist automatisch auch Bürokaufmann/-frau.“ 

Magdalena Hinterreither
Magdalena Hinterrei­ther kümmert sich im Gemeinde-Servicezentrum um die zentrale Lehrlingsausbildung.

In der KOMMUNAL-Umfrage tauchten manche Fragen gehäuft auf, wie zum Beispiel „Wer hat die Qualifikation für einen Lehrlingsausbildner? Wer hat die Ausbildnerprüfung? Wer übernimmt die Verantwortung für den Lehrling?“

Hinterreither klärt dahingehend auf: „Man braucht in einer Gemeinde gar keinen speziellen Kurs. Wer eine Gemeindedienstprüfung für den öffentlichen Dienst hat, ist bereits berechtigt, einen Lehrling auszubilden. Es gibt ja Verwaltungsfachprüfungen, die von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Die niedrigste gilt bei uns nicht, aber die zweitniedrigste gilt dann schon. Davon abgesehen braucht man nur noch einen Bescheid, dass der Betrieb befähigt ist, einen Lehrling auszubilden.“ Den beantragt man in Verbindung mit Arbeiter- und Wirtschaftskammer.   

Nachdem selbst bei der Lehre zur Verwaltungsassistenz kommunale Thematiken an der Berufsschule überhaupt nicht behandelt werden, bietet das GSZ seinen Lehrlingen Kurse und Seminare speziell dafür an – in einem umfassenden Spektrum auch online als Webinare. Ab April bietet es übrigens auch Online-Kurse für Personen aus allen anderen Bundesländern an. Sowohl für Lehrlinge, aber auch für Gemeindeverantwortliche, die sich für die Lehrlingsausbildung interessieren oder selbst Ausbildner sind: „Wir starten am 4. April mit einer Online-Informationsveranstaltung für Mandatare und interessierte Gemeindemitarbeiter, und bald darauf wird es auch das erste Lehrlingsseminar geben“, verrät Hinterreither. 

Wer Lehrlinge ausbildet, ist zufrieden

Zusammenfassend zeigt die Umfrage, dass der Lehrlingsausbildung viel Hoffnung und Zutrauen entgegengebracht wird, auch wenn sie für sich alleine genommen natürlich kein Allheilmittel gegen die Personalnot sein kann.

Jene, die Lehrlinge ausbilden und ausgebildet haben, äußern sich fast ausschließlich positiv bzw. sehr positiv darüber. Mangelnde Zeit und mangelndes Personal sind die Hauptgründe, keine Lehrlinge auszubilden, auch wenn man es sehr gerne tun würde.

Passende Lehrlinge zu finden, ist eher ein sekundäres Problem. Starre Gehaltsstrukturen und mangende Flexibilität erschweren den Wettbewerb mit der Privatwirtschaft. Teilweise fehlt es an Wissen darüber, wer Lehrlinge in Gemeinden ausbilden kann und wie. Defizite bestehen auch bei der Vernetzung von Lehrlingen im kommunalen Dienst untereinander und bei der theoretischen Vermittlung von kommunalspezifischen Themen. 

Ein Ergebnis noch zum Schluss: Zwei von drei Bürgermeistern wünschen sich eine österreichweite Fortbildungsschiene für Lehrlinge im Gemeindedienst, und nur 16 Prozent aller Befragten haben an einer solchen kein Interesse.  Vielleicht ist das bevorstehende Kurs-Angebot des Gemeinde-Servicezentrums ein Weg, diesen Bedarf zu decken. 

Ein Webinar informiert über Lehrlingsausbildung für Gemeinden

Termin: 4. April 2024, Anmeldung hier