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Das beste Urlaubsdorf
Inmitten des Bundeslandes Salzburg liegt auf halber Strecke zwischen St. Johann im Pongau und Flachau die Marktgemeinde Wagrain. Von ihrer einstigen Burg sind nur noch Reste vorhanden und während zu deren Blütezeit der Bergbau die Wirtschaft bestimmte, so ist es heute stattdessen der Fremdenverkehr.
Unter den „Best Tourism Villages“
Dabei ist Wagrain aber keineswegs eine x-beliebige Urlaubsdestination. Von der UNWTO, der Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen, wird Wagrain zu den „Best Tourism Villages“ weltweit gezählt. Die globale Initiative zeichnet Orte aus, in denen der Tourismus, Kulturen und Traditionen bewahrt werden, die Chancen bieten und biologische Vielfalt leben. Dieses Prädikat erhielten in Summe 32 Orte weltweit. Neben Wagrain gibt es übrigens noch eine weitere ausgezeichnete Gemeinde aus Österreich, ebenfalls aus Salzburg, nämlich Zell am See.
Genau genommen hat eigentlich die Region Wagrain-Kleinarl gewonnen, da sich die Auszeichnung aber auf Orte bezieht, anstatt auf Gebiete, nennt die UNWTO nur Wagrain.
Treibende Kraft hinter der Bewerbung war der Tourismusverband Wagrain-Kleinarl, erklärt der Wagrainer Bürgermeister Axel Ellmer. Die beiden Gemeinden hätten gemeinsam eingereicht, gemeinsam gewonnen und sollten daher fairerweise auch beide genannt werden. Kleinarl liegt im Kleinarltal, das sich von Wagrain aus nach Süden erstreckt. Wer dorthin möchte, kommt also zwangsläufig durch Wagrain. Die beiden Gemeinden sind allein schon deshalb seit jeher eng miteinander verbunden.
Wagrain-Kleinarl war auch die erste Destination im Alpenraum, die eine Zertifizierung als „Green Destination“ gemäß den internationalen Standards des Global Sustainable Tourism Council (GSTC) erhalten hat. Auch hier war und ist die Gemeinde beim Nachhaltigkeitsboard mit dabei.
„Das meiste war ohnehin bereits vorhanden. Wir haben schon bisher vieles nachhaltig gemacht und mussten das nur ordentlich dokumentieren um es auch zertifizieren zu lassen“, berichtet Ellmer. „Das muss man im weltweiten Vergleich sehen, denn es gibt Länder, in denen alleine schon bei der Müllentsorgung großes Chaos herrscht. Die dahingehenden Kriterien erfüllen wir in Österreich wahrscheinlich überall.“
Ein paar Dinge änderten die Wagrainer aber trotzdem und setzen in dem Zusammenhang immer wieder kleinere Projekte um, etwa zur Gestaltung von Grünflächen und der Natur in der Gemeinde. Die wirklich großen Baustellen liegen für Axel Ellmer woanders -und das im wahrsten Sine des Wortes, denn in Wagrain wird viel gebaut und zu einigen dieser Projekte hat Ellmer eine ganz besondere Beziehung, die klar wird, wenn man sich seinen Werdegang ansieht.
Gelernter Nachrichtentechniker
Der 43-Jährige ist ausgebildeter Nachrichtentechniker und arbeitete im Bereich der Leitstellentechnik. Seit 2005 war er für die Planung und Projektentwicklung von Leitstellensystemen für Feuerwehren, Rettungsdienste, Polizei, private Sicherheitsdienste sowie Flughäfen verantwortlich. Im Jahr 2008 ermutigte ihn der damalige Bürgermeister dazu, sich politisch zu engagieren.
Ellmer wurde in Folge Gemeindevertreter und im Jahr darauf auch Wagrainer Ortsstellenleiter der Bergrettung Salzburg. 2014 wurde Ellmer Gemeinderat und 2018 schließlich zum Nachfolger von Eugen Grader junior - jenem Mann, der ihn in die Politik geholt hat.
Die Anrede „Bürgermeister Ellmer“ klang im Ort nicht ungewöhnlich, denn Axel Ellmer ist erblich vorbelastet. Schon sein Vater war von 1984 bis 1998 Bürgermeister von Wagrain und auch sein Urgroßvater war Bürgermeister der Landgemeinde Wagrain. (Anm. Damals gab es noch eine Unterteilung in Landgemeinde und Marktgemeinde Wagrain.)
Mit diesem Hintergrundwissen wird klar, weshalb sich Ellmer beim Bau des neuen Einsatzzentrums noch mehr eingebracht hat, als das ein Bürgermeister üblicherweise tun würde. Dabei handelt es sich nicht bloß um ein Feuerwehrhaus. Darin sind auch die Bergrettung, die Polizei und das First Responder-Auto vom Roten Kreuz untergebracht. Der Bergrettungsleiter, der seinen Beruf als Leitstellentechniker nach wie vor zehn Stunden pro Woche ausübt, hatte also gleich doppelt einen ganz persönlichen Bezug zu dem Projekt. Im Dezember 2021 wurde das Einsatzzentrum in Betrieb genommen und hat sich seitdem bestens bewährt.
„Es ist nicht nur gut gelungen, den vermeintlich kleinen Platz optimal zu nutzen. Es ist auch optisch sehr schön geworden. Und am allerwichtigsten: die organisationsübergreifende Abwicklung hat sich maßgeblich verbessert. Man kennt sich, läuft sich über den Weg und rückt insgesamt näher zusammen. Ich habe diesbezüglich viele positive Rückmeldungen bekommen“, erzählt Ellmer.
Das Einsatzzentrum ist bereits fertiggestellt, etliche weitere Projekte befinden sich hingegen in oder kurz vor der Umsetzung. Zum Beispiel errichtet die Salzburg Wohnbau ein Gebäude für betreutes Wohnen, bei dem gerade die Ausschreibungsphase läuft. „Mit dem Bau wollen wir noch heuer anfangen. Im Herbst nächsten Jahres soll es fertig werden“, so Ellmer. Eine andere Baustelle ist die durchgehende Radwegverbindung von Wagrain nach Kleinarl.
„Derzeit ist ein 700m langer Abschnitt von der Gemeindegrenze Kleinarl Richtung Wagrain im Bau. Ist dieser fertiggestellt, fehlen nur noch ca. drei Kilometer. Für die sind wir in Verhandlungen mit den Grundeigentümern, denn nur ein Teil der Trasse wird straßenbegleitend sein. Wo das Gelände ansteigt, wird der Radweg etwas abseits verlaufen. Wir haben das Ziel 2024/2025 den vollständigen Lückenschluss geschafft zu haben.“
Wichtigstes Projekt - die Ortsumfahrung
Das mit Abstand wichtigste Projekt der letzten Jahrzehnte ist in Wagrain allerdings die Umfahrungsstraße, bzw. die Ortsentlastungsstraße, wie sie offiziell heißt. „Erste Pläne dafür gibt es schon seit 1988. Das war schon ein Thema als mein Vater Bürgermeister war“, erinnert sich Ellmer. „Damals war der Verkehr noch nicht so stark und die Zeit vielleicht noch nicht ganz reif.“
Mittlerweile ist der Verkehr allerdings ein echtes Problem, ganz besonders in den Tourismussaisonen, und dabei im Sommer fast noch mehr als im Winter.
„Dank des Schibusverkehrs läuft es im Winter noch besser. Im Sommer gibt es ein anderes Gästeverhalten und einen Ausflugsverkehr, den es im Winter nicht gibt“, erklärt Ellmer. „Im vergangenen Jahr, haben wir den Landesbeschluss erhalten, da die Landesstraße sozusagen verlegt wird. Dafür mussten wir als Gemeinde sehr viel Vorarbeit leisten, damit es überhaupt dazu kommt. Im Frühjahr fangen die wasserrechtlichen und naturschutzrechtlichen Verhandlungen an, und wenn nicht noch etwas Unlösbares auftaucht, wäre für Herbst der Baubeginn und für Sommer 2025 die Fertigstellung geplant.
Bauhof soll nicht mehr verstreut sein
Als nächstes steht ein neuer Bauhof am Programm. „Derzeit haben wir eigentlich keinen Bauhof in dem Sinne, wie man es sich vorstellt – ein größeres Gebäude mit Innenhof. Unsere Fahrzeuge sind derzeit auf sechs Standorte verteilt. Das sind teilweise alte Garagen und alte Gebäude. Mit Lagerflächen sind wir z. B. in der ehemaligen Atomic-Fabrik eingemietet. Dahingehend sind wir wirklich nicht gut aufgestellt.“
Auch hier soll der Bau diesen Frühling beginnen, doch während bei der Einsatzzentrale das Budget mehr als eingehalten wurde, sind durch die zwischenzeitliche Preisexplosion die Baukosten für den neuen Bauhof jetzt um 30 bis 40 Prozent höher als vor zwei Jahren kalkuliert. „Hier trifft uns die Teuerung massiv“, bedauert Ellmer.
Bei allen genannten Projekten, ist Ellmer eines besonders wichtig, nämlich fraktionsübergreifend zusammenarbeiten.
„Ich habe bei den Bauprojekten immer ein kleines Projektteam dabei. Von jeder Fraktion ist einer mit vertreten, damit wir alle Entscheidungen, und sei es nur die Auswahl des Bodenbelags, gemeinsam entscheiden können. Auch was die Abrechnungen und Kosten betrifft, kann man gleich und direkt kommunizieren, sodass jeder informiert ist. Es ist mir sehr wichtig, dass das in dieser Form funktioniert und man nicht hinten nach diskutieren masss, warum was wie passiert ist. Dieses Vorgehen hat sich in den letzten Jahren sehr gut bewährt.“
Genauso wird es auch sein, wenn kommendes Jahr der Ausbau, oder genauer gesagt die Aufstockung des Kindergartens ansteht. Vor allem für die Kleinkindbetreuung von Unterdreijährigen besteht in Wagrain Bedarf, und auch dem soll nach der erfolgreichen Vorgehensweise gedeckt werden.
Zur Person
Axel Ellmer
Alter: 43
Gemeinde: Wagrain
Einwohnerzahl: 3.116 (2022)
Bürgermeister seit: 29. August 2018
Partei: ÖVP