Die Justizanstalt in Leoben ist eine der modernsten Europas.

Wir haben ein Gefängnis in der Gemeinde

Wer will in seiner Gemeinde schon ein Gefängnis haben? KOMMUNAL hat sich auf Spurensuche in vier österreichische Gemeinden begeben, in denen Haftanstalten liegen. Wie gehen die Bürgermeister mit diesen Einrichtungen um? Und wie lebt die Bevölkerung damit?





Im Mai 2017 gab es 8286 Gefängnisinsassen, 529 davon sind weiblich. Die überwiegende Mehrheit befindet sich in Strafhaft (5937), 1871 in U-Haft und 859 Personen sind sogenannte „geistig abnorme“ sowie entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher. Die meisten sitzen dabei eher „kurze“ Haftstrafen ab: 41 Prozent haben eine Strafdauer von null bis einem Jahr, 43,8 Prozent „sitzen“ ein bis fünf Jahre. Eine Strafdauer von fünf bis zehn Jahren liegt bei zehn Prozent der Insassen vor, alle Strafdauern darüber hinaus machen etwas mehr als fünf Prozent aus.

Moderner Strafvollzug in Leoben



Männliche, weibliche und jugendliche Untersuchungshäftlinge sowie rechtskräftig verurteilte Strafgefangene mit einer Strafdauer von bis zu 18 Monaten sitzen zum Teil in Leoben ein. Damit sind sie in einem der modernsten Gefängnisse Europas untergebracht, denn es wurde 2005 völlig neu gebaut und bietet viel Freiheit nach innen und maximale Sicherheit nach außen. Davor war es im Ortszentrum in einem ehemaligen Dominikanerkloster untergebracht.



Als eine umfassende Modernisierung wegen zu großer Fluchtmöglichkeiten und Renovierungsbedürftigkeit nicht mehr vermeidbar war, brach eine Diskussion um den Standort aus. „Es bestand damals die Gefahr, dass wir das Landesgericht verlieren“, erinnert sich Leobens Bürgermeister Kurt Wallner. Die freie, große Wiese neben der Autobahn, die sein Vorgänger dem damaligen Justizminister anbot, überzeugte aber. „Der damalige stellvertretende und heutige Leiter der Justizanstalt hat das so gut organisiert, dass die Bevölkerung vom Umzug der Insassen nichts mitbekommen hat“, betont Wallner.







Heute befinden sich am Rande des Murtals in einem großen Komplex das Bezirks- und Landesgericht, das gerichtliche Gefangenenhaus sowie die Staatsanwaltschaft. Die Zuständigkeit erstreckt sich über die gesamte Obersteiermark. Der moderne Strafvollzug wird hier praktiziert, um möglichst vielen Straftätern einen guten Einstieg ins hoffentlich straffreie Leben zu ermöglichen.



Der Gemeinde bringt die Justizanstalt in Leoben viele Vorteile: „Das Gefängnis hat rund 200 Insassen und über 100 Bedienstete haben in Leoben ihren Hauptwohnsitz. Mit der Justizanstalt konnten wir in Leoben auch das Landesgericht halten und durch die Umwegrentabilität wird die Wirtschaft gestärkt, abgesehen davon, dass im Justizzentrum auch viele Leute Beschäftigung gefunden haben.“

Göllersdorfer Gefängnis seit Erstem Weltkrieg



Gutes Einvernehmen mit dem Leiter der Justizanstalt gibt es auch im niederösterreichischen Göllersdorf. In einem ehemaligen Schloss der Grafen Schönborn-Buchheim befindet sich die österreichweit einzige Justizanstalt für geistig abnorme unzurechnungsfähige Rechtsbrecher. Schon im Ersten Weltkrieg wurde das Schloss als Internierungslager genutzt, die weitere Nutzung als Gefängnis rief daher in der Gemeinde keine besonderen Widerstände hervor. Eine kurze Welle der Aufregung gab es Anfang der 1990er- Jahre, als die geistig abnormen Rechtsbrecher Freigang bekamen. „Das hat sich aber wieder gelegt, weil die Leitung der Justizanstalt das sehr verantwortungsvoll macht“, berichtet Bürgermeister Josef Reinwein.



Josef Reinwein, Bürgermeister von Göllersdorf: „Ich spüre die Haftanstalt nicht, wenn ich in der Gemeinde bin, sondern eher, wenn ich auf Urlaub fahre.“




Auch im Alltag gibt es wenige Berührungspunkte mit der Anstalt: „Das ist wie extraterrestrisches Gebiet. Von der Gemeinde her haben wir nur mit der JA im Bereich der feuerpolizeilichen Pflichten und der Notfallpläne zu tun. Ich spüre die Haftanstalt nicht, wenn ich in der Gemeinde bin, sondern eher, wenn ich auf Urlaub fahre und sage, wo ich herkomme. Dann verbindet jeder Göllersdorf mit dem Häfn.“



Finanziell bringen die 100 bis 200 Insassen der Gemeinde wenig, da viele in ihren jeweiligen Heimatorten hauptgemeldet sind. „Natürlich haben wir Vorteile durch die Zuzüge der Beschäftigten in der JA. Auch der Nahversorger profitiert vom Gefängnis. Ich bin auch froh, dass das Schloss Schönborn durch diese Maßnahmen erhalten, saniert und erweitert wird“, erzählt der Bürgermeister von den Vorteilen. Und die Nachteile? „Da fällt mir keiner ein“, so der Bürgermeister lapidar und verweist auf das gute Einvernehmen mit der Anstaltsleiterin.

Garsten: Keiner bekam Vereitelung des Massenausbruchs mit



Auch in der oberösterreichischen 6650-Einwohner-Gemeinde Garsten ist ein besonderes Gefängnis angesiedelt. „Bei uns sitzen die sogenannten schweren Jungs“, fasst Bürgermeister Anton Silber die Hauptgruppe bildlich zusammen. Das ehemalige Stift, in dem fast 400 männliche Strafgefangene, geistig abnorme zurechnungsfähige Rechtsbrecher und Untersuchungshäftlinge untergebracht sind, ist schon seit 1859 eine Justizanstalt.



„Das Kloster stammt noch aus dem Barock. Hier wird permanent investiert, um einen zeitgemäßen Vollzug zu garantieren. Der Vollzug ist sehr autonom und nicht sehr öffentlich, obwohl das Gebäude mitten im Ort steht“, weiß Anton Silber. Die Bürger haben selbst den erst kürzlich vereitelten Massenausbruchsversuch nur im Nachhinein mitbekommen. „Wir leben hier mit einem Gefühl der Sicherheit und nicht mit einem der Angst. Da gibt es keine große Emotionalität“, erzählt Silber. „Früher hat man mehr mitbekommen, dass man hier in einem Ort mit so großem Gefängnis wohnt, denn da haben die Straftäter noch heraußen gearbeitet. Heute gibt es das fast nicht mehr“, weiß der Ortschef.



Josef Reinwein, Bürgermeister von Göllersdorf: „Ich spüre die Haftanstalt nicht, wenn ich in der Gemeinde bin, sondern eher, wenn ich auf Urlaub fahre.“




Die Beschäftigungsmöglichkeiten haben sich ins Gebäude verlagert und bieten dort mit insgesamt 18 Arbeitsbetrieben und Werkstätten ein umfangreiches Beschäftigungsangebot. Viele Insassen verlassen die Anstalt mit einem Lehrabschluss oder einem Schulabschluss.



Dass die Bevölkerung so entspannt mit dem Gefängnis umgeht, mag auch daran liegen, dass viele dort ihren Arbeitsplatz haben. „Die Justizanstalt hat 150 Beschäftigte. Viele ziehen auch deswegen nach Garsten. Die lokalen Unternehmen profitieren, wenn sie Dienstleistungen erbringen, die die Anstalt in ihren Werkstätten selbst nicht leisten kann, und auch die Gemeinde profitiert. Zwei Drittel der Beschäftigten haben in Garsten den Hauptwohnsitz und auch die Gebühreneinnahmen sind nicht zu vernachlässigen. Die Kommunalsteuer ist hingegen ein eher vernachlässigbarer Faktor“, weiß der Bürgermeister.



Was man aus seiner Sicht noch verbessern könnte, ist der Informationsweg vom Ministerium und umgekehrt. „Ich würde mir wünschen, über zukünftige Entwicklungen informiert zu werden und würde mich umgekehrt über einen direkteren Draht ins Justizministerium freuen. Mit der Leitung der Justizanstalt gibt es hingegen eine gute Ansprechbasis vor Ort.“

Sonnberg: 400 Straftäter bei insgesamt 470 Einwohnern



Etwas mehr Aufregung in der Bevölkerung gab es anfangs im 470-Einwohner-Örtchen Sonnberg. 1955 wurde das Schloss vom damaligen Eigentümer Anton Habsburg-Lothringen an die österreichische Justizverwaltung verkauft. Damals war die Lage alles andere als einfach, erinnert sich der heutige Bürgermeister Erwin Bernreiter: „Die Bevölkerung Sonnbergs hatte natürlich Bedenken und hätte dort lieber das Projekt der Caritas, mit einem Kinder- und Seniorenheim gesehen. Allerdings gab es ein medinisches Gutachten, wonach das sumpfige Gelände ums Schloss (der Göllersbach war noch nicht reguliert) als ungeeignet für ein Erholungsheim gewesen wäre. Auch die damals noch eigenständige Gemeinde Sonnberg hätte den Kauf und die Sanierung des Schlossobjektes mit 25 Hektar Grund nicht finanzieren können.“



Im ersten Schritt errichtete die Justizverwaltung ein „Arbeitshaus“, eine Gärtnerei und Ähnliches, das der Justizanstalt Göllersdorf eingegliedert war. Erst in den 1970er Jahren wurde Sonnberg zu einer eigenständigen Justizanstalt. Um dem bis dahin in der Bevölkerung immer noch bestehenden Gefühl des „Unbehagens“ entgegenzuwirken, wurde eine hohe Mauer rund um die JA errichtet. „Damit kehrte Beruhigung und ein Gefühl der Sicherheit ein“, so Bernreiter.



Rund 400 erwachsene männliche Strafgefangene mit Freiheitsstrafen von 18 Monaten bis zu zehn Jahren sind seither in dem Ortsteil von Hollabrunn untergebracht. „Die Auswirkungen sind im Nachhinein durchwegs positiv. Im Gegensatz zu den Befürchtungen kam es beispielsweise durch Freigänger zu keinem Anstieg der Einbrüche. Im Gegenteil: Viele Bewohner finden dort einen sicheren Arbeitsplatz.“



Josef Reinwein, Bürgermeister von Göllersdorf: „Ich spüre die Haftanstalt nicht, wenn ich in der Gemeinde bin, sondern eher, wenn ich auf Urlaub fahre.“




Die Haftanstalt, in der beispielsweise auch Tony Wegas zu Abbüßung seiner Straftat saß, ist heute ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Gemeinde Hollabrunn, denn viele Güter des täglichen Bedarfs und Lebensmittel werden in der Region gekauft. „Außerdem konnte durch den Erwerb des Schlosses durch die Justizverwaltung dieses historische Gebäude vor dem Verfall gerettet werden – auch wenn es nicht öffentlich zugänglich ist“, betont Bernreiter.



Negative Erfahrungen in der Zusammenarbeit gibt es keine, wie der Bürgermeister erzählt: „Kommunikation und Gesprächsbasis sind hervorragend. So können alle relevanten Fragen rasch gelöst werden. Ich wünsche mir, dass es so bleibt. Die Gemeinde Hollabrunn und die JA Sonnberg sind auch Wirtschaftspartner – so liefert etwa die JA täglich Essensportionen, die von der Gemeinde an die Bezieher der Aktion „Essen auf Rädern“ zugestellt werden. Auch sind sogenannte Freigänger etwa im Bereich der Stadtwerke für die Stadtgemeinde tätig.“

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