Harald Mahrer: „Photovoltaik-Bürgerbeteiligungsmodelle zeigen, dass finanzielle Bürgerbeteiligung an öffentlichen Projekten funktioniert. Die Menschen investieren lieber in eine Photovoltaikanlage in ihrem Ort als in irgendeinen Südpazifik-Fonds.“ Foto: photonews.at/Georges Schneider

„Wer innovativ denkt, schafft Jobs, und das brauchen wir“

Das KOMMUNAL Sommer-Interview mit Staatssekretär Harald Mahrer dreht sich um den Mut für Unternehmensgründungen, die Förderschiene „Gründung am Land“ und die Abschaffung von Bargeld.

Herr Staatssekretär, die Initiative „Gründung am Land“ sollte im Oktober 2015 das Förderangebot für junge, innovative Unternehmen im ländlichen Raum stärken. Damals standen knapp eine Million Euro zur Verfügung. Wie sieht die Bilanz aus und was wurde genau gefördert?



Harald Mahrer: Die Bilanz ist extrem positiv. Wir hatten knapp 100 qualitativ hochwertige Bewerbungen aus ganz Österreich. Das zeigt, dass das Angebot goldrichtig war. Eine Expertenjury hat die besten 18 Projekte ausgewählt. Gerade im ländlichen Raum gibt es eine Menge kreative kluge Köpfe mit viel Unternehmergeist. Die wollen wir mit dem Programm belohnen und so Impulse in den Regionen setzen. Das schafft das, was wir im Moment am dringendsten brauchen: nämlich Jobs.



Also wurden neue Ideen gefördert, aus denen Unternehmen entstehen?



Genau das ist unser Anspruch. Dazu haben wir im Vorjahr die Gründerland-Strategie gemeinsam mit den Bundesländern auf den Weg gebracht, die wir Schritt für Schritt abarbeiten. In der Welt von morgen sollen deutlich mehr Menschen als heute unternehmerisch tätig sein und ihre Ideen Realität werden lassen. Wie viel Potenzial da zwischen Bregenz und dem Neusiedler See steckt, zeigen die ausgewählten Projekte: Vom umweltfreundlichen Zusatzantrieb für Fahrräder über den innovativen Handwerkscluster, neu beschichtete Holzplatten, die Gewinnung von pflanzlichen Wertstoffen bis hin zu einer neuen mobilen Erfassung von Arbeitszeiten, da waren hoch innovative Sachen dabei. Die Vielfalt und der Ideenreichtum in den Bundesländern ist beeindruckend. Denken Sie an runtastic. Das ist eines unserer erfolgreichsten Start-Ups. Und wo kommt es her? Aus Hagenberg und nicht aus der Großstadt.



Aus den knapp 100 Einreichungen hat eine Jury 18 Unternehmen ausgewählt, die jeweils bis zu 50.000 Euro Förderung erhalten. Nach welchen Kriterien hat die Jury entschieden und wie hat diese sich zusammengesetzt?



Die Förderung wird über die aws abgewickelt, und zwar im neuen Stil. Wir haben das Fördersystem umgestellt, weg vom Gießkannenprinzip hin zum Exzellenzprinzip. Das bedeutet, dass jene die Unterstützung erhalten, die die hohen Kriterien der Jury erfüllen. Der Innovationsanspruch war entscheidend für die Zusage: entweder es musste etwas komplett Neu oder etwas signifikant besseres sein.



Gibt es eine zweite Runde des Programms?



Ja, das Programm war so ein großer Erfolg, dass wir für die nächsten vier Jahre rund vier Millionen Euro dafür gesichert haben.



An wen hat sich das Programm „Gründung am Land“ gerichtet?



Einerseits an junge Gründerinnen und Gründer, die mit ihren Ideen noch ganz am Anfang stehen. Andererseits auch an bestehende Unternehmen, die jünger sind als fünf Jahre. Mir ist es ein echtes Anliegen, dass wir technisch-innovativen Projekten quer durch ganz Österreich beim Wachsen helfen. Wir unterstützen ja gezielt Unternehmerinnen und Unternehmer, die in ihre Ideen investieren wollen. Das bringt wirtschaftlichen Schwung in die Regionen. Investitionen sind das beste Rezept für neue Jobs. Davon profitiert das ganze Bundesland.



Glauben Sie, dass die Gründerland-Initiative gemeinsam mit der „Digital Roadmap“ ein Signal gegen den anhaltenden Bevölkerungsrückgang am Land ist?



Es gibt ein chinesisches Sprichwort: Selbst für eine tausend Meilen weite Reise musst du den ersten Schritt setzen. Die beiden Initiativen stehen genau für diese ersten Schritte. Sie tragen dazu bei, dass die Rahmenbedingungen und die Infrastrukturausstattung in den Bundesländern besser wird. Das Thema Breitband und Zugang zu hochleistungsstarkem Internet ist ganz zentral. Da geht’s nicht nur darum, dass ich E-Mails verschicken kann. In unserer digital vernetzen Welt kann ich heute von überall aus tätig sein. Entscheidend ist, dass mein Internetanschluss genug Power hat. Ich bin überzeugt davon, je besser die Rahmenbedingungen in den Regionen sind, umso mehr werden die Leute ihr Unternehmen daheim groß ziehen oder wieder dorthin zurückkehren.



Die digitale Strategie der Regierung konnte im Internet von jedem kommentiert werden. Welche Ideen und Anregungen kamen von den Bürgerinnen und Bürgern?



Mir ist aktive Bürgerbeteiligung extrem wichtig, deswegen haben wir den Prozess auch so offen aufgesetzt. Die Zeit, wo Politiker abgeschottet in ihrem Elfenbeinturm Projekte entworfen haben ist vorbei. Wir haben acht Millionen kluge Köpfe in diesem Land. Diese Brainpower nicht zu nutzen, wäre ein Fehler. Die „Digital Roadmap“ ist schon die dritte Strategie, bei der alle eingeladen waren, ihre Ideen einzubringen. Und es hat sich absolut ausgezahlt. Mehr als 600 User haben über 2.200 Kommentare abgegeben. In jedem der neun abgefragten Handlungsfelder wie etwa Bildung oder Jobs der Zukunft hat es zielführende und gut durchdachte Inputs gegeben. Wir sind gerade dabei, sämtliche Inhalte zu bewerten und in die „Digital Roadmap Austria“ einzuarbeiten. Bis Jahresende wird der Fahrplan stehen, der Österreich auf die digitale Überholspur bringt.



Das Crowdfunding-Gesetz ist noch kein Jahr alt. Wie ist die erste Bilanz? War es ein Erfolg?



Absolut! Im ersten Halbjahr, seit das Gesetz in Kraft ist, wurden über die österreichischen Crowdfunding-Plattformen über zehn Millionen Euro eingesammelt. Ein neuer Rekordwert. Das dokumentiert, dass wir mit dem Gesetz genau richtig liegen. Unsere Prognosen zeigen, dass sich der steile Aufwärtstrend in den nächsten Monaten fortsetzen wird. Wir sind damit Spitzenreiter in der EU. Andere Länder, wie beispielsweise Deutschland, beneiden uns um dieses Gesetz. Es ist für alle Branchen und unterschiedlichste Projekte interessant. Vom kleinen innovativen heimischen Start-up bis hin zu bekannten österreichischen Fußballvereinen wie Rapid oder Austria nützen Institutionen die neuen Finanzierungsmöglichkeiten.



Können auch Gemeinden Crowdfunding-Projekte starten?



Ja. Bestes Beispiel dafür sind die Photovoltaik-Bürgerbeteiligungsmodelle in den Gemeinden. Diese Modelle zeigen, dass finanzielle Bürgerbeteiligung an öffentlichen Projekten funktioniert. Die Menschen investieren lieber in eine Photovoltaikanlage in ihrem Ort als in irgendeinen Südpazifik-Fonds. Das schafft Vertrauen und sichert Jobs in der Region. Was mir ganz wichtig ist: Beim Crowdfunding-Gesetz geht es nicht nur um Start-ups, sondern auch um die vielen Klein- und Mittelbetriebe, denen damit eine neue Finanzierungsform zur Verfügung steht. Das heißt, es können sich Herr und Frau Österreicher an mittelständischen Unternehmen in ihrer Region mit kleinen Beiträgen beteiligen. Die Menschen kennen diesen Unternehmer meist persönlich. Sie wissen, wie es dem Unternehmen geht und wie der Unternehmer tickt. Von diesem Vertrauen profitieren dann auch die Gemeinden, weil ihre Unternehmen Geld zur Finanzierung neuer Projekte haben, Jobs im Ort entstehen und natürlich Steuern gezahlt werden. Selbstverständlich können auch die Gemeinden im Rahmen der Gesetze selber entsprechende Projekte entwickeln und durch Crowdfunding und Co finanzieren. Die Bürgerbeteiligung ist meiner Meinung nach nicht nur ein demokratiepolitisches Modell sondern auch ein wirtschaftliches. Wobei auch klar ist: Crowdfunding ist immer ein Risiko-Investment und kein Sparbuch.



Ganz anderes Thema, Bargeld: Warum setzen sie sich so vehement gegen die Abschaffung des Bargelds ein?



Bargeld ist für mich ein Stück geprägte und gedruckte Freiheit. Das Recht auf Privatsphäre und Anonymität beim Bezahlen muss garantiert und geschützt werden, gerade in einem digitalen Zeitalter muss das ein elementares Grundrecht sein. Was wir brauchen ist ein gläserner Staat und nicht einen gläsernen Bürger. Außerdem halte ich die Gegenargumente für vorgeschoben. Weder Terrorismusfinanzierung noch Steuerbetrug können mit Bargeldobergrenzen oder der Abschaffung großer Scheine verhindert werden. Und auch die Geschichten von Personen, die mit dubiosen Koffern voller Geld herumlaufen halte ich für eine Mär. Statt sich an den Obergrenzen, die es derzeit in Italien, Frankreich oder Spanien bereits gibt, zu orientieren, soll man sich die Schweiz als Vorbild nehmen.



Sie haben unlängst den 1000-Euro-Schein gefordert. Die EZB schafft nun den 500er Schein ab. Ist das Vorgehen der europäischen Zentralbank richtig?



Aus meiner Sicht nicht! Einfach erklärt: den Franken gibt es auch als 1000er-Schein. Dies entspricht einem Wert von ca. 900 Euro. Der Schweizer 1000er Schein wird auf der ganzen Welt zu 2/3 als sichere Währungsreserve gehortet. Wenn ich will, dass der Euro eine echte Weltwährung wird, muss ich Interesse daran haben, dass große Transaktionen in anderen Ländern in Euro durchgeführt werden. Die EZB sollte also den umgekehrten Weg andenken und überlegen einen 1000-€-Schein einzuführen. Die Banken haben derzeit große Schwierigkeiten, Geld in Umlauf zu bringen. Die EZB sollte sich den Kopf zerbrechen, wie man das verbessert und nicht beim Bürger ansetzen und die Schritte zur totalen Überwachung einzuleiten. Auch branchenspezifische Bargeld-Limits, wie es sie etwa im Bau gibt, halte ich nicht für sinnvoll. Man unterstellt damit einer ganzen Branche, dass sie Verbrecher sind. Und das sind sie nicht!

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