Margarete Schramböck und Michael Zimper
"Die Menschen in Österreich sollen sich aussuchen können, wie sie mit der Behörde – sei es Bund, Land oder Gemeinde – in Verbindung treten wollen." Ministerin Margarete Schramböck im Gespräch mit Kommunalverlag-Chef Michael Zimper.
© BMDW/Hartberger

Die Gemeinden bei der Digitalisierung unterstützen

Im Rahmen der Starveranstaltung zum „Digitalen Amt“ nahm sich Digitalministerin Margarete Schramböck Zeit für ein Gespräch mit KOMMUNAL. Gerade die Gemeinden sitzen ja an der Schaltstelle – und „nur gemeinsam ist es möglich, die Herausforderung des digitalen Amts zu meistern“, so die Ministerin.

Wenn Sie sagen, dass es nur gemeinsam möglich ist, die Herausforderungen des digitalen Amts zu lösen, ist das auch eine Frage der Kompetenzen?

Margarete Schramböck: Es geht hier nicht um eine Verschiebung der Kompetenzen. Wir können sehr gut damit leben, wo die Kompetenzen gerade sind. Aber es geht darum, die Kompetenzen klug einzusetzen.

Nehmen Sie das Beispiel Kraftfahrzeuganmeldung. Sie geben bei der Zulassungsstelle alle Daten ab, am besten digital. Dann kommt das Finanzamt mit der Einhebung der Kfz-Steuer, das derzeit die Daten nicht hat. Der Unternehmer fragt sich zu Recht, warum er die Daten immer und immer wieder neu eingeben muss.

Wir müssen hier nichts an den Kompetenzen ändern, sondern nur wissen, wann und wo die Daten erstmals in das öffentliche System gekommen sind und dann dafür sorgen, dass es Schnittstellen gibt, dass die Daten für die Verwaltung durchgängig verfügbar sind.

Der Großteil der Behördenwege passiert nach wie vor auf der Gemeinde.  Beim Thema Digitalisierung hat man aber dennoch das Gefühl, dass diese Gebietskörperschaft sehr sich selbst überlassen wird. Trügt dieser Eindruck? Versuchen Sie Kommunen mitzunehmen?

Darum ist der Gemeindebund mit an Bord, es geht hier um Wissen der Gemeinden auf der einen Seite und um Einbindung auf der anderen Seite. Wir müssen ja das Rad nicht immer neu erfinden. Gemeinden sollen sich damit beschäftigen, die Kundinnen und Kunden zu servicieren und nicht, welches IT-Projekt gerade wieder umzusetzen ist.

Unsere Aufgabe beim digitalen Amt in den kommenden zwölf Monaten ist es, Best-practice-Modelle zu finden und zu evaluieren, wo was am besten umgesetzt wurde und wo man am besten lernen kann. Von diesen Projekten und Modellen gibt es in Österreich sehr viele – wir müssen nicht immer bei null beginnen.

Das ist die Plattform „Digitales Amt“. Rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen und diese Bedingungen wo nötig auch zu ändern, um digitale Verwaltung zu ermöglichen und das mit dem teilen von Best-practice-Modellen zu verbinden. Hier wird der Bund eine deutlich aktivere Rolle einnehmen als in der Vergangenheit.

In Baden Württemberg wurden dafür 1600 kommunale Digitallotsen ausgebildet, die sich in der Kommunalverwaltung für die Digitalisierung einsetzen und ihre Kollegen für die Digitalisierung motivieren sollen. Wäre dieses Modell für Österreich denkbar?

Das ist sicher eine sehr gute Idee. Und so eine Initiative braucht es auch bei uns. Viele der „Treiber der Digitalisierung“ waren beim Startschuss zum digitalen Amt Ende Jänner mit dabei – und sie können viele andere mitnehmen.

Gemeinden leben aber auch vom Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern, sie sind am nächsten dran. Wie stärken wir dieses Vertrauen der Bürger zu ihrer Verwaltung in einer digitalen Welt?

Die Menschen in Österreich sollen sich aussuchen können, wie sie mit der Behörde – sei es Bund, Land oder Gemeinde – in Verbindung treten wollen. Wenn sie aufs Amt gehe wollen, dann sollen sie das können. Wenn sie aber zuerst digital beginnen wollen, dann aufs Amt und erst dann digital abschließen wollen, dann soll das auch möglich sein. Die Wahlfreiheit ist hier ein ganz wichtiger Punkt.

Das hängt auch mit der Frage zusammen, in welcher Lebenslage man gerade ist. Komplexe Dinge wird man auch künftig lieber persönlich besprechen wollen. Aber nicht so komplexe, immer wieder kehrende Dinge sollte man auch digital abwickeln können.

Wie hoch ist denn ihrer Einschätzung nach die digitale Kompetenz in den Gemeindeverwaltungen?

Meiner Erfahrung nach ist die in bestimmten Bereichen sehr gut. Es ist aber immer eine Herausforderung für die Gemeinden, immer die richtigen Lösungen zu finden. Aber es ist auch noch viel zu tun. Aber da spielen die Gemeinden keine gesonderte Rolle, das gilt für den Bund und die Länder ganz genauso. Und auch die Privatwirtschaft hat die Aufgabe, ihre Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen entsprechend auszubilden.

Wenn wir an den 5G-Ausbau denken, an autonomes Fahren, an den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Sind wir gewappnet?

Das ist eine Riesenherausforderung. Es geht darum, den ländlichen Raum so gut als möglich anzubinden. Da muss Österreich unter den ersten Ländern sein. Wir haben deshalb die Ausschreibung um zwölf Monate vorgezogen, damit wir die ersten sind, die 5G haben. Österreich ist ein Land mit sehr viel Mobilnutzern.

Es geht auch darum, dass im Zuge des 5G-Ausbaus und den Anforderungen rundherum ein Eco-System mit Start-Ups und Leitbetrieben entsteht. Das sind wichtige Faktoren, die uns weiter nach vorne bringen werden.

5G braucht Breitband oder Glasfaser als Basis. Das muss nicht bis ins letzte Haus gehen, aber bis ins letzte Dorf. Wo stehen wir bei dem Ausbau im Moment?

Jetzt schon haben wir Glasfaser zu jedem Mobilfunkmast, sonst geht 5G nicht. Das befeuert sich aber gegenseitig.

Ich sehe 5G als große Chance für den Glasfaserausbau, den schneller und intensiver voranzutreiben. Gerade der Mobilfunkbereich und dessen große Akzeptanz durch die Menschen, die das wollen, und die Firmen, die 5G für die Arbeit brauchen, wird das vorantreiben.

Braucht man für 5G nicht deutlich mehr Masten, um alles abzudecken?

Teils, Teils. Stellenweise werden es mehr Masten werden, aber andernorts weniger. Was wir brauchen, sind Mikrozellen zum Beispiel auf Telefonzellen oder Beleuchtungsmasten angebracht. Die Zellen werden sie kaum sehen, weil sie sehr klein sind.

In Städten oder Ballungszentren braucht man viele kleine Mikrozellen, um das Internet der Dinge und Datenübertragungen voranzutreiben.

Am Land braucht man die Infrastruktur, so wie sie jetzt ist, vielleicht an der einen oder anderen Stellen eine zusätzliche Zelle. Aber es werden nicht wesentlich mehr Masten am Land dazu kommen.

Die Breite wird bereits gut abgedeckt.

Es gab eine Diskussion, Zellen oder kleine Masten auf öffentlichen Gebäuden anzubringen. Also die kommunale dezentrale Infrastruktur zu nutzen. Wie kommt das an?

Wir haben dafür das Telekommunikationsgesetz in einer Form geändert, wie es andere Länder in Europa nicht haben. Es wird künftig Netzwerksharing möglich sein und Lizenzsharing. Das war früher nicht erlaubt, da konnte ein Anbieter die Infrastruktur oder das Netz eines anderen nicht nutzen.

Ist das ähnlich wie bei den Energienetzen früherer Tage? Da wurde ja auch die Infrastruktur von der Versorgung getrennt.

Das kann man sich so ähnlich vorstellen.

Die öffentliche Hand verfügt über eine große Menge Daten, die gerade für Internetkonzern hoch interessant wären, aber auch für die regionale Wirtschaft. Da gibt es in Deutschland einen Vorschlag des deutschen Städte- und Gemeindebundes, dass Gemeinden diese Daten in anonymisierter Form verkaufen könnten. Wäre so was bei uns vorstellbar?

Definitiv nicht!

Wir haben während der österreichischen Ratspräsidentschaft 2018 an der sogenannten „Single digital Market Europe“ gearbeitet. Da ging es unter anderem um den freien Fluss maschinenbezogener Daten. Die großen Datenpools sind sicher eine wichtige Voraussetzung, um den Standort Europa und Österreich ganz nach vorne zu bringen. Aber man muss hier zwischen maschinenbezogenen und personenbezogenen Daten unterscheiden.

Personenbezogene Daten gehören der jeweiligen Person. Das wird auch im Zuge des digitalen Amtes intensiv diskutiert. Ich bin aber nicht der Meinung, dass Unternehmen die Daten besitzen sollten. Wenn sie beispielsweise nicht mehr wollen, dass ihre Daten irgendwo drinnen sind, ist es oft vor allem bei amerikanischen Internetgiganten sehr mühsam, die Daten zu löschen. Hier muss Politik und Regulation eingreifen und den rechtlichen Rahmen schaffen, damit beides geschützt wird. Einerseits die Innovationskraft der Firmen und andererseits die Rechte der Bürger.

Aber hier sind wir als Gesellschaft in einem Lernprozess, vor allem die von uns, die noch „analog geboren“ sind. Manchmal kann man sich wirklich nur wundern, welche Daten manche Menschen in welchem Ausmaß zur Verfügung stellen. Fotos der Kinder, Fotos aus dem Urlaub, wo jeder weiß, wo ich bin und vor allem, dass ich gerade nicht zu Hause bin und so fort.

Vom Vierteltelefon früherer Zeiten bis heute ist ein weiter Weg. Aber auch Verwaltung lernt und daher befinden wir uns in einer superspannenden Zeit, wo wir einerseits die Chancen nutzen müssen, aber mehr über das Thema Sicherheit lernen müssen. Digitale Grundkompetenzen in den Schulen und digitale Kompetenzen bei der Arbeit gehören dazu.

Schramböck Zimper
„Personenbezogene Daten gehören der jeweiligen Person. Ich bin nicht der Meinung, dass Unternehmen die Daten besitzen sollten.“

Sie haben bei der Präsentation des Digitalen Amts von elf Gesetzen gesprochen, die im Vorfeld geändert wurden. Waren das alles Bundesgesetze? Und wie wirken sich die Änderungen auf die Länder aus, die ja vermutlich nachziehen müssen? Und manche Gesetze wirken sich direkt auf die Kompetenzen der Länder aus.

Ja, das waren alles Bundesgesetze. Und genau für Fälle wie länderübergreifende Materien gibt es diesen Prozess. Wir müssen sehen, was für Kompetenzen haben Bund, Land, Gemeinde und wie können wir den rechtlichen Rahmen schaffen, dass wir besser zusammenarbeiten können. Diesen Rahmen gibt’s im Moment aber nicht.

Das bedeutet, dass ein Bundesgesetz geändert wird, worauf neun Bundesländer nachziehen müssen.

Darum sind auch alle neun Bundesländer beim digitalen Amt dabei.

Ein Beispiel: Die Land Oberösterreich hat eine App entwickelt, wonach ein Frächter, der von Passau nach Budapest will, nur mehr einmal eine Transportbewilligung braucht, weil diese digital an die anderen betroffenen Länder Niederösterreich, Wien, Burgenland weitergeleitet wird. Der Frächter braucht nicht mehr vier Bewilligungen, die Länder sparen Verwaltungsaufwand.

Das wird für alle Bereiche kein leichter Prozess sein, darum haben wir auch zwölf Monate dafür veranschlagt. Und es ist ein Prozess, der nicht so schnell beendet sein wird, weil wir ihn immer weitertreiben müssen.

Für diesen Prozess bringen wir in einem „Design Thinking Prozess“ auch die Leute aus den Städten, aus den ländlichen Gemeinden aller Bundesländer mit den Experten und Fachleute und Professoren in Arbeitsgruppen zusammen, geben ihnen ganz klare Handlungsfelder, damit die Problemstellung aufgearbeitet werden kann.

Und gerade die Bundesländer haben die Digitalisierung ganz oben auf der Agenda.

Sie haben gemeint, dass Österreichs Bürger und Unternehmen pro Jahr rund 230 Millionen Meldungen machen müssen, das kostet rund 4,3 Milliarden Euro pro Jahr. Gibt es Schätzungen, wie viel Meldungen in welche Gebietskörperschaft fällt?

Das wissen wir jetzt noch nicht. Aber wir wissen, dass die Firmen – und das betrifft ganz viele KMU – die rund vier Milliarden im Jahr dafür ausgeben – und wenn wir nur 50 Prozent davon einsparen, dann haben wir sehr, sehr viel Zeit und Geld eingespart.

Die Themen sind ganz unterschiedlich. Da betrifft die Statistik Austria, Bund, Länder, Gemeinden, Finanzämter … bis Mitte des Jahres werden wir aber mehr wissen. Vor allem werden wir wissen, wo die Information das erste Mal ins System kommt und wo sie immer wieder verlangt wird. Und dann stellen wir die Frage, wie wir die Information von der ursprünglichen Quelle verwenden und weiterbenutzen. Aber immer mit der Zustimmung des Unternehmens.

Wenn sich die Unternehmen und die Menschen Geld sparen, heißt das aber auch, dass der Verwaltung, dem Staat, Gebühren entgehen. Wenn ich beispielsweise keinen Führerschein mehr brauche, weil das Auto autonom fährt, verliert die Verwaltung die Führerscheingebühr. Von den Parkgebühren ganz zu schweigen.

Dafür werden wir mehr Steuern von den Digitalunternehmen einheben. Aber richtig, auch das ändert sich, wie sich alles ändern wird. Früher gab‘s auch keine Sozialversicherung.

Und richtig, auch die Geschäftsmodelle ändern sich, daher brauchen wir auch diese Diskussion. Wir müssen als Verwaltung wissen, wie wir uns auf die geänderten Geschäftsmodelle einstellen müssen. Wir müssen es allein deswegen wissen, weil wir gestalten wollen und nicht verwalten.