Papierschiff im Rinnstein
Die versiegelten Flächen stellen die Straßenentwässerung vor neue Herausforderungen.
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Entwässerung im Straßenbau

Was passiert eigentlich mit all dem Regenwasser, das von der Straße abgeleitet wird? Nur wenige kennen die korrekte Antwort. Noch spannender ist die Frage, was im Idealfall mit dem Regenwasser passieren müsste.

In den Gemeindeverwaltungen kennt man die Antworten, immerhin fällt der allergrößte Teil von Österreichs Straßen in ihren Verantwortungsbereich. Von bundesweit rund 130.000 Straßenkilometern sind gut 94.000 Kilometer Gemeindestraßen, stolze 72 Prozent also.

Eine enorme Verkehrsfläche – auch im internationalen Vergleich. Während es umgerechnet für jeden Österreicher 15 Meter Straße im Land gibt, sind es etwa in Deutschland nur 9 Meter oder in der Schweiz 5 Meter pro Kopf. Es kostet viel, dieses Streckennetz instand zu halten. Der Sanierungs- bzw. Investitionsrückstau im Straßenbau ist chronisch. Dennoch wird eifrig weitergebaut. So kam es, dass die heimischen Gemeinden vergangenes Jahr über 1,5 Milliarden Euro für den Erhalt und Ausbau ihrer Verkehrsflächen ausgaben.

Zehn Jahre zuvor war es noch ca. eine Milliarde Euro. Durch die eifrige Bautätigkeit wird stetig Boden versiegelt. Während Österreichs Bevölkerung in den letzten 20 Jahren um 9 Prozent anstieg, waren es beim Flächenverbrauch im gleichen Zeitraum ganze 25 Prozent. Natürlich geht diese fortschreitende Versiegelung des Bodens nicht nur auf die Kappe des Straßenbaus, ein signifikanter Teil davon allerdings schon. 

Die versiegelten Flächen sind es unter anderem auch, die die Straßenentwässerung vor neue Herausforderungen stellen. Zum einen fließt über mehr versiegelten Boden auch mehr Wasser ab, weshalb mit einer höheren Spitzenbelastung gerechnet werden muss. Zum anderen sinkt der natürliche Grundwasserspiegel und an der Oberfläche herrschen Trockenheit und Hitzestress. Weiters werden laut Klimaprognosen zukünftig vor allem zwei Arten von Extremereignissen verstärkt aufzutreten – Trockenperioden und Starkregen.

Beide Effekte sind das Ergebnis steigender Temperaturen. Klimawandel und Bodenversiegelung lassen die Anforderungen an die Straßenentwässerung also ansteigen. Noch komplizierter wird das Ganze dadurch, dass das Regenwasser von Verkehrsflächen stark belastet ist: mit Mikroplastik in Form von Reifenabrieb, Feststoffpartikeln, Feinstaub, Leichtflüssigkeiten, gelösten Schwermetallen und einigem mehr. 

Wie mit dem Oberflächenabfluss umgegangen wird

Grob gesagt gibt es drei Möglichkeiten, mit dem Oberflächenabfluss umzugehen. Entweder man leitet das Wasser ab, etwa über die Kanalisation und weiter in ein Fließgewässer, oder man lässt das Wasser versickern, oder aber man sammelt es.

Welche dieser drei Optionen überhaupt in Frage kommen, gibt der Grad der Schadstoffbelastung vor, der in einer fünfstufigen Skala eingeordnet werden kann. Je nach Stufe sind keine bis hin zu aufwendigen Behandlungs- und Filtrierverfahren notwendig. 

Nachdem die Bodenversiegelung den Grundwasserspiegel sinken lässt und Trockenheit begünstigt, ist ein Ableiten des Oberflächenwassers in der Regel nicht die beste Lösung. Im Idealfall lässt man an Ort und Stelle möglichst viel Regenwasser versickern – vorausgesetzt natürlich, es ist sauber. Bei vielen Verkehrsflächen ist es das ganz und gar nicht.

Behandlungsanlagen zur Reinigung von Niederschlagswasser

In diesen Fällen sollten Behandlungsanlagen zur Reinigung von Niederschlagswasser eingesetzt werden. Diese unterirdischen Vorrichtungen können zum Beispiel als Sickerschacht oder als ein Versickerungsbehälter mit Filter ausgeführt sein. Die Komponenten dafür werden bereits vorgefertigt zur Baustelle geliefert und sind statisch so ausgelegt, dass keine Fundamente nötig sind, und sie sind so belastbar, dass die komplette Fläche darüber befahrbar ist. Abhängig von einer fünfstufigen Klassifizierung der Abflussfläche werden Systeme mit Rasen, mineralischem Filter, technischem Filter, Bodenfilter oder einer Kombination aus diesen eingesetzt. 

Eine typische unterirdische Reinigungs- und Versickerungsanlage besitzt zur Vorreinigung eine Sedimentationsanlage, die Feststoffe zurückhält, sowie einen Gewässerschutzfilter, der unter anderem Schwermetalle und feine abfiltrierbare Stoffe wie Reifenabrieb entfernen kann. Sind ­Verunreinigungen mit Öl- oder Treibstoffresten zu erwarten, kommt ein Mineralölabscheider hinzu. Die Kombination aus Sedimentation, Filtration und Adsorption reinigt das Wasser wirkungsvoll vor dem Versickern. 

Zunehmend häufiger werden anstatt Versickerungs- auch Speicheranlagen gebaut. Diese sind nicht mit Regenrückhalteräumen gleichzusetzen, bei denen die Entleerung innerhalb weniger Stunden stattfinden soll, sondern hier wird das Wasser auch über längere Trockenphasen zwischengespeichert. Solche Anlagen können technische Bauwerke wie etwa Zisternen sein oder naturnahe Strukturen, wie es beispielsweise Teiche sind. Diese Speicher stellen sowohl Rückhaltevolumen ­bei Starkregen als auch Wasser für Trockenzeiten bereit. 

Egal ob Speicher oder Versickerungsanlage, die Einrichtungen brauchen in jedem Fall eine regelmäßige Kontrolle und Wartung. Die wiederkehrenden Kosten für die Instandhaltung müssen daher auch langfristig miteingeplant werden. 

Baumrigole
Neben etablierten Verfahren der Regenwasserbewirtschaftung wie Zisternen und Versickerungsanlagen gibt es Neuentwicklungen, die gezielt auf den Ausgleich zwischen dem notwendigen Re­­ten­tionsraum bei Starkregen einerseits und dem Wasserspeicher für Trockenzeiten andererseits abzielen. Ein entsprechendes Wirkprinzip realisieren Baumrigolen – ersichtlich in der Prinzipskizze einer Baumrigole nach der Ingenieurgesellschaft Prof. Dr. Sieker. Bild: VS Haselstauden