Bürgermeister Gaggl
Herbert Gaggl: „Wir sollten wieder einen Schritt Richtung mehr Eigenverantwortung machen.“

„Wenn die Gemeinden Geld haben, lebt die Region mit“

Herbert Gaggl zog 1985 erstmals in den Gemeinderat der Marktgemeinde Moosburg ein. Er hatte von 1990 bis 1991 das Amt des Vizebürgermeisters von Moosburg inne und übernahm 1991 das Amt des Bürgermeisters der Gemeinde. Er war zudem Gründungsgeschäftsführer der Wörthersee Tourismus Gesellschaft und wurde 2009 Obmann der Verwaltungsgemeinschaft Klagenfurt. Gaggl kandidierte bei der Landtagswahl 2013 und wurde 2013 als Landtagsabgeordneter im Kärntner Landtag angelobt. KOMMUNAL sprach mit Herbert Gaggl über Dinge wie die vielgerühmte Handschlagqualität in der Politik und wie sich die Arbeit in und für die Gemeinden in den vergangenen 30 Jahren verändert hat.

Was hat sich in den 25 Jahren verändert, Herr Bürgermeister?



Herbert Gaggl: „Es  ist wesentlich schwieriger geworden ist. Es ist um vieles juristischer geworden. Die Bürokratie ist überbordend, sie lässt den Gemeinden kaum mehr Luft und Handlungsfreiheit. Heute kann man Bürgerfreundlichkeit kaum mehr leben, weil man Angst haben muss, dass Bürgerfreundlichkeit als Amtsmissbrauch gewertet wird. Ob das alles gut ist, müssten die Menschen sagen, ich glaube halt, dass wir wieder einen Schritt Richtung mehr Eigenverantwortung oder mehr Selbstverantwortung machen sollten. Das gilt für den Bürger genauso wie für die Gemeinden.“



Früher war man auf die Handschlagqualität in den Gemeinden sehr stolz. Ist das noch so?



„Das kann man im Grunde genommen nicht mehr machen. So bitter es ist, Handschlagqualität spielt sich heute nicht mehr ab. Heute muss alles verschriftlicht und dokumentiert werden.“



Fangfrage: Die Gemeinden haben immer mehr Dinge zu erledigen. Hält die Finanzierung damit Schritt?



Nein, natürlich nicht. Wenn nicht bald was getan wird, dann wird es in Österreich gerade dort, wo das Leben stattfindet, Probleme geben – in den Gemeinden. Der Großteil der Gemeinden schafft es nicht mehr, Geld für Investitionen freizuschaufeln. Das sind Investitionen in zukunftsfähige Infrastruktur, in Bildung, in Schulen, in Kinderbetreuung, oder auch in Straßen, in zukunftsfähige Mobilität, für Seniorenbetreuung – der ländliche Raum lebt ja davon, dass das alles funktioniert. Wenn diese Investitionen aber nicht mehr da sind, sterben die Gemeinden.



Dazu wird es vor allem notwendig sein, den Finanzausgleich zu ändern und durch eine Entbürokratisierung und eine Aufgabenreform die Gemeinden wirklich zu entlasten. Denn wenn die Gemeinden Geld haben, lebt die Region mit.



In den FAG-Verhandlungen sind immer wieder zwei Schlagwörter zu hören: Abgabenautonomie und Aufgabenorientierung. Was gäbe es dazu zu sagen?



Ich trete dafür ein, dass die Aufgaben zwischen Bund, Länder und Gemeinden reformiert und anständig finanziert werden. Die Bedürfnisse der Gesellschaft ändern sich rasant. Ich fordere die Finanzierung der Kinderbetreuung durch den Bund. Kostenloser Zugang zur Kinderbetreuung, gleich wie zur Schule und zur Universität. Alle Studien belegen die Notwendigkeit einer umfassenden Kinderbetreuung. Das wäre wirklich ein großer Wurf für unsere Gesellschaft.



Die Abgabenautonomie der Gemeinden ist beschränkt. Wen soll ich was vorschreiben? In vielen Gemeinden fehlt ja die Butter auf das Brot.



Kärnten hatte ja eines der ersten Modelle für eine Art der objektivierten Bedarfszuweisung. Gibt es dieses Modell noch? Funktioniert es noch?



„Bedarfszuweisungen sind Gelder, die den Gemeinde gehören und sind gerecht und nach Bedarf, z. B bei hohen Investitionen, zu verteilen.



Die Objektivierung in Kärnten ist ein Modell, das in die richtige Richtung geht. Die derzeit festgelegten Benchmarks halte ich allerdings für falsch, weil jede Gemeinde andere Aufgaben hat und diese bewerkstelligen muss.



Wenn man das System ändert, sollte die Administration dann auf Landesebene oder auf der Ebene des jeweiligen Landes-Gemeindebundes angesiedelt sein?



Auch das wäre wieder umfangreich zu diskutieren. Es wird ja in jedem Bundesland nach andere Spielregeln gespielt. In Kärnten wickelt das die Landesverwaltung ab. Wahrscheinlich wird es so sein, wenn man das tiefgehend diskutiert, bekommt man bei 132 Gemeinden 70 Meinungen. Im Grunde geht es nicht um das System, wer was abwickelt, sondern das Geld muss bei den Gemeinden in ausreichender Menge ankommen.



In Moosburg ist in den vergangenen Jahren sehr viel geschehen, wenn man sich beispielsweise die Siedlungsentwicklung ansieht. Einer der Höhepunkte der Entwicklung war der Gewinn des IMPULS-Preises 2013. Wann hat die Entwicklung von Moosburg eigentlich begonnen?



Wir waren eine der ersten Gemeinden in Österreich, die am Projekt „familienfreundliche Gemeinde“ teilgenommen hat. Wir waren 1991/1992 eine der ersten Gemeinden, die im Rahmen der Orts- und Regionalentwicklung Leitbilder und Visionen entwickelt hat. Wir waren uns schon damals im Gemeinderat einig und haben immer versucht, strukturell und gezielt prozessorientiert zu arbeiten. Wir wollten immer wissen, wo die Gemeinde in zehn Jahren steht. 2000 haben wir mit der Lokalen Agenda begonnen und uns gefragt, wo wir 2010 stehen wollen. Jetzt sind wir schon in der dritten Dekade, wo wir die  Vision  2020 entwickelt haben. Einfach gesagt: Wenn du weißt, wo du hin willst, kannst du auch gehen. Was nützt es mir, schnell in Rom zu sein, wenn ich dort merke, dass ich eigentlich nach Berlin gewollt hätte.



In dem Sinn war der IMPULS-Preis ein Resultat dieser Entwicklung. Das alles – und natürlich die Entwicklung des Bildungscampus Moosburg – hat sehr, sehr positive Folgen gehabt, weil für die Ansiedlung von Jungfamilien es ganz wichtig ist, diesen ein gutes Umfeld, eine gute Infrastruktur zu bieten.

Eine große Auszeichnung war aber auch der „Europäische Dorferneuerungspreis für eine ganzheitliche und nachhaltige Gemeindeentwicklung von außerordentlicher Qualität“



Waren eigentlich die Bürgerinnen und Bürger immer an Bord bei der Entwicklung von Moosburg oder ist das später gekommen?



Bei uns war das von der ersten Stunde an so, dass die  BürgerInnen mit an Bord waren. Meine Überlegung war, mit den Leuten zu reden, weil die wissen, was sie wollen. Egal ob es sich um den Dorfplatz handelt oder das Feuerwehrhaus. Und wir haben uns immer die Frage gestellt, was denn unsere Stärken sind.



Und eines ist ja auch sicher: Wenn man die Bürgerinnen und Bürger mit einbindet, verstärkt man die Identifikation der Menschen mit dem Ort.

 

Bürgerbeteiligung wird in Moosburg groß geschrieben.





Als Folge dieser Entwicklung ist die Gemeinde auch gewachsen.



Natürlich, in den vergangenen 25 Jahren sind wir von rund 3400 auf rund 4570 Einwohner gewachsen.



In diesen 25 Jahren hat sich Moosburg von einer Gemeinde „hinterm Berg“ zu einem prosperierenden Ort gewandelt. Moosburg hat sich zu einem begehrten Lebensstandort entwickelt.



Das bringt mich zur aktuellen Diskussion um die Frage des Bodenverbrauchs. Ist das in Moosburg ein Thema?



Das wird in Kärnten derzeit im Landtag im Zuge des neuen Gemeindeplanungs- und Raumordnungsgesetzes diskutiert. Im Ort haben wir das Thema nicht so sehr. Moosburg besteht aus 35 Ortschaften, die schon sein 150 bis 200 Jahren bestehen. Es ist keine einzige neu entstanden. Wir haben auch 40, 50 Jahre alte Widmungen, die noch nicht bebaut sind, wir haben also einen Baulandüberhang. Moosburg hat noch genug Potential. Trotzdem haben wir die Bebauungspläne so verändert, dass wir beispielsweise die Parzellen, die früher 800 m² haben mussten, verringert haben. Wir schauen auch darauf, dass eher verdichtet gebaut wird. Wir versuchen auch in den örtlichen Entwicklungskonzepten, nur mehr innerörtlich aufzuschließen und zu bauen. Es ist nicht wirklich ein Thema, weil wir schon die letzten 25 Jahre sehr sorgsam mit dem Boden umgehen. Aber: man muss auch im ländlichen Raum etwas zulassen und die Entwicklung fördern.



Die letzte Auszeichnung, die Moosburg für sich verzeichnen konnte, war der Baukulturgemeinde-Preis. Was steht denn als nächstes am Programm?



Wir arbeiten intensiv am Projekt Bildungscampus weiter. Wir wollen die Bildungsgemeinde Österreichs werden. Sowohl was die Bildungsinhalte als auch Infrastruktur betrifft. Wir wollen „Räume von morgen“ schaffen, wo „Unterricht von übermorgen“ stattfinden kann. Es hat sich ja gerade im Bildungsbereich so viel verändert. Wir müssen auch hier neue Wege finden und vor allem viel gemeinsam nutzen. Warum muss ich einen eigenen Kultursaal haben, wenn in der Schule ein größerer Raum am Wochenende leer steht. Bildung sollte viel mehr ein Teil der gesamten Gemeinde sein, und nicht nur dann, wenn gerade ein Kind in der Schule ist.

 

Der Bildungscampus war mit ausschlaggebend für die Zuzug junger Familien. Foto: Astrid Meyer





Letzte Frage: Wo soll Moosburg in fünf Jahren stehen?



Ich will, dass die Menschen sagen, Moosburg ist eine Gemeinde, die zukunftsfähig ist. Wo sie sich wohl fühlen, wo sie auch Chancen haben, Arbeit zu bekommen oder zum Arbeitsplatz nur einen kurzen Weg haben. Wo die Menschen so weit wie möglich auf private Mobilität verzichten können, weil alles optimal beieinander liegt. Und ich würde mir wünschen, dass Moosburg eine Gemeinde ist, wo die Menschen, die für eine Zeit „in die Welt hinausgehen“, gerne wieder zurückkommen.