Windmühlen in Consuegra
Die Region La Mancha ist stark von Abwanderung betroffen.
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Spanien

Außergewöhnliche Maßnahmen in Abwanderungsgebiet

La Mancha verbindet man mit dem Ritter von der traurigen Gestalt und seinem aussichtslosen Kampf gegen Windmühlen. Dieser Kampf kann durchaus als Metapher für viele Maßnahmen gegen Abwanderung herhalten, nicht nur in Zentralspanien.

Wenn auch schon zu Zeiten Don Quijotes nicht sehr dicht besiedelt, zählt Kastilien-La Mancha heute zu den stärksten Abwanderungsgebieten Europas. Mit einer Bevölkerungsdichte von knapp 26 Einwohnern pro Quadratkilometer beherbergt die Region nur 4,3 Prozent der spanischen Bevölkerung. 90 Prozent des Territoriums sind ländlich, die Hälfte der Gemeinden zählt weniger als 500 Einwohner und nur zwölf Kommunen haben über 30.000, darunter die Hauptstadt Toledo.

Einstimmige Rettungsaktion

Das nahe Madrid wirkt seit jeher wie ein Magnet, der vor allem Junge anzieht. Um dieser Entwicklung etwas entgegenzusetzen, versucht die Region nicht nur die Wirtschaft zu stärken, sondern gezielt auch die Frauen.

Seit 2010 wurde ein besonderer Fokus auf Gleichberechtigung und (Aus-)Bildungsmaßnahmen speziell für Frauen im ländlichen Raum gesetzt. 2021, nach einem langen und umfassenden Konsultationsprozess, verabschiedete das Regionalparlament einstimmig ein wegweisendes Gesetz, das die Abwanderung mittels attraktiver steuerlicher Anreize und konkreter Versorgungsgarantien im Bereich der Daseinsvorsorge eindämmen soll.  

Dafür wird viel Geld in die Hand genommen. Das auf zehn Jahre ausgelegte Programm gegen die Abwanderung kann auf ein – auch aus EU-Mitteln gefördertes – Budget von 3,3 Milliarden Euro zurückgreifen.

Damit sollen der Bevölkerung in den am stärksten von Abwanderung betroffenen Gemeinden gleiche Serviceangebote garantiert werden, wie anderswo. D. h. auch in den über 700 Gemeinden, die von extremer oder intensiver Abwanderung betroffen sind, gibt es einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, den Erhalt bzw. die Errichtung von Dorfschulen ab vier Schülern, eine 24-Stunden Flugrettung, um den Zugang zu Gesundheitsversorgung binnen 30 Minuten sicherzustellen und auf flächendeckenden Breitbandausbau mit garantierten Anschlüssen für über 5.000 benachteiligte Familien. Aber auch kulturelle und Freizeitaktivitäten werden unterstützt, um die Lebensqualität jenseits der Grundbedürfnisse zu erhöhen.

Steuerzuckerl für Ansiedlung

Besonders interessant ist die fiskalpolitische Herangehensweise an das Abwanderungsproblem. Denn Kastilien-La Mancha ist die erste Region, die nicht nur Unternehmen sondern auch Bürgern großzügige Steuerzuckerl für eine Ansiedlung in Abwanderungsgebieten gewährt.

Einwohner mit Hauptwohnsitz in extremen Abwanderungsgemeinden erhalten Einkommenssteuernachlässe bis zu 25 Prozent und können sich jährlich bis zu 12.000 Euro Steuergutschrift auf den Erwerb oder die Renovierung ihres Eigenheims anrechnen lassen. Die Grunderwerbssteuer wird in diesen Abwanderungsgemeinden drastisch reduziert, sowohl für Privatpersonen als auch Unternehmen.

Gesetze werden auf Auswirkungen auf den ländlichen Raum geprüft

Politisch verpflichtet sich die Regionalregierung nicht nur zur Umsetzung dieser konkreten Maßnahmen, die gesamte Legistik soll ein Rural proofing durchlaufen. Alle auf regionaler Ebene verabschiedeten Gesetze sollen also vorab auf ihre Auswirkung auf den ländlichen Raum geprüft werden – eine Idee, die es auch für EU-Richtlinien gibt, die in Brüssel aber ihrer konkreten Umsetzung harrt.

Man könnte fast sagen, Kastilien-La Mancha ist ein Versuchslabor für den von Abwanderung betroffenen ländlichen Raum. Auf regionaler Ebene ist das Projekt unumstritten und wurde einstimmig verabschiedet. Halbzeitüberprüfungen werden Einblicke in den Erfolg der Maßnahmen gewähren. Dass sie mutig und bisher einzigartig sind, steht schon heute fest. Ob der Kampf gegen die Windmühlen tatsächlich gewonnen werden kann, wird sich erst zeigen.

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