Die Zukunft der Grünraumpflege
Das Schaffen, Erhalten und Pflegen des Grünraums in Siedlungsgebieten wird mit jeder Zehntelgradzunahme der Klimaerwärmung wichtiger. Die positiven Auswirkungen des unmittelbaren Grüns vor der Haustüre auf den Menschen sind vielfältig und gut erforscht.
Zum Beispiel in psychischer Hinsicht: Wissenschaftler aus den USA haben schon vor Jahren herausgefunden, dass Menschen die glücklichsten und freundlichsten Tweets aus Parks absetzen.
Je mehr Bäume vorhanden sind und je vielfältiger der Park gestaltet ist, desto positiver sind ihre Nachrichten. Und auch wenn es den Menschen schon vor Tausenden Jahren klar war, ist es jetzt wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen, die unter psychischen Problemen leiden, durch Wälder und Grünflächen einen therapeutischen Nutzen erfahren.
Wald und Grünflächen verhindern Hitzetote
Gleiches gilt auch für körperliche Gebrechen. Die Natur hilft beim Heilen und Genesen. Sie wirkt aber auch schon viel früher, nämlich vorbeugend. Etwa als Luftfilter oder in Zeiten der Klimaerwärmung als Hitzeschild.
Im März 2023 hat der in Wien ansässige Internationale Verband Forstlicher Forschungsorganisationen (IUFRO) seinen globalen Bericht zu Wald und Gesundheit präsentiert. Dieser zeigt, wie auch in Mitteleuropa viele Menschen in Städten und Gemeinden häufig Hitzestress ausgesetzt sind.
Untersuchungen kamen zu dem Resultat, dass Wald und Grünflächen bei Hitzewellen die Zahl der vorzeitigen Todesfälle um ein Drittel reduzieren können und allein schon der Blick auf Bäume aus dem Fenster die Gesundheit und das Wohlbefinden fördert. Dennoch werden Grünflächen und Bäume von der Stadtplanung immer noch nicht ausreichend berücksichtigt.
„3:30:300-Regel“ für mehr Grünraum
Die plakative „3:30:300-Regel“ käme schon eher an ein wünschenswertes Ausmaß an Grün im Siedlungsraum heran. Sie besagt, dass jeder Mensch von seinem Fenster aus mindestens drei ausgewachsene Bäume sehen können sollte. Die Fläche jedes Ortsteils sollte zu mindestens 30 Prozent Baumkronen aufweisen und alle Bewohner sollten eine hochwertige öffentliche Grünfläche nicht weiter als 300 Meter vom Haus oder der Wohnung entfernt haben. Kurz gesagt bedeutet das, künftig noch viel mehr Grünraum in den Städten und Gemeinden zu haben.
Das ist für die kommunale Verwaltung allerdings schwer zu stemmen, denn nicht nur die Schaffung von Grünraum kostet Geld, auch die Erhaltung schlägt zu Buche – und zwar laufend.
Es ist wohl jeder rational denkenden Gemeindeleitung bewusst, dass unsere Siedlungsräume umweltfreundlicher, grüner und ökologisch nachhaltiger werden müssen – und wegen dieses fortschreitenden Klimawandels dummerweise auch noch so rasch wie möglich. Das ist nur unter Ressourceneinsatz machbar und bedeutet: Entweder müssen die Mittel dafür woanders eingespart bzw. abgezweigt werden, es müssen zusätzliche Mittel lukriert werden oder aber man erzielt mit den vorhandenen Mitteln eine höhere Effizienz.
Naheliegenderweise erscheint die dritte Option als die attraktivste. Die Frage lautet also: Wie können Kommunen die Grünraumgestaltung in Zukunft so effizient und sinnvoll wie möglich umsetzen?
Technik macht Grünraumgestaltung effizienter
Die Antwort lautet: durch technologische Innovationen. Dabei geht es viel um KI – wie derzeit überall. Aber nicht nur. Es geht genauso um Robotik, um Vernetzung, um neue wissenschaftliche Erkenntnisse aber auch um ein anderes Mindset, sprich andere Denkweisen und Verhaltensmuster, die Gemeindeverantwortliche dem Grünraum mancherorts erst noch entgegenbringen werden müssen.
Einen umfassenden Ausblick und Einblick darauf, was uns bevorsteht und was bereits angewandt wird, lieferte der „Living City“-Event, der Ende Oktober in Paris stattgefunden hat.
Die französische Hauptstadt war als Gastgeberin für die zweitägige Veranstaltung über professionelles Grünraum-Management prädestiniert. Ihre Bürgermeisterin Anne Hidalgo macht die Stadt mit ihrem Klimaplan für weniger Autos, mehr Bäume und verkehrsberuhigte Zonen gerade zur „Baustelle des Jahrhunderts.“ Und mittendrin zeigten Fachleute aus aller Welt, welche Grünraum-Konzepte Zukunft haben.
Robotik-System zur Rasenpflege
Als (noch) futuristischen Prototyp präsentierte der schwedische Hersteller von Motorgeräten für die Forstwirtschaft, Garten- und Landschaftspflege, Husqvarna, beispielsweise eine Entwicklung namens „Strix“. Dabei handelt es sich um ein autonomes Robotik-System zur Rasenpflege:
Ein selbstfahrendes Basisfahrzeug steuert dabei den jeweiligen Park, Grünraum oder eine Rasenfläche an. Dort angekommen, öffnet es sich und lässt kleine Rasenroboter ausschwirren, die sich – mit diversen Sensoren ausgestattet – untereinander koordinieren, arbeitsteilig vorgehen und je nach Notwendigkeit schneiden, mähen, düngen, säen oder sonstige Aufgaben abarbeiten. Dank modularem Aufbau wechseln sie gegebenenfalls ihre Arbeitsaufsätze und suchen sich nach getaner Arbeit wieder ihr Platzerl im Basisfahrzeug für die Heimfahrt zum Aufladen. Sie werden nicht müde und brauchen keinen Urlaub.
Die Automatisation könnte so auch bei der Grünraumpflege die Personalkosten und den Personalbedarf in realistischen Dimensionen halten. Die kleinen Roboter sind übrigens aus recyceltem Aluminium und Plastik hergestellt, sie sind höhenverstellbar und haben Sensoren, mit denen sie unter anderem Daten zur Bodenfeuchtigkeit oder Bodenbeschaffenheit sammeln, während mit Audio- und 360°-Video-Sensoren die Tier- und Pflanzenwelt erfasst wird.
Diese Daten werden mittels KI zu einem kompletten Umgebungsmodell zusammengefügt, das einerseits zeigt, welche Schwachstellen bestehen bzw. wo Optimierungspotenzial vorhanden ist, und andererseits dem Strix-System einen detailgetreuen Plan für seine weiteren Aufgaben liefert. So erkennt das System etwa invasive Arten schon in einem frühen Wuchsstadium und kann sie entfernen. Eine Sisyphus-Arbeit, die menschlichen Kräften kaum zumutbar wäre, aber enorm wichtig ist.
Biodiversität in Städten höher als auf dem Land
Interessant fand das Strix-System unter anderem auch Anne Marchand Guilbaud – sie ist Präsidentin von Hortis, einem französischen Netzwerk, dem global immerhin rund zehn Prozent aller Green-City-Manager angehören. Sie brachte ihrerseits einige Beispiele für erfolgreiche Umgestaltungen des öffentlichen (Grün-)Raums aus Frankreich und deutete damit schon an, welcher Kernpunkt für die Zukunft der Grünraumgestaltung immer virulenter wird. Und zwar die Biodiversität.
Für manche vielleicht überraschend, ist schon heute die Biodiversität in Städten höher als auf dem Land. Insbesondere in Regionen mit intensiver Landwirtschaft ist die rurale Biodiversität signifikant geringer.
Thomas Elmqvist forscht in Stockholm und Tokio unter anderem zur Biodiversität in urbanen Räumen und stellt in diesem Zusammenhang den ordentlich kurz gehaltenen Rasenflächen in Gärten, wie sie speziell in den USA gerne idealisiert werden, ein vernichtendes Zeugnis aus. Diese Pseudo-Naturflächen sind nicht nur Gift für die Artenvielfalt. Sie in diesem Zustand zu halten, produziert auch irrsinnig viel CO₂.
Auch Jonas Willaredt, der Vizepräsident der Nachhaltigkeitsabteilung bei Husqvarna, benennt die Biodiversität als einen von drei entscheidenden Faktoren, die im Grünraum-Management zunehmend in den Fokus rücken, zusammen mit der Kreislaufwirtschaft bzw. dem Zero-Waste-Ansatz sowie dem Wechsel von fossilen zu elektrischen Antrieben.
Seine Botschaft lautet: Es braucht präzise Regularien, um den Verlust an Biodiversität zu stoppen, fossile Brennstoffe zu verbannen und die Abfallvermeidung zu forcieren.
Bürger müssen Klimaanpassungsmaßnahmen mittragen
Der niederländische Landschaftsarchitekt Douwe Snoek gibt zu bedenken, dass im Schnitt 60 bis 70 Prozent eines Siedlungsgebietes Privatbesitz sind und Klimaanpassungsmaßnahmen daher auch von Bürgern, Unternehmen und anderen Organisationen vorangetrieben werden müssen.
Zukunftstechnologien, die das Prototyp-Stadium bereits hinter sich gelassen haben und schon eingesetzt werden, sind zum Beispiel die Geräte von AgriSound, die solarbetrieben in der Natur aufgestellt werden und Geräusche von Vögeln, vor allem aber von bestäubenden Insekten aufnehmen. Diese werden durch KI ausgewertet und kartiert. Die sensiblen Sensoren können einzelne Insektenarten bis hin zu Schmetterlingen an ihren bio-akustischen Signaturen unterscheiden und helfen so, bestäuberarme Gebiete schnell zu erkennen.
Satelliten ermöglichen Vergleich von Grünraumgestaltung
Per Satelliten wird urbaner Grünraum kartografiert. Und das schon seit 2019. Dieses Projekt heißt HUGSI.
Das so entstandene Open-Data-Set umfasst 279 Städte in 61 Ländern, wird laufend aktualisiert und ist unter anderem schon von Weltwirtschaftsforum und UNO ausgezeichnet worden. Mit seiner Hilfe lassen sich KPIs für die Grünraumgestaltung vergleichen.
Neuestes Feature ist ein Biodiversitäts-Score, der pro Rasterfeld angegeben wird und mit dessen Hilfe Kommunen entscheiden können, welche Grünraumkorridore am sinnvollsten umzusetzen oder zu schließen sind, um die Biodiversität zu erhalten oder zu erhöhen. Je größer zusammenhängende Grünräume sind, umso mehr steigt nämlich die Artenvielfalt. In drei nebeneinander liegenden Feldern ist sie ungleich höher als in drei einzelnen, voneinander isolierten Feldern.