Symbolbild Energiewende
Ob das Ziel einer vollkommenen Klimaneutralität in 19 Jahren zu erreichen ist, hängt von vielen Faktoren ab. Ein erster wichtiger Schritt ist die Ökologisierung der Stromproduktion.
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Kann die Dezentralisierung der Energieversorgung gelingen?

Grundsätzlich sind die Vorhaben der Regierung zum Ausbau erneuerbarer Energien positiv zu sehen. Aber ein Ziel ohne ein entsprechendes Konzept läuft Gefahr, im Sande zu verlaufen. Eine Bestandsaufnahme.

Noch vor einem Jahr war das Thema Klimaschutz im öffentlichen Diskurs allgegenwärtig. Keine Woche verging ohne Klimaprotest, die verschiedensten Politiker und Interessenvertreter sagten zu, möglichst bald die Klima- und Energiewende hin zu einer CO2-neutralen Zukunft zu vollziehen. In Zeiten einer globalen Pandemie sind diese Bestrebungen zwar aus dem Fokus der breiteren Öffentlichkeit geraten, die politische Ebene, sowohl national als auch in Brüssel, blieb jedoch nicht untätig.

Beobachter und Interessierte staunten nicht schlecht, als sich die EU-Kommission und die österreichische Regierung gegenseitig mit neuen, radikalen und mehr als ehrgeizigen CO2-Zielen überboten. Bisher sah die Kommission eine Reduktion des Treibhausgasausstoßes bis 2030 um 40 Prozent, verglichen mit dem Jahr 1990, als ausreichend ab, das EU-Parlament hat das Ziel nun auf 60 Prozent angehoben. Bis 2050 soll die Klimaneutralität in der EU erreicht werden. Wie der Green Deal von Kommissionspräsidentin von der Leyen im Detail aussieht, ist jedoch noch offen.

Klimaneutralität bis 2040 als Ziel

Österreich geht einen großen Schritt weiter und setzt sich als Ziel, die Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen. Die Wende soll also nicht nur drastischer, sondern auch um zehn Jahre schneller vollzogen werden.

Ob das Ziel einer vollkommenen Klimaneutralität in 19 Jahren zu erreichen ist, hängt von vielen Faktoren ab. Ein erster wichtiger Schritt ist die Ökologisierung der Stromproduktion, was eines immensen Ausbaus erneuerbarer Energieträger bedarf. Das Etappenziel „Hundert Prozent erneuerbarer Strom“ soll bis 2030, also innerhalb von neun Jahren, erreicht werden.

Bereits unter der türkis-blauen Regierung war geplant, einen Gesetzesentwurf in Begutachtung zu schicken, der einen entsprechend raschen Ausbau erneuerbarer Energieträger ermöglichen sollte. Mitte September ging der mit Spannung erwartete Entwurf des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG-Paket) nun schlussendlich in Begutachtung. Klimaschutzministerin Gewessler plant, dass das Gesetzespaket mit 1. Jänner 2021 in Kraft tritt.

Was sieht das EAG nun vor, um die überaus ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen?

Die Förderung

Bei der Förderung kommt es zu einem Systemwechsel. Anstelle eines Vertrags mit der Ökostromabwicklungsstelle und einer Vergütung in Form von Einspeisetarifen sollen die Erzeuger nun ihren Strom am Markt verkaufen und erhalten eine Förderung in Form einer Marktprämie.

Durch die Marktprämie soll die Differenz zwischen den Produktionskosten von Strom aus erneuerbaren Quellen und dem durchschnittlichen Marktpreis für Strom ausgeglichen werden. Neu ist auch, dass diese Marktprämien teilweise auf Antrag (Windkraft bis 2024) und teilweise per Ausschreibung vergeben werden. 

Zusätzlich wird auch die Anschaffung durch eine Investitionsförderung gefördert. Diese Investitionszuschüsse sind mit maximal 30 Prozent des erforderlichen Investitionsvolumens begrenzt.

Die „Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft“ vs. „Bürgerenergiegemeinschaft?“

Das EAG sieht gleich zwei neue Rechtspersonen vor, die am Energiemarkt teilnehmen sollen.

  • Die Bürgerenergiegemeinschaft: Diese ist nicht lokal beschränkt und kann neben erneuerbaren Energien auch Energie aus fossilen Quellen an die Mitglieder bereitstellen. Die Bürgerenergiegemeinschaft kann dementsprechend wie ein weiterer Stromanbieter am Markt auftreten.
  • Die Erneuerbare-Energie-Gemeinschaft: Diese soll lokal (bis Netzebene 5 = bis zum nächsten Mittelspannungs-Umspannwerk) entstehen, womit sie in der Regel also mehrere Gemeinden umfassen kann. Ziel ist es, dass Mitglieder der Gemeinschaft von dieser erneuerbare Energie zum Eigenverbrauch beziehen können. Die Gesellschaft kann in vielen verschiedenen Rechtsformen organisiert werden. Die Bestimmungen des EAG sind hier sehr offen und sehr kurz, was einerseits großen Gestaltungsspielraum lässt, aber dadurch auch viele dringend zu klärende Fragen aufwirft. Magnus Brunner, Staatssekretär im Klimaministerium, bezeichnet die EEG gar als das „Herzstück“ des EAG. Bleibt man in dem sprachlichen Bild, steht es nicht gut um das EAG, denn in der jetzigen Form bedarf es deutlich mehr an Unterstützung und Realismus, um die Erneuerbaren-Energie-Gemeinschaften von einer schönen Idee hin zu einem Treiber der dezentralen Energieversorgung zu entwickeln.

Wo Verbesserungsbedarf besteht

Die Rolle der Gemeinde: Sowohl in den Vorarbeiten zu dem Gesetzesentwurf als auch im Begutachtungstext selbst fehlt die Gemeinde als zentraler Multiplikator, Organisator und Vermittler zwischen den Bürgern und damit zwischen den Mitgliedern einer EEG.

Unterstützung von Projektwerbern: Zum aktuellen Zeitpunkt ist vonseiten des Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK) keine Beratung/Betreuung der zukünftigen EEGs vorgesehen. Dabei hat sich bei den vielen bereits bestehenden Klimaförderungen, etwa klimaaktiv mobil, und bei der Umweltförderung im Inland gezeigt, mit welchen Hürden und Unsicherheiten private Projektwerber und Gebietskörperschaften konfrontiert sind. Überlässt man es nun jeder EEG selbst, gesellschaftsrechtliche und vertragsrechtliche Rechtsfragen durch Berater und Anwälte zu klären, würden für die Vorbereitung der Gründung und Begleitung der Gesellschaft derartig hohe Kosten entstehen, dass ein wirtschaftlich sinnvoller Betrieb kaum denkbar ist.

Realistische Größenordnung: Aufgrund der hohen Beratungskosten, der laufenden Kosten, die durch Gesellschaftsformen wie GmbH oder Genossenschaft verursacht werden, und der spezifischen Kosten für Administration und Verrechnung (Verträge mit jedem Mitglied/Lieferanten und mit dem Netzbetreiber) werden Erneuerbare-Energie-Gemeinschaften erst ab einer Größe von fünf bis zehn Megawattstunden aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll betrieben werden können. Diese Mengen sind realistisch nur gemeindeübergreifend zu erreichen. Die Organisation allein den Bürgern zu überlassen, wäre überfordernd und unsinnig. Entstehen unkoordiniert viele kleine EEGs, kann dies das Entstehen von Gesellschaften mit relevanter und kosteneffizienter Größe behindern. Hier können nur die Gemeinden als verbindende Organisationen den entsprechenden Rahmen bereitstellen.

Rechtssicherheit: Wenn Gemeinden und ihre Organe in EEGs tätig werden sollen, müssen die wesentlichen Rechtsfragen vorab geklärt werden. Angefangen von der besten Gesellschaftsform, Vertragsmustern und Haftungsfragen der verantwortlichen Organe sind diese vorab durch den Bund zu klären. Es engagierten Bürgern zu überlassen, das Rad hier österreichweit hunderte Male neu zu erfinden, kann nicht die Intention des Gesetzgebers sein.

Keine Sicherheit für Förderwerber: Das neue System der Marktprämie und die Förderung über Ausschreibungen machen es Projektwerbern unmöglich, eine Kalkulation der Wirtschaftlichkeit zu erstellen. Das Projekt muss quasi unabhängig von einer Förderung realisiert werden – erst wenn alle Genehmigungen vorliegen, kann um eine Förderung angesucht werden. Fehlende finanzielle Sicherheit ist eine denkbar schlechte Voraussetzungen, um Private zu Investitionen in den Erneuerbaren-Ausbau zu bewegen.

Was fehlt?

Verwunderlich und enttäuschend ist, dass der Ausbau von erneuerbarem Gas keinen Eingang in den Gesetzesentwurf gefunden hat, womit eine gesamtheitliche Betrachtung des Plans zur Ökologisierung des Energiemarkts leider nicht möglich ist.

Auch schweigt der Entwurf dazu, wo die große Anzahl der benötigten Anlagen zur Erzeugung erneuerbaren Stroms eingerichtet werden sollen. Windräder finden sich aktuell fast ausschließlich in Ostösterreich, gegen den Ausbau formieren sich vielfach Bürgerinitiativen (Stichwort: „Windräder ja, aber nicht in meinem Ort!“). Auch die sehr hohen Anforderungen an ökologische Kriterien bei Wasserkraftwerken eröffnen die Frage, wo die fünf TWh dann schlussendlich erzeugt werden sollen.

Ein ambitioniertes Ziel zu definieren ist löblich – ohne einen entsprechend konkreten Pfad bleibt die Gefahr, dass es bei guten Absichten bleibt. 

Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz in Zahlen

Der umfangreiche Entwurf sieht einen Ausbau der erneuerbaren Stromproduktion in Höhe von 27 Terawattstunden (TWh) vor. Der Großteil davon soll auf PV-Anlagen (elf TWh) und Windkraftanlagen (zehn TWh) entfallen. Das Ziel für die Wasserkraft liegt bei fünf TWh, wobei der Ausbau an äußerst strenge ökologische Kriterien gebunden ist. Auf die Biomasse entfällt letztlich eine TWh, womit sie im Entwurf eine untergeordnete Rolle spielt.

Der Ausbau wird durch den Bund mit einer Milliarde Euro jährlich gefördert.

Wer trägt die Kosten?

Bisher wurde der Ausbau erneuerbarer Energieträger durch die Ökostrompauschale (Pauschalbetrag von 48,84 Euro pro Zählpunkt bei Haushalten auf Netzebene 7) und den Ökostromförderbeitrag (Höhe variabel nach Verbrauch) finanziert. Diese werden nun im EAG als Erneuerbaren-Förderpauschale und Erneuerbaren-Förderbeitrag übernommen und um ca. 20 bis 25 Prozent erhöht. Die Pauschale beträgt in Zukunft bei einem Haushalt auf Netzebene 7 ca. 60,77 Euro (ein Plus von 24 Prozent), der Erneuerbaren-Förderbeitrag wird ebenfalls im Bereich von 20 bis 25 Prozent erhöht.

Vom Beitrag ausgenommen sind sozial schwache Haushalte. Haushalte, die von der GIS befreit sind, leisten auch weiterhin keinen Beitrag zum Ausbau erneuerbarer Energien.