Kärntens Gemeinden droht ab Mitte 2024 die Zahlungsunfähigkeit

6. November 2023
Seit dem Vorjahr warnten Gemeindebund und Städtebund vor einem Zusammenbruch der Gemeindefinanzen. Nun zeigt sich: Die meisten Kärntner Gemeinden werden das Budgetjahr 2023 negativ abschließen. Ab Mitte 2024 geht den Kommunen das Geld aus.

Erhebungen von Gemeindebund und Städtebund zeigen, dass für 2024 keine einzige Gemeinde ein ausgeglichenes Budget vorlegen kann. So eine Situation gab es noch nie. Und das, obwohl Kärntner Kommunen österreichweit die geringste Pro-Kopf-Verschuldung und niedrige Personalstände (je 1.000 Einwohner) vorweisen können! Die Ursache des Finanz-Desasters sind fremdbestimmt:

  • Nur geringe Einnahmenanstiege durch ein bescheidenes Ergebnis beim Finanzausgleich,
  • die Fortschreibung von Defiziten aus dem Jahr 2023 und vor allem
  • die massiven Anstiege bei Transferzahlungen an das Land. Dies betrifft die Bereiche Pflege, Krankenan­stalten, Chancengleichheit, Sozialhilfe, Kinderbildung- und -betreuung und Kinder- und Jugendhilfe. Hier sind Steigerungen von bis zu 41 Prozent zu beklagen. Der Kostenbeitrag der Gemeinden für den Ver­kehrsverbund steigt sogar um 60,5 Prozent!

„Rechnet man die Rahmenbedingungen hoch, führt dies zu einem Budgetloch von rund 160 Millionen Euro. Dies ist eine konservative Schätzung“, sagen Städtebundobmann Albel und Gemeindebundpräsident Vallant unisono, da kolportierte Nachverrechnungen für KABEG-Kosten­steigerungen aus dem Jahr 2022, ein neues Gehaltsmodell der KABEG und Nachverrechnung für Sozialum­lagen aus 2023 an das Land, sowie die zu erwartende Anhebung des Sockelbeitrags für Pflegeheime nicht eingerechnet seien.

Zum Vergleich: Das Gesamtbudget des Gemeindereferats des Landes, welche neben Abgangsdeckung auch zur Förderung der Kooperation und Unterstützung innovativer Projekte dient, beträgt rund 100 Millionen Euro.

Zahlungsunfähigkeit spätestens im Herbst 2024

Die Folgen für Gemeinden und ihre Bürgerinnen und Bürger sind dramatisch: Viele Gemeinden sind gezwungen, ihren Abgang 2023 über Konto-Überziehungsrahmen ins Jahr 2024 mitzunehmen. Ohne zusätzliche Finanzmittel gehen den Gemeinden, je nach Ertragslage, Mitte des Jahres bzw. im Herbst 2024 die liquiden Mittel zur Deckung der laufenden Ausgaben aus. Geplante Investitionen sind hier nicht eingerechnet! Die Folgen wären eine volkswirtschaftliche und gesellschaftspolitische Bankrotterklärung:

  • Gemeinden hätten als größte öffentliche Investoren keine Investitionsspielräume mehr. Dies führt zu einem weiteren Rückgang im ohnehin schwächelnden Baubereich.
  • Investitionen in Kinderbildung- und -betreuung, Energiewende und Öffi-Ausbau kämen zum Erliegen.
  • Sinnvolle Projekte müssten eingestellt werden. Gemeinden müssten sich auf jene Bereiche reduzieren, zu denen sie gesetzlich verpflichtet sind. Dies hätte katastrophale Auswirkungen auf Vereine, Kultur, Sport, auf das gesamte Gesellschaftsleben.

Forderungen von Städtebund und Gemeindebund

Um den Finanzkollaps der Gemeinden doch noch zu verhindern, fordern Kärntens Interessensvertreter von Städtebund und Gemeindebund die Einberufung eines „Kommunalen Finanzkrisengipfels“ sowie die rasche Umset­zung folgender Maßnahmen:

  • Entlastung der Gemeinden von Zahlungen in Bereichen, in denen sie keine Einflussmöglichkeiten haben (Beispiele: Landesumlage 45 Millionen Euro, Krankenanstalten 90 bis 108 Millionen Euro)
  • Senkung des Umlagenschlüssels in der Kinder- und Jugendhilfe auf 50:50 mit Jahreswechsel.
  • Verlagerung von systemfremden Zahlungspflichten der Schulerhalter in das System der Chancengleich­heit (2,5 Millionen Euro).
  • Adäquate Beteiligung der Gemeinden an dem auf Landesebene aufzuteilenden Zukunftsfonds gemäß Finanzausgleich (rund 66 Millionen Euro für Kärnten).
  • Überfällige Reform gemeindeeigener Abgaben wie der Zweitwohnsitzabgabe und Schließung von Steu­erschlupflöchern (7 Millionen Euro). Damit verbunden ist auch die Umsetzung der sogenannten Leer­standsabgabe, welche in Tirol, Salzburg, Steiermark und Vorarlberg bereits eingeführt wurde.

Bundesregierung vernachlässigt ihre Pflichten

Besonders in die Pflicht nehmen Städtebund und Gemeindebund den Bund. Seit dem 2. Halbjahr 2022 ver­zeichnet Österreich eine konjunkturelle Abkühlung, 2023 stagniert die Wirtschaft sogar. Auch für 2024 ist nur ein minimales Wirtschaftswachstum zu erwarten, man spricht von 1,4 Prozent.

Zudem habe der Bund einseitig, ohne finanzielle Kompensation für Städte und Gemeinden, Maßnahmen wie die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf Photovoltaikanlagen beschlossen und somit zusätzlich die Ertragsanteile verkürzt, wird kritisiert. 

Städtebund und Gemeindebund fordern daher: „Die ab 2025 zurückzuzahlenden Vorauszahlungen von Ertrags­anteilen an die Gemeinden von österreichweit 300 Millionen Euro sollen vom Bund in einen sogenannten verlo­renen Zuschuss umgewandelt werden. Mit diesen Vorauszahlungen sollen ja die derzeit sinkenden Ertragsan­teile abgefedert und Liquidität gewährleistet werden. Zudem ist eine Verdreifachung der vorgesehenen Mitte erforderlich! Dringend erforderlich wäre eine Abänderung der Vorgaben des Kommunalinvestitionsgesetz, da die Kommunen die verpflichtende 50% Mitfinanzierung aus Eigenmitteln nicht mehr erbringen können. Dies wäre notwendig, um die Umsetzung von wichtigen Maßnahmen dennoch zu ermöglichen (Investitionsprojekte und Energiesparmaßnahmen).“

Städtebund und Gemeindebund ersuchen zudem Landeshauptmann Peter Kaiser, als Vorsitzenden der Landes­hauptleutekonferenz, sowie Landeshauptmannstellvertreterin Gabriele Schaunig für die bevorstehende Lan­desfinanzreferentenkonferenz, diese dramatische Situation der Kommunen anzusprechen und in Nachverhand­lungen mit dem Bund zusätzliche Mittel für Städte und Gemeinden sicherzustellen.