Verkehrsschild mit 30-km/h-Begrenzung
Wie bisher können Gemeinden nur Tempolimits für Gemeindestraßen verordnen.
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Gemeinden können Tempolimits bald leichter verhängen

Licht am Ende des Tunnels: Eine Novelle der Straßenverkehrsordnung sieht neben einer Erleichterung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auch eine Kontrollmöglichkeit für Gemeinden ohne Gemeindewachkörper vor.

Eine rund 15 Jahre andauernde Diskussion könnte bald ein Ende gefunden haben. Ein Gesetzesentwurf des Verkehrsministeriums sieht neben einer Erleichterung der Verordnung von Geschwindigkeitsbeschränkungen auch eine Möglichkeit für Gemeinden ohne Gemeindewachkörper vor, automationsunterstützte („punktuelle“) Geschwindigkeitsmessungen durchzuführen. Damit wird der Forderung zahlreicher Gemeinden Rechnung getragen, nicht nur Maßnahmen treffen zu können um die verordnete Geschwindigkeit, sondern auch die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit zu drosseln.

Beide Maßnahmen würden wesentlich zur Steigerung der Verkehrssicherheit im Ortsgebiet beitragen, wobei hinsichtlich der zweiten Maßnahme (punktuelle Geschwindigkeitsmessung) unabdingbar noch Änderungen im Gesetzestext und in den Erläuterungen notwendig sind.

Vereinfachte Tempolimits

Neben den bereits bestehenden Möglichkeiten für die Verordnung von Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung soll mit dieser Novelle gezielt die Möglichkeit geschaffen werden, eine geringere als die gesetzlich erlaubte Höchstgeschwindigkeit (§ 20 Abs. 2 StVO) in Bereichen mit besonderem Schutzbedürfnis, etwa vor Schulen, Kindergärten, Freizeiteinrichtungen, Krankenhäusern oder Senioreneinrichtungen, auch dann zu verordnen, wenn diese (nur) geeignet ist, die Verkehrssicherheit insbesondere für Fußgänger und Radfahrer zu erhöhen.

Eine „Erforderlichkeit“ dieser Maßnahme, die in der Praxis immer wieder für Schwierigkeiten gesorgt hat, wurde bewusst nicht aufgenommen, denn nicht selten scheiterten Geschwindigkeitsbeschränkungen an den Erfordernissen, den Voraussetzungen und der Bürokratie (Sachverständige, Gutachten).

Hinsichtlich der Gebäude und Einrichtungen wird eine demonstrative Aufzählung gewählt, es sind daher auch weitere Einrichtungen und Bereiche denkbar, für die ein solches besonderes Schutzbedürfnis besteht.

Ein besonderes Schutzbedürfnis für Gebäude und Einrichtungen ist vor allem dann gegeben, wenn sie vorrangig von Kindern, Jugendlichen, alten Menschen oder Menschen mit Behinderungen frequentiert werden. Insgesamt soll es durch die Setzung dieser Maßnahmen zu einer deutlichen Erhöhung der Sicherheit der schutzbedürftigen Personen und damit einhergehend der Aufenthaltsqualität in Ortsgebieten kommen.

Für Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Landesstraßen innerhalb des Ortsgebiets bleiben weiterhin die Bezirksverwaltungsbehörden zuständig. Für diese gelten aber ebenso die Vereinfachungen.“

Da immer wieder Falschinformationen im Umlauf sind, ist an dieser Stelle auch klarzustellen, dass die Gemeinden - wie bisher - nur hinsichtlich ihrer Gemeindestraßen für die Erlassung derartiger Verordnungen zuständig sind. Auf Landesstraßen innerhalb des Ortsgebiets haben Gemeinden keine Kompetenz und sind auch weiterhin auf das Tätigwerden der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörden angewiesen, die aber ebenso in den Genuss dieser vereinfachten Geschwindigkeitsbeschränkungen kommen.

Punktuelle Geschwindigkeitsmessungen

Mehr als nur ein kleiner Lichtblick ist allein der Umstand, dass der Entwurf überhaupt eine Möglichkeit für Gemeinden ohne Gemeindewachkörper vorsieht, automationsunterstützte Geschwindigkeitsmessungen („Radarüberwachungen“) durchzuführen.

Derzeit sieht die StVO die Möglichkeit der Übertragung der Verkehrspolizei für jene Gemeinden vor, die über einen Gemeindewachkörper verfügen. Nunmehr soll allen Gemeinden, auch jenen, die über keinen Gemeindewachkörper verfügen, die Möglichkeit gegeben werden, im Wege und auf Grundlage einer Übertragungsverordnung des jeweiligen Landes punktuelle Geschwindigkeitsmessungen, die Teil der Verkehrspolizei sind, auf Gemeindestraßen durchzuführen. Umfasst ist ausschließlich die punktuelle Geschwindigkeitsmessung und nicht die Verkehrsüberwachung insgesamt, die weit mehr als nur die Überwachung der Geschwindigkeiten umfasst.

Wenngleich eine Aufnahme dieser verkehrspolizeilichen Aufgabe in den Katalog des „eigenen Wirkungsbereichs“ der Gemeinden zu bevorzugen gewesen wäre (§ 94d StVO), werden zukünftig Gemeinden (ohne Gemeindewachkörper) dann Überwachungen durchführen können, wenn sie per Verordnung von den Ländern hierzu ermächtigt werden („übertragener Wirkungsbereich“).

Kriterienkatalog entbehrlich und kontraproduktiv

Zwar nicht im Gesetzestext, aber immerhin in den zu berücksichtigenden Erläuterungen ist ein umfangreicher Kriterienkatalog enthalten, der nicht nur die Länder bindet, wann und unter welchen Voraussetzungen sie die Aufgabe übertragen (dürfen), sondern auch den Gemeinden geradezu verunmöglicht Geschwindigkeitsmessungen durchzuführen. So ist die Rede davon, dass (Kriterium a) eine „gutachterliche Standortbeurteilung iSd Notwendigkeit für die Verkehrssicherheit unter Prüfung der Nichtanwendbarkeit von alternativen Maßnahmen durch die Gemeinde“ erforderlich ist.

Abgesehen davon, dass die (gutachterliche) Standortbeurteilung Aufwand und Kosten und die Prüfung der „Nichtanwendbarkeit von alternativen Maßnahmen“ schlechthin bedeutet, dass immer irgendwelche Maßnahmen zu bevorzugen sind (bauliche Maßnahmen, Temporeduktion, Fahrverbote etc.), ist in diesem Zusammenhang auch nicht verständlich, weswegen man (richtigerweise) bei der Verordnung von Temporeduktionen die Bürokratie (Gutachten) möglichst hintanhalten möchte, aber bei der Überwachung der Geschwindigkeiten derartiges konkret festschreibt.

Aber auch die „Nachkontrolle der ermittelten Beweismittel durch geschultes Personal der Gemeinde vor Übermittlung der Anzeigen an die Strafbehörde“ ist ein Kriterium (Kriterium c), das die Gemeinden nicht erfüllen werden können.

Abgesehen davon, dass die Gemeinden kein Personal und schon gar kein geschultes Personal haben, muss es, wie schon bis 2008 üblich und auch jetzt bei Gemeinden mit Gemeindewachkörpern praktiziert, möglich sein, dass sich Gemeinden bei der Erfüllung dieser Aufgabe (für Hilfstätigkeiten wie etwa auch jene im Bereich der Wartung der Geräte, Software, Datenübertragung, Schnittstellen etc.) Dritter bedienen. Müssten Gemeinden tatsächlich eigenes geschultes Personal bereitstellen, dann könnten sie gleich einen Wachkörper einrichten.

Allein die Tatsache, dass künftig die Überwachungstätigkeit der Gemeinden im übertragenen Wirkungsbereich erfolgt und Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs grundsätzlich nur „im Auftrag und nach den Weisungen“ des Bundes bzw. des Landes besorgt werden dürfen (Art. 119 B-VG), zeigt, dass es keines Kriterienkatalogs bedarf.

Mit der Verordnungsermächtigung wird den Ländern ohnedies die Möglichkeit geboten, die Überwachungstätigkeit der Gemeinden mit den jeweiligen Verkehrssicherheitskonzepten abzustimmen und mittels Erlässen einheitliche Kriterien für die Standortbeurteilung sowie für die automatisierte Verkehrsüberwachung aufzustellen.

Als redaktioneller Fehler ist die Bestimmung über die Strafgeldaufteilung zu werten, die im Ergebnis eine Beteiligung der Länder an den Strafgeldern von 20 % auch hinsichtlich jener Strafgelder vorsieht, die aus der Überwachungstätigkeit der Gemeinden mit Gemeindewachkörpern resultieren. Damit würden Gemeinden, die kostenintensiv Gemeindewachkörper eingerichtet und organisiert haben, ohne Grund und Anlass 20 % der Strafgelder verlieren.