Energieexperte Roland Kuras mit Immo Reder (Geschäftsführer W.A. Richters Söhne) und Hans-Christian Pichler (PowerSolution) bei der Errichtung der ersten Anlage der Wiener Grätzl Energiegemeinschaft.
© PowerSolution

Tipps für die Gründung einer Energiegemeinschaft

Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, Erneuerbare Energiegemeinschaft oder Bürgerenergiegemeinschaft sind Schlagworte, die uns jetzt schon länger begleiten. Dieser Beitrag soll vermitteln, was unter Energiegemeinschaften zu verstehen ist, wie sie gegründet werden und welche erfolgreichen Praxisbeispiele es schon gibt.

Vereinfacht gesagt handelt es sich bei Energiegemeinschaften um einen Zusammenschluss von zumindest zwei Teilnehmern zur gemeinsamen Produktion und Verwertung von Energie. Schon mit der „kleinen Ökostrom-Novelle 2017“ wurde in Österreich die Möglichkeit geschaffen, dass mehrere Personen auf einem Grundstück gemeinschaftlich Strom produzieren und verwerten können, und zwar über sogenannte gemeinschaftliche Erzeugungsanlagen. Von dieser Möglichkeit wurde aber in der Vergangenheit nur wenig Gebrauch gemacht.

Das Modell der Energiegemeinschaften reicht deutlich weiter: Seit Inkrafttreten des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG) vor knapp zwei Jahren ist es möglich, dass sich Personen zusammenschließen und über Grundstücksgrenzen hinweg Energie produzieren, speichern, verbrauchen und verkaufen.

Erneuerbare Energiegemeinschaft und Bürgerenergiegemeinschaft

Es gibt dabei zwei Modelle: die lokal beschränkte Erneuerbare Energiegemeinschaft (EEG), die nur innerhalb des Konzessionsgebiets eines Netzbetreibers agieren darf, und die innerhalb Österreichs geografisch unbeschränkte Bürgerenergiegemeinschaft (BEG).

Mitglieder einer EEG können Private, Gemeinden oder auch KMUs sein – mit oder auch ohne eigene Erzeugungsanlagen. Der EEG steht es frei, die Kosten für die gemeinsam produzierte und verwertete Energie selbst festzusetzen, die Gewinnerzielung darf aber nicht im Vordergrund stehen. Energie, die nicht innerhalb der Gemeinschaft erzeugt werden kann, erhalten die Mitglieder von den bisherigen Energielieferanten.

Die optimale Rechtsform

Eine Energiegemeinschaft kann als Verein, GmbH, AG oder Genossenschaft gegründet werden. Entscheiden sich die Gründer für eine Genossenschaft, erhalten sie umfassende rechtliche Beratung und Unterstützung bei der Ausarbeitung der Gründungsunterlagen - von der Satzung über den Businessplan bis hin zur Firmenbucheinreichung - durch den Revisionsverband. Einem solchen muss jede Genossenschaft angehören. Beim Österreichischen Genossenschaftsverband (ÖGV) ist die Gründungsberatung und -begleitung mit keinen Kosten verbunden.

Die Genossenschaft steht für kooperatives Wirtschaften. Sie basiert auf dem Prinzip, dass die Mitglieder zugleich Eigentümer und Kapitalgeber einerseits und Kunden und damit Leistungsbezieher andererseits und im Fall von Energiegenossenschaften auch Lieferanten sind. Eine Genossenschaft ist ihren Mitgliedern über den sogenannten Förderauftrag verpflichtet. Das bedeutet, dass eine Genossenschaft nicht primär auf Gewinnerzielung und -maximierung ausgerichtet ist, sondern den Mitgliedern durch ihr Auftreten am Markt einen wirtschaftlichen Vorteil bringt. Bei einer Energiegemeinschaft besteht dieser Förderauftrag darin, den Mitgliedern den Austausch von erneuerbarer Energie zu ermöglichen.

Die Beraterpraxis zeigt, dass die Genossenschaft in den meisten Fällen die ideale Rechtsform für Energiegemeinschaften ist. Lediglich dann, wenn geplant ist, dass sich der Kreis der Mitglieder auf eine sehr kleine Zahl beschränken soll und keine Investitionen geplant sind, kann sich ein Verein aufgrund der geringeren laufenden Kosten als bessere Rechtsform erweisen.

Aber immer dann, wenn vorgesehen ist, dass eine Vielzahl an Mitgliedern beteiligt sein soll und die Energiegemeinschaft Investitionen in Gemeinschaftsanlagen tätigt oder den Mitgliedern Gelder (etwa über Bürgerbeteiligungsmodelle) zur Errichtung eigener Anlagen zur Verfügung stellen soll, ist der Genossenschaft der Vorzug zu geben, insbesondere aufgrund der Revision durch den Verband, die wirtschaftliche Sicherheit gibt.

Eine GmbH scheidet in den meisten Fällen als geeignete Rechtsform aus - und zwar immer dann, wenn nach erfolgter Gründung der Kreis der Mitglieder stark erweitert werden soll. Denn bei einer GmbH muss schon bei der Gründung das Stammkapital festgelegt werden. Soll später ein neues Mitglied aufgenommen werden, dann muss entweder einer oder mehrere Gesellschafter einen Teil des eigenen Geschäftsanteils abtreten, oder das Stammkapital muss erhöht werden.

Die Gründung einer Energiegenossenschaft

Der erste Schritt zur Gründung einer Energiegenossenschaft ist die Kontaktaufnahme mit dem Revisionsverband. In der Folge wird meist eine Informationsveranstaltung vor Ort abgehalten, zu der alle Interessierten eingeladen werden. Aus diesem Kreis bildet sich dann in der Regel ein kleineres Projektteam, das gemeinsam mit dem Revisionsverband die für die Gründung notwendigen Unterlagen wie Satzung und Businessplan ausarbeitet. Sobald diese Unterlagen fertiggestellt sind, kann die Gründung erfolgen. 

Mit der Gründung wird die Energiegenossenschaft rechts- und handlungsfähig und kann beispielsweise Dienstleister mit der Unterstützung beim weiteren Aufbau beauftragen.

Zuerst sind eine Registrierung als Marktteilnehmer und die Anmeldung beim Netzbetreiber notwendig. Weiters sollten im Rahmen der Gründung auch innergemeinschaftliche Aspekte wie Aufteilungsschlüssel und Abrechnung geklärt werden. Im letzten Schritt erfolgt die Anbindung an die Marktkommunikation. Hier werden die Strommengen der innergemeinschaftlichen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen übermittelt.Diese Daten sind unter anderem für die Abrechnung wichtig. 

Best-Practice-Beispiele

  • Die WEG-Grätzl Energiegemeinschaft mit dem Sitz in Wien war eine der ersten EEG, die in der Rechtsform der Genossenschaft mit Unterstützung des Österreichischen Genossenschaftsverbandes gegründet wurde. Ziel ist eine flächendeckende und nachhaltige Energieversorgung über Fotovoltaikanlagen. Bei der Grätzl Energie können die Mitglieder nicht nur als Verbraucher oder Produzenten, sondern auch als Verpächter ihres eigenen Dachs Teil der Energiewende werden. 
     
  • Ebenfalls eine Vorreiterrolle nimmt die KEM-Region Ebreichsdorf ein. Ausgehend von der Gemeinde Tattendorf wurde in dieser Region eine Service- und Dienstleistungsgenossenschaft gegründet, die Erneuerbare Energiegemeinschaft Thermenstrom, die für alle in den einzelnen Gemeindegebieten der Region bereits gegründeten und noch geplanten regionalen Energiegenossenschaften sämtliche Abwicklungs- und Planungstätigkeiten erbringt.