YEP-Programm des AdR
Viel Jugend an einem Platz versammelt, bringt neben neuen Eindrücken und Ideen auch neue Fotomotive.

Europa

Die Zukunft der Kohäsionspolitik gestalten

Die 21. Europäische Woche der Regionen und Städte ist das größte Ereignis zur EU-Kohäsionspolitik und fand vom 9. bis 12. Oktober in Brüssel statt, um die Herausforderungen, vor denen Regionen und Städte stehen, und Lösungen zu erörtern. sie sollte auch dazu beitragen, die Zukunft der Kohäsionspolitik zu gestalten.

Während der Eröffnungssitzung skizzierte die Europäische Kommissarin für Kohäsion und Reformen, Elisa Ferreira, die Ergebnisse und Erwartungen der Kohäsionspolitik in Bereichen wie Unterstützung für Unternehmen, Schaffung von Arbeitsplätzen und Energieeffizienz.

„Es gibt Hunderte von individuellen Geschichten von Orten, die die europäische Kohäsionsunterstützung nutzen, um aufregende neue Investitionen in den grünen und digitalen Wandel voranzutreiben. Jeder von Ihnen bringt diese Geschichten mit, und wir können voneinander lernen“, sagte sie.

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen, Vasco Cordeiro, erklärte, dass die Prioritäten der Kohäsionspolitik darin bestehen, die Klima- und Lebenshaltungskrisen zu bewältigen und ukrainische Flüchtlinge zu unterstützen. Um sicherzustellen, dass die Kohäsionspolitik zukünftigen Herausforderungen gerecht werden kann, sind Partnerschaften und Rechenschaftspflicht erforderlich, sowie ein Ausgleich zwischen Flexibilität und Vorhersehbarkeit. „Wir müssen auf allen Regierungsebenen zusammenarbeiten, um echte Auswirkungen zu erzielen. Regionen und Städte sind entscheidende Akteure sowohl für die Anpassung an den Klimawandel als auch für die Minderung“, sagte er.

Vasco Cordeiro
Vasco Cordeiro, Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen, und Elisa Ferreira, Kommissarin für Kohäsion und Reformen,
eröffneten die Woche der Regionen.

Der Vorsitzende des Ausschusses für regionale Entwicklung des Europäischen Parlaments, Younous Omarjee, und die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Pina Picierno, hielten ebenfalls Grundsatzreden. Sie diskutierten die Notwendigkeit, dem Nationalismus entgegenzutreten, die spezifischen Bedürfnisse jeder Region zu berücksichtigen und die Auswirkungen der Kohäsionspolitik, einschließlich der Europawahlen 2024, zu betonen. Gewählte Vertreter aus ganz Europa machten auf Herausforderungen wie die Mittelzuweisung, Mobilität und Krisenmanagement aufmerksam.

Und Vertreter jeder Fraktion im AdR waren aufgerufen, den Teilnehmer:innen den jeweiligen Standpunkt oder zumindest die Essenz des Standpunkts – viel mehr war im zwei Minuten Redezeit auch nicht drinnen  darzulegen.

Für die Grünen sprach Florian Wunsch, Europabeauftragter und Bezirksrat in der Wiener Josefstadt. Er bezog sich vor allem auf die „Konferenz Zukunft Europa“, in der jeder Bürger, jede Bürgerin ihre Vorstellungen einer neuen EU einbringen könnte. Heraus kam vor allem, dass die wichtigsten Akteure einem der wichtigsten EU-Gremien nicht demokratisch gewählt, sondern bestimmt seien: Die Europäische Kommission, der es obliegt, Gesetz auf den Weg zu bringen.

Das Europäische Parlament und seine beratende Organisation AdR, wo wirklich die gewählten Vertreter sitzen, hat in diesem Prozess lediglich nachrangige Bedeutung. Beispielsweise sollte das Parlament künftig allen Gesetzesentwürfen zustimmen müssen. Eigentlich sollte das üblich sein, ist es aber nicht.

Es ist das im Wesentlichen der „alte Wunsch“ nach einer Stärkung der Rolle des EU-Parlaments. Angeschlossen ist die Forderung, der Stimme der Regionen und Kommunen, also dem AdR, deutlich mehr Gewicht zu geben. „Nur so“, meint Wunsch, „wird es Europa schaffen, auch bei den Bürgerinnen und Bürgern mehr beachtet und künftig auch mehr Zustimmung zu erfahren.“ Und es wäre auch eine Erfüllung der Bürgerwünsche, wie sie in der „Konferenz Zukunft Europa“ formuliert wurden. 

Jugendliche Beteiligung

Eines der bemerkenswertesten Details an der Woche der Regionen ist die rege Beteiligung von Jugendlichen aus ganz Europa. Deutlich mehr als die Hälfte der rund 10.000 Teilnehmer war Anfang Zwanzig - und dementsprechend herzerfrischend locker ging es teils zu. Dabei hatten die „Jungen“ – viele kamen über das YEP-Programm des AdR (Young elected politicians) nach Brüssel – durchaus ernste Vorstellungen, Anliegen und Wünsche an die EU und die Kohäsionspolitik.

So auch der Vöcklabrucker Bürgermeister Peter Schobesberger, bei dem der Brüsseler „Wow-Effekt“ voll eingeschlagen hat. Europa oder besser die EU ist, so Schobesberger, auch deshalb so wichtig, wenn man sich vor Augen hält, wie sehr jetzt schon von anderen Mächten (Russland, China, Indien, den USA) vor allem in den ärmeren Regionen Europas Einfluss genommen wird.

Schobesberger: „Die Delegierte der französischen Region Mayotte hat erzählt, dass mehr als die Hälfte der Bevölkerung ihrer Region unter der Armutsgrenze lebt. Da braucht es einen starken Background, um diese Einflüsse draußen zu halten, eben die EU. Realistisch wird es aber nicht umsetzbar sein, dass von den reichen Regionen viel Geld zu den ärmeren umgeschichtet wird.“

Im Parlamentsgebäude sitzen 705 Abgeordnete aus 27 europäischen Staaten. Jedes gesprochene Wort wird synchron in 26 Sprachen übersetzt. „Ich finde das großartig. Mein Opa hat im Zweiten Weltkrieg vier Brüder verloren. Heute sitzt man in einem Saal und redet sich die Dinge aus, anstelle mit Giftgas und Bombenteppichen Menschen zu vernichten. Das werde leider zu oft vergessen“, so Schobesberger.

Ein „Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten“ sieht Schobesberger dagegen kritisch. Die Möglichkeit einzelner Staaten, Beschlüsse zu verhindern tut zwar oft weh, dadurch werden jedoch Gespräche erzwungen. „Man muss aufeinander zugehen. Irgendwann gibt es dann ein Fenster, in dem eine Entscheidung möglich wird. Das ist wie im Gemeinderat“, schmunzelt der Vöcklabrucker Bürgermeister. „Als kleines Land haben wir keine Stimme in der Welt. Die EU ist unsere gemeinsame Stimme. Es ärgert mich, wenn Menschen auf die EU hinhauen. Die EU ist unsere gemeinsame Stimme, Populisten sind der Kehlkopfkrebs dieser Stimme.“

Auch zur „Green economy“ hat der gelernte Maschinenbauer eine klare Meinung: Das kann im Grunde nur funktionieren, wenn die EU – sie verfügt über eine große Marktmacht – die klimaschädlich hergestellten Produkte dementsprechend sanktioniert (Stichwort Crabon Border Tax).“

Später diskutierten bei einer Bürgerdialogveranstaltung vier junge Menschen, die in ihren Heimatregionen geblieben waren, und vier, die gegangen waren, ihre Entscheidungen mit Kommissarin Ferreira. Diejenigen, die geblieben waren, äußerten den Wunsch, lokale Talente zu fördern und Veränderungen herbeizuführen. Diejenigen, die gegangen waren, taten dies aufgrund von Faktoren wie niedrigen Löhnen, mangelnden Arbeits- und Studienmöglichkeiten und schlechten Verkehrsverbindungen.

Vorurteile über Regionen, die stagniert sind, bedeuten, dass es ihnen schwerfällt, Talente anzuziehen. Kommissarin Ferreira sagte zu solchen Regionen: „Es fehlt das, was sie wachsen lassen könnte, und das ist die Energie junger, qualifizierter Menschen.“

Journalismuspreis vergeben

Benannt zu Ehren von Antonio Megalizzi und Bartek Piotr Orent-Niedzielski, zwei Journalisten, die bei einem terroristischen Angriff in Straßburg 2018 ermordet wurden, belohnt der Megalizzi-Niedzielski-Preis aufstrebende Journalisten, die sich zur EU und ihren Werten bekennen.

Die Preisträger des Journalismuspreises waren Olena Martyniuk aus der Ukraine und Antonina Lozanova aus Bulgarien. Der Fotojournalismuspreis ging an Sara Fačko aus Kroatien.

Kommissarin Ferreira betonte die Bedeutung einer freien Presse und forderte die neun Finalisten auf, „das helle Tageslicht der Wahrheit in jede Ecke unseres europäischen Zuhauses zu bringen.“

Großes Finale

In der Abschlusssitzung berichteten Vertreter lokaler und regionaler Regierungen sowie Verbände aus ganz Europa über sechs thematische Sitzungen der EURegionsWeek. Diese umfassten den postindustriellen Wandel, Energieverschiebungen, die Bindung von Talenten, soziale Innovation, kleine und mittlere städtische Zentren und grenzüberschreitende Zusammenarbeit sowie bewährte Praktiken aus Städten und Regionen.

Hinsichtlich der besseren Umsetzung und Entwicklung der Kohäsionspolitik kamen die Teilnehmer zu dem Schluss, dass die Ansätze auf die spezifischen Bedürfnisse der Orte reagieren und inklusiv sein müssen.

Zum Abschluss der Woche sagte Präsident Cordeiro, er stelle sich eine Kohäsionspolitik vor, die besser, einfacher und in der Lage ist, unvorhergesehene Ereignisse anzugehen und dennoch eine langfristige Investitionspolitik bleibt.

„Ich sehe eine Kohäsionspolitik, an der – nicht nur bei der Umsetzung, sondern auch bei der Gestaltung von Projekten – Städte und Regionen beteiligt sind“, fügte Kommissarin Ferreira hinzu. Obwohl die Kohäsionspolitik „nicht perfekt“ sei, zeige die Woche, dass die EU die Mittel habe, Chancen für alle zu schaffen.

Die Verbesserung der Kohäsionspolitik durch Lehren aus dem Erfahrungsschatz des Wiederaufbau- und Resilienzfazilitäts (RRF) wurde anschließend von den Mitgliedern des Ausschusses der Regionen und den MEPs bei einer Veranstaltung, die vom CohesionAlliance, einer EU-weiten Koalition derjenigen, die glauben, dass die EU-Kohäsionspolitik auch in Zukunft ein Eckpfeiler der EU sein muss, gefördert wurde, erörtert. Die starke Verbindung zwischen Investitionen und Reformen sowie das leistungsorientierte Liefermodell sind die Schlüsselfunktionen des RRF, die bewertet und für die Gestaltung der zukünftigen Kohäsionspolitik in Betracht gezogen werden müssen.

Fotos: https://www.flickr.com/photos/euregionsweek/albums/with/72177720311807503

Weitere Videos und Berichte: https://regions-and-cities.europa.eu/?origin=spotlight

Konferenz zur Zukunft Europas - Consilium