Karl Hintermeier
Karl Hintermeier: „Wir müssen die wichtigsten Akteure – wie Leitbetreibe, Kultur, Sport, Bildung – zu einer Art ,Markenbeirat‘ zusammenbringen.“

„Eine gut positionierte Gemeindemarke ist ein Wettbewerbsvorteil“

Markenexperte Karl Hintermeier über erfolgreiche Ortsmarken, warum man sie braucht und drei Zutaten für eine wettbewerbsstarke Marke.

Immer mehr Gemeinden und Städte die erfolgreich sind, haben eine Marke konzipiert. Warum braucht ein Ort eine Marke?

Karl Hintermeier: Grundsätzlich gilt das Gleiche wie bei Unternehmen. Eine gut positionierte Marke ist ein Wettbewerbsvorteil. Wir sehen, dass Gemeinden und Städte immer stärker im Wettbewerb stehen. Etwa um Betriebsansiedelungen. Gauben Unternehmer an die Zukunft dieses Ortes? Oder die demografische Entwicklung: Gemeinden brauchen Zuzug von vor allem jungen Menschen und Familien. Das ist auch finanziell wichtig, entscheidet doch die Einwohnerzahl über die Budgetmittel.

Und es geht natürlich auch um das Einwerben öffentlicher Investitionen: Glauben Land oder Bund, dass diese Gemeinde was weiterbringt? Das sieht man auch etwa bei Städten wie Tulln. Nicht umsonst kommen Investitionen wie „Das Haus der Digitalisierung“ dorthin. Das hängt auch mit einer starken Marke zusammen.

Wenn man Marken für Orte im Speckgürtel von Wien und im nördlichen Waldviertel entwickelt - da wird es wohl andere Konzepte brauchen?

Ja, es macht einen Unterschied ob wir von einem Dorf, einer Marktgemeinde oder einer Stadt sprechen. Umlandgemeinden von Metropolen haben anderen Aufgabenstellungen wie ländliche Gemeinden – auch in der Markenführung. Einerseits richtet sich die Marke nach außen um Menschen und Betriebe anzuziehen. Und andererseits sehr stark auch nach innen.
Wenn wir beispielsweise unseren Gemeinden vielfältige Angebote möchten, dann müssen wir natürlich auch daheim einkaufen. In entlegeneren, ländlicheren Regionen ist das der Bevölkerung oft noch bewusster – dort gehts dann eher darum junge Menschen für die Region zu begeistern.

Geht es darum, dass man sich einen coolen Slogan einfallen lässt und diesen so laut wie möglich über diverse Kanäle „schreit“? Oder muss man sich erst einmal selber finden und wissen, wer ich bin, bevor ich zu „schreien“ beginne?

Das Kernstück jeder Marke ist die eigene DNA. Bevor wir uns im Markenprozess mit Zielgruppen beschäftigen, muss man nachdenken: Wer sind wir? Was macht uns stark? In welchen Bereichen sind wir stärker als andere? Wo unterscheiden wir uns? Dabei geht es um echte Stärkefelder – also Stärken, die Strahlkraft nach innen und außen entwickeln können.

Wie findet man diese DNA?

Wir gehen hier mit einem speziell für Städte und Gemeinden entwickelten Markenmodell vor. Dabei geht's um den Wirtschaftsraum, das Ortsbild, die Baukultur, den Natur- und Freizeitraum, den Bildungsstandort, den Wohnungsmarkt und vieles mehr. Und natürlich auch um die Bespielung: Die Veranstaltungen, die Kulturszene, die Lokalszene

Viele dieser Prozesse laufen meist über Bürgerbeteiligungsmodelle. Wie sinnvoll sind Bürgerbeteiligungsprozesse und warum?
Partzipiation ist essenziell. Wir müssen die wichtigsten Akteure – wie Leitbetreibe, Kultur, Sport, Bildung – zu einer Art „Markenbeirat“ zusammenbringen. Es ist auch sinnvoll dafür ein Gremium zu bilden, das nachhaltig die Marke in die Welt trägt. Ähnlich dem Wirtschaftsverein – nur halt viel breiter. Markenbotschafter, mit dem gemeinsamen Ziel die Story der Gemeinde zu erzählen und nach außen zu tragen.

Die Breite in solchen Prozessen ist also gut - aber nur in gewissem Grad …

Es ist eine ausgewählte Breite. Eine Marke ist ja auch etwas Abstraktes. Daher arbeiten wir in der Regel intensiv mit Stakeholder-Gruppen und binden die Bürgerinnen und Bürger mit breitenwirksamen Formaten wie z. B. Fotowettbewerben ein. 

Wenn sich eine Gemeinde entschließt, eine Marke zu finden, wie lange dauert der Prozess?

Wir haben mittlerweile aus vielen internationalen Beispielen und eigenen Erfahrungen einen durchgehenden Prozess entwickelt. In der Regel so, dass wir zwischen sechs und zwölf Monaten annehmen, sechs Monate sind schon sehr flott. 

Wichtig: Wir müssen von Tag eins an kommunizieren, nämlich ab dann, wenn im Gemeinderat der Beschluss getroffen wird. Die begleitende Kommunikation ist extrem wichtig. Wir müssen uns erklären und sagen, warum wir eine Marke brauchen. Und: Ich möchte im Projekt eine Euphorie für die eigene Gemeinde entstehen lassen, die Menschen wieder Stolz machen.

Angenommen, wir haben uns jetzt gefunden. Wir haben die Marke. Wie kommuniziere ich das dann? Bin ich ausschließlich online, bringt es etwas ein Plakat aufzuhängen bei der Ortseinfahrt? Ist eine Gemeindezeitung noch zeitgemäß? 

Grundsätzlich gilt: Je mehr Kanäle, desto besser. Und ja, die Gemeindezeitung ist total wichtig und die wird nicht sterben. Ich glaube, das ist eines der letzten Printprodukte, das es noch ewig geben wird. Natürlich sind die eigenen Webseiten und Newsletterkanäle ganz wichtig. Da gilt vor allem eines: Professionalisierung. Kommunikation und Marketing ist ein Job für Profis. Gemeinden lassen ja auch Straße und Kanal von Professionisten machen. Das wird leider viel zu häufig nicht erkannt. In dem Zusammenhang finde ich übrigens den Lehrgang Kommunale Kommunikation in Niederösterreich extrem gut. 

Was wären die drei wichtigsten Tipps im Zusammenhang mit der Marke einer Kommune?

  1. Eine Story – die Erzählung unserer Gemeinde. Was ist unsere DNA und wie erzählen wir sie mitreißend, bewegend, begeisternd?
  2. Design – nicht 0815-Designs, sondern ein Design mit Ecken und Kanten. Das ist nicht einfach nur Corporate Design – es geht um eine durchgängige Designstrategie. Von der Werbung bis zur Gestaltung im öffentlichen Raum.
  3. Markenbotschafter aufbauen, eine Bewegung aus der Marke machen. wenn ich als Gemeindeverwaltung diese Story alleine erzähle, ist das verfehlt. Dafür reichen die Ressourcen und Mittel nicht, die Möglichkeiten reichen nicht aus. Also muss es eine Kooperation mit den wichtigsten Akteuren werden. 

Zur Person

Karl Hintermeier ist Experte für Stadtmarken und Stadtkommunikation. Der studierte Betriebswirt ist seit über 30 Jahren in den Bereichen Kommunikation, Werbung und Marketing tätig. Mit seiner Frau Monika Hintermeier ist er Eigentümer der Agentur message – The Art of Urban Story Design. Message berät aktuell Städte wie Wien, Tulln, Bad Vöslau, Kapfenberg oder Waidhofen an der Ybbs beim Aufbau von wettbewerbsstarken Stadtmarken.