Zerschnitte Euroscheine vor Grünflächen
Seit nahezu vierzig Jahren kommt der Bund seiner Verpflichtung, die Einheitswerte als Grundlage für die Grundsteuer neu zu erfassen, nicht nach. Bei den derzeitigen Vorgaben des Bewertungsgesetzes auch kein Wunder. Foto: Shutterstock

Kann der große Wurf noch gelingen?

Die Erwartungshaltungen an einen neuen Finanzausgleich sind groß. Erwartet wird mehr Gerechtigkeit, mehr Transparenz, weniger Bürokratie und die Ausstattung mit ausreichenden Mitteln für die zu besorgenden Aufgaben. Angekündigt war eine große Reform.

Aber wie schauen die Aussichten aus, dieses Vorhaben umzusetzen?

Dies vor dem Hintergrund, dass es weniger Geld zu verteilen gibt. Die Steuerreform zeigt ihre Auswirkungen und die stockende Konjunktur bringt nur ein moderates Wachstum der Steuereinnahmen, gleichzeitig müssen zur Erreichung der Stabilitätsziele Budgetdefizite abgebaut werden.



Insgesamt denkbar schlechte Voraussetzungen. Trotz vieler Sitzungen und intensiver Diskussion ist man noch nicht wirklich viel weiter gekommen. Kein einziges Thema konnte abschließend behandelt werden. Zu berücksichtigen ist zusätzlich, dass der Finanzausgleich nicht dazu dienen kann, eine Kompetenzbereinigung beziehungsweise -neuordnung zu bewirken. Das, woran der Österreichkonvent letztlich gescheitert ist, kann nicht durch den Finanzausgleich nachgeholt werden. All dies erleichtert  nicht die Umsetzung einer großen Reform.

Noch kein konkretes Modell zur Abgabenautonomie



Einzelne Themenblöcke wurden in Arbeitsgruppen diskutiert und bearbeitet, ohne jedoch bis dato ein konkretes Ergebnis zu erzielen. Ein Bereich ist die sogenannte Abgabenautonomie. Immer wieder wird ein Zusammenführen von Ausgaben und Einnahmenverantwortung gefordert. Das Schweizer Modell wird als Vorbild genannt. Ein konkretes Modell wurde bisher jedoch noch nicht vorgestellt. Angedacht wird ein Zuschlagsmodell, wonach Länder entsprechend ihrem Anteil an den Ertragsanteilen die Steuern durch einen Zuschlag selbst festlegen können. Weder sind die einzelnen Steuern konkretisiert, noch die Höhe des Zuschlags. Nicht diskutiert ist, ob der Landeszuschlag auch den Gemeindeanteil umfassen soll. Damit ist auch die Frage offen, wie die Verteilung innerhalb der Länder und Gemeinden erfolgen soll. Überhaupt nicht angedacht ist, wie ein Ausgleich zwischen den aufkommensstarken und aufkommensschwachen Ländern und Gemeinden erfolgen soll. Ein Finanzausgleich zwischen den Ländern und den Gemeinden innerhalb jedes Bundeslandes wäre damit erforderlich.



Nicht berücksichtigt sind die von vielen Experten geäußerten kritischen Argumente. Mehr Bürokratie für Steuerpflichtige aber auch bei der Aufteilung der Steuereinnahmen. Dies alles vor dem Hintergrund, dass europaweit eine Vereinheitlichung der Steuersysteme angestrebt wird. Widersprüchlich wird die Abgabenautonomie auch öffentlich diskutiert. Auf der einen Seite wird das Fehlen kritisiert, auf der anderen Seite gibt es genauso Kritik an bestehender Abgabenautonomie der Gemeinden. Zuletzt wurde das Beispiel – noch dazu nicht richtig wiedergegeben – der 2100 unterschiedlichen Lustbarkeitsabgaben in den Gemeinden Österreichs hervorgehoben.



Auch der Bund hat eine gespaltene Haltung zur Abgabenautonomie. Einerseits will man Abgabenautonomie schaffen, andererseits wird die Abgabenautonomie dort, wo sie besteht, abgelehnt bzw. nicht ermöglicht. Konkretes Beispiel dafür ist die Grundsteuer. Seit nahezu vierzig Jahren kommt der Bund seiner Verpflichtung, die Einheitswerte als Grundlage für die Grundsteuer neu zu erfassen, nicht nach. Bei den derzeitigen Vorgaben des Bewertungsgesetzes auch kein Wunder. Um dem Rechnung zu tragen, wurde von Städtebund und Gemeindebund ein Modell entwickelt und dem Bund vorgelegt. Nahezu drei Jahre wurde „geprüft“, um nun zu dem Ergebnis zu kommen, dass dieses Modell, da ein Mitwirken der Finanzbehörden erforderlich ist, nicht umsetzbar ist.



Der Bund verweigert somit sein Mitwirken und hat für diese Erkenntnis drei Jahre gebraucht. Gemeinde- und Städtebund haben nun vorgeschlagen, nach einfachen Kriterien die Bewertung selbst vorzunehmen, um die Finanzbehörden zu entlasten. Eine Arbeitsgruppe sollte eingesetzt werden, um die Anknüpfungspunkte festzulegen und einen genauen Zeitplan zu erarbeiten. Doch auch hier ist der Bund sehr skeptisch und nicht bereit, sich darauf einzulassen. Betrachtet man dies, muss man zur Auffassung gelangen, dass es mit der Absicht, mehr Abgabenautonomie für Länder und Gemeinden zu schaffen, eigentlich nicht weit her ist.

Aufgabenorientierung am Beispiel der Kleinkinderbetreuung



Ähnlich sieht es beim Thema Aufgabenorientierung aus. Die Grundthese lautet, dass die Mittel der Aufgabenerfüllung folgen sollen. Untersucht wurde der Bereich der Kleinkindbetreuung. Sehr bald ist man jedoch zum Ergebnis gelangt, dass die landesweiten Regelungen und Finanzierungsströme zu unterschiedlich sind. Wie soll die Betreuung durch Private (Vereine oder Betriebe) mitberücksichtigt werden?



In Niederösterreich wird beispielsweise das pädagogische Kindergartenpersonal vom Land bereitgestellt. Soll nach Gruppen, pro Kopf, nach Öffnungszeiten und Angebot etc. abgerechnet werden? Zu viele und unterschiedliche Indikatoren. Vorgeschlagen wurde daher, sich dem Thema der Nachmittagsbetreuung an Schulen zuzuwenden. Hier wurde zu Recht darauf verwiesen, dass die derzeitige Situation mit unterschiedlichen Dienstgebern und Führungsverantwortlichen dem Betrieb in der Schule nicht zuträglich ist. Untersuchungen darüber fehlen aber. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Bund die Aufgabenorientierung so versteht, dass von Bundesseite die Vorgaben erfolgen und die Länder und Gemeinden die Aufgaben zu erfüllen und zu finanzieren haben. Der Bund legt die Standard- und Rahmenbedingungen fest, wie dies zum Beispiel mit Mindeststandards in der Elementarpädagogik versucht wird. Anstatt Freiräume und Autonomie zu gewähren, erfolgen beständig neue Aufgabenübertragungen, die auch zu finanzieren sind. Die Eisenbahnkreuzungs-Verordnung ist ein Musterbeispiel dafür. Dies zieht sich durch sämtliche Kompetenzfelder und umfasst kostenintensive Bereiche, aber auch viel bürokratischen Kleinkram. Vom Ärzte-Arbeitszeitgesetz, über die Einmelde-Verordnung der Regulierungsbehörde bis hin zum Ausbildungspflichtgesetz. Statt dass die Schulpflichtmatriken, die von den Gemeinden zu führen sind, endlich abgeschafft werden, werden viermal jährlich neue Meldepflichten eingeführt.



Ähnlich sieht es bei den Bereichen Gesundheit und Pflege aus. Ein Kostendämpfungspfad soll für beide Bereiche festgelegt werden. Bei der Beseitigung von Kostentreibern ist der Bund aber säumig. Noch viel absurder ist jedoch der Kostendämpfungspfad im Pflegebereich. Patienten sollen schneller aus dem stationären Bereich entlassen werden und landen dann zwangsläufig in der Pflege. Dort tragen die Kosten wieder Länder und Gemeinden. Die demographische Entwicklung hier außer Acht zu lassen, erscheint aber fast fahrlässig. Selbst wenn Einsparungen erzielt werden können, werden die Ausgaben deswegen steigen, da einfach in Zukunft mehr Menschen wegen der Überalterung unserer Gesellschaft betreut werden müssen. Dass eine Kostenbremse hier nicht eingehalten werden kann, ist schon jetzt erkennbar. Aber die Folgen sollen dann Länder und Gemeinden tragen.



Zu guter Letzt zwei Bereiche, wo Lösungen ebenfalls noch anstehen. Um der Forderung der Abschaffung des ABS nachzukommen, wird versucht, unter einem anderen Titel den großen Gemeinden wieder mehr Geld zukommen zu lassen. Schlagwort zentralörtliche Aufgaben und überregionale Versorgungsfunktion. Taugliche Indikatoren konnten aber selbst von Fachexperten nicht gefunden werden, die die Belastung, die mit derartiger Aufgabenerfüllung einhergeht, widerspiegelt. Neuerhebungen und Quantifizierung wären erforderlich. Darüber hinaus finden Standortvorteile und Leistungen, die durch Bund oder Land finanziert werden, wie Infrastrukturleistungen (Autobahnanschluss oder Anschluss an das hochrangige Verkehrsnetz), genauso wenig Berücksichtigung, wie Investitionen in diverse Kultureinrichtungen. Die Nachvollziehbarkeit eines derartigen Systems bleibt auf der Strecke.



Zuletzt soll der Strukturfonds als Forderung des Gemeindebundes für Abwanderungsgemeinden und strukturschwache Regionen genannt werden. Notwendig wäre, und das ist auch unsere Forderung, dass der Bund hierfür zusätzliche Mittel bereitstellt. Aufbauen könnte man auf Einrichtungen, die in den Ländern bereits bestehen. Der Bund will jedoch einen beim Bund angesiedelten Fonds neu schaffen und die Finanzierung soll darüber hinaus aus Gemeindemitteln erfolgen und damit auch die Steuerung Richtung Bund verlagert werden. Der Bund legt also fest, wer strukturschwach ist, was gefördert wird, und das Ganze mit Gemeindegeld. Das dem nicht zugestimmt werden kann, liegt auf der Hand.



Es ist daher Skepsis bei der Frage angebracht, ob die große Reform noch gelingen kann. Es besteht der Verdacht, dass der Bund den neuen Finanzausgleich dazu nutzen will, mehr zentrale Steuerung einzuführen, aber die Finanzierungsverantwortung auf Länder und Gemeinden zu verschieben. Allzu viel Zeit für eine vernünftige Reform besteht nicht mehr.