Die Bedeutung der überörtlichen Raumordnung einschließlich der regionalen Leitplanung soll gestärkt werden.
© Francesco Scatena – stock.adobe.com

Die neue niederösterreichische Raumordnung

Der niederösterreichische Landtag hat in seiner Sitzung am 22. Oktober 2020 die Änderung des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 beschlossen. Die Schwerpunkte der Novelle im Überblick.

Zur Absicherung der Erlassung oder Änderung überörtlicher Raumordnungsprogramme wurde bereits mit Landtagsbeschluss vom 2.7.2020 eine „Widmungsbeschränkung“ bis längstens 31.12.2023 geschaffen. Dadurch sollen die geplanten überörtlichen Festlegungen (regionale und sektorale Raumordnungsprogramme, darin enthalten Eignungszonen für betriebliche Nutzungen) nicht unterlaufen werden. Mit der Novelle wurde diese „Widmungsbeschränkung“ für die Gemeinden nunmehr erleichtert. 

Beschränkt sind insbesondere

  • die erstmalige Widmung von Wohnbauland im Ausmaß von insgesamt mehr als 2 Hektar (Landtagsbeschluss vom 2.7.2020 war ursprünglich 1 Hektar zulässige Flächensumme),
  • die erstmalige Widmung von Bauland-Betriebsgebiet und Bauland-Industriegebiet im Ausmaß von insgesamt mehr als 2 Hektar.

Die Höchstmaße im Bauland dürfen jeweils zweimalig ein weiteres Mal ausgeschöpft werden, wenn nachgewiesen wird, dass für mindestens 70 Prozent der dort befindlichen Bauplätze Baubewilligungen rechtskräftig erteilt wurden.

Widmungen für öffentliche oder solche Einrichtungen und Betriebe, die zur Versorgung der kulturellen, wirtschaftlichen oder sozialen Bedürfnisse der Bevölkerung erforderlich sind, sind von dieser Beschränkung nicht umfasst.

Die Landesregierung kann darüber hinaus schon vor dem 31.12.2023 auf Antrag einer Gemeinde feststellen, dass für diese keine Einschränkung mehr besteht, wenn nach den Ergebnissen der Grundlagenforschung für deren Gebiet keine weiteren überörtlichen Festlegungen erforderlich sind.

Eine Anrechnung auf die zulässige Flächensumme im Wohnbauland erfolgt nunmehr nicht, wenn im gleichen Widmungsverfahren unbebautes Wohnbauland in Grünland rückgewidmet wird. Dies gilt ebenso für die zulässige Flächensumme im Bauland-Betriebsgebiet, Bauland-Industriegebiet, Bauland-Verkehrsbeschränktes Betriebsgebiet und Bauland-Verkehrsbeschränktes Industriegebiet. 

Siedlungsgrenzen

Siedlungsgrenzen sind Maßnahmen der überörtlichen Raumordnung (in einem oder mehreren sektoralen bzw. regionalen Raumordnungsprogrammen) zur Begrenzung von baulichen Entwicklungen im Bauland und Grünland. Eine einheitliche Regelung für den Umgang mit verordneten Siedlungsgrenzen im NÖ Raumordnungsgesetz 2014 soll der Rechtssicherheit dienen und eine einheitliche Grundlage für bestehende und mögliche zukünftige Regelungen schaffen.

Abrundungen und die in der raumordnerischen Praxis selten auftretenden Lückenschlüsse sind danach nur mehr gegen flächengleichen Abtausch einerseits innerhalb von unbebautem Wohnbauland und andererseits von unbebauten Flächen mit Widmungen für betriebliche Nutzungen möglich. Klargestellt wird, dass dieser Abtausch zukünftig nur innerhalb desselben Änderungsverfahrens erfolgen darf, da die entstandene Praxis, Guthaben durch Rückwidmungen zu generieren, die nach Jahren nur schwer zu belegen sind, keine ausdrückliche Rechtsgrundlage hatte und nicht weitergeführt wird.

Eignungszonen für betriebliche Nutzungen – sektorales Raumordnungsprogramm

Im Zuge dieser Novelle soll unter anderem die Bedeutung der überörtlichen Raumordnung einschließlich der regionalen Leitplanung ganz wesentlich gestärkt werden. Zunächst sollen in einem sektoralen Raumordnungsprogramm Zonen für große Betriebsgebiete festgelegt werden. Dabei wird einerseits das Ziel verfolgt, für die verschiedenen Nutzungen (z. B. Logistik, SEVESO-Betriebe, emittierende Betriebe [Luft, Lärm, Licht, Erschütterungen und ähnliche]) die Nutzungskonflikte zu minimieren und andererseits gezielte regionalpolitische Impulse (z. B. Wirtschaftsparks, Technologiezentren) zu setzen.

Die Zonen zeichnen sich durch besondere Standortqualitäten aus. Anschließend sollen auf Basis von gemeinsam mit den Gemeinden erarbeiteten Planungen in den jeweiligen regionalen Raumordnungsprogrammen nach Untersuchung des Landesgebietes Zonen für Betriebsgebiete ausgewiesen werden.

In beiden Fällen bleibt die Widmungshoheit bei den Gemeinden. Es handelt sich somit um eine Ergänzung des Angebots der Regionen und Gemeinden im betrieblichen Bereich; innerörtliche Betriebsverlagerungen sind davon nicht umfasst.

Neue Widmungsarten für großvolumigen Wohnbau und verkehrserzeugende Nutzungen

Es sollen vier neue Widmungsarten für großvolumigen Wohnbau und verkehrserzeugende Nutzungen geschaffen werden (Wohngebiet für nachhaltige Bebauung, Kerngebiet für nachhaltige Bebauung, verkehrsbeschränkte Betriebsgebiete und verkehrsbeschränkte Industriegebiete).

Durch die Einführung der neuen Widmungsarten sollen die besonderen Auswirkungen, die großvolumige Wohnbauten und Betriebe mit starken Verkehrsauswirkungen auf die soziale und verkehrliche Infrastruktur der Gemeinden haben, bereits im Widmungsverfahren Berücksichtigung finden.

Durch die Einführung dieser Widmungsarten werden die aktuell bestehenden Widmungen Bauland-Wohngebiet und Bauland-Kerngebiet mit der Geschoßflächenzahl 1 und die Widmungsarten Bauland-Betriebsgebiete und Bauland-Industriegebiete mit 100 Fahrten pro Hektar und Tag nach oben hin begrenzt.

Bestehende Betriebe sollen weiters durch eine Übergangsregelung berechtigt werden, ihre Betriebsanlage (auch auf Nachbargrundstücken) erweitern zu dürfen, auch wenn dadurch eine Erhöhung der täglichen Fahrten bewirkt wird, sodass diese eigentlich eine der neuen Widmungsarten Bauland-Verkehrsbeschränktes Industriegebiet oder Bauland-Verkehrsbeschränktes Betriebsgebiet benötigen würden.

Für noch nicht bebaute aber bereits gewidmete Betriebs- und Industriegebiete ist eine Übergangsregelung für Grundstücksflächen bis maximal 1 Hektar bis zum 31. Dezember 2023 vorgesehen. Für bereits anhängige Verfahren sind Übergangsregelungen vorgesehen. 

Baulandmobilisierung

Die Verpflichtung der Gemeinden im Zusammenhang mit Erst- und Umwidmungen Mobilisierungsmaßnahmen zu ergreifen, wird ausdrücklich gesetzlich verankert, wobei neben möglichen rein privatwirtschaftlichen Maßnahmen (Ankauf durch Gemeinde und dergleichen) zwei Instrumente im Zusammenhang mit der Widmung explizit geregelt werden:

  • Die Befristung bei Erstwidmungen und zusätzlich die Vertragsraumordnung bei Erstwidmungen und Wechsel der Baulandwidmungsarten, wobei eine Kombination der beiden Maßnahmen nicht ausgeschlossen wird. Den Gemeinden werden jedoch keine Mittel zur Zielerreichung zwingend vorgegeben; entscheidend ist, dass zum Zeitpunkt der Ausweisung von Bauland die gesicherte Prognose möglich ist, dass dieses nicht gehortet, sondern zweckentsprechend genutzt werden wird.
  • Eine befristete Widmung ist mit maximal sieben Jahren (ebenso bei Mobilisierungsverträgen) festzulegen und kann mit der Möglichkeit nach Ablauf der Frist einer automatischen Folgewidmung verbunden werden. Wenn dies nicht der Fall ist, würde die vorhergehende Widmung wieder in Kraft treten. 

Stellplätze bei Handelseinrichtungen

Nach dem Grundsatz der sparsamen Grundinanspruchnahme soll nur mehr ein geringer Anteil der Kundenparkplätze auf ebenerdigen Flächen hergestellt werden dürfen.

Bei der Errichtung von Handelsbetrieben dürfen bis 750 m2 Verkaufsfläche je ein Stellplatz pro angefangene 20 m2 Verkaufsfläche, maximal jedoch 30 Stellplätze und für die über 750 m2 hinausgehende Verkaufsfläche je ein Stellplatz pro angefangene 30 m2 Verkaufsfläche auf ebenerdigen Flächen auf dem jeweiligen Betriebsgrundstück selbst sowie auf diesem organisatorisch zugeordneten Grundstücken oder Grundstücksteilen hergestellt werden.

Alle weiteren Stellplätze sind entweder im Betriebsbauwerk (z. B. in Parkdecks) oder über Gebäudeteilen der Betriebsbauwerke mit anderen Nutzungen (z. B. am Dach der Betriebsanlage) oder unter Photovoltaikanlagen mit einer Modulfläche von mindestens 8 m² je Stellplatz (z. B. Flugdach) herzustellen, wobei eine Kombination dieser Varianten zulässig ist. Bauverfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Regelung (1.3.2021) bereits anhängig waren, werden durch diese Bestimmung nicht berührt. 

Dritte Wohneinheit im Hofverband für Übernehmer

Es erfolgt eine Klarstellung, dass auch für den künftigen Übernehmer eine Wohneinheit errichtet werden darf. Durch das Erfordernis des Vorliegens eines familieneigenen Wohnbedürfnisses des Betriebsinhabers, der gleichzeitig Eigentümer sein muss, ist wie bisher sichergestellt, dass nur

  • der Eigentümer, der auf eigene Rechnung und Gefahr den Betrieb führt (Inhaber),
  • der vorherige Betriebseigentümer (Übergeber) oder
  • die Person, die schon in einem gewissen nicht unerheblichen Ausmaß mitarbeitet und einmal den Betrieb übernehmen wird (künftiger Übernehmer)

jeweils mit ihren Familien (Partner/Partnerin und unversorgte Kinder) im Hofverband wohnen.

Geb – Nebengebäude

Neben den bereits bestehenden Regelungen hinsichtlich der Einschränkung von erhaltenswerten Gebäuden im Grünland werden den Gemeinden Instrumente zur Verfügung gestellt, die Summe der Flächen der Nebengebäude auf die örtlichen Bedürfnisse und Gegebenheiten abzustellen. Grundsätzlich bleibt die bisher festgelegte Summe der Flächen der Nebengebäude mit 50 m² unverändert, es kann jedoch eine Einschränkung – bis zur gänzlichen Untersagung von neuen Nebengebäuden – oder auch eine Erweiterung auf bis zu 100 m² festgelegt werden.

Photovoltaikanlagen 

Großflächige PV-Widmungen sind zur Erreichung der Ziele des Niederösterreichischen Energiefahrplans unverzichtbar und als zielgerichtete Ergänzungen zu den Planungen der Gemeinden auf lokaler Ebene zu sehen. Trotzdem stehen derartige Anlagen in einem Konkurrenzverhältnis mit der landwirtschaftlichen Nutzung einer Fläche und haben mitunter erhebliche Auswirkungen auf das Landschaftsbild.

Hochwertige landwirtschaftliche Böden sind daher besonders zu berücksichtigen. Ausgehend vom bestehenden, auf örtlicher Ebene bereits angewendeten Leitfaden zur Ausweisung von Grünland-Photovoltaikanlagen im Flächenwidmungsplan sollen in einer Verordnung der Landesregierung daher nach Untersuchung des gesamten Landesgebietes innerhalb von zwei Jahren Zonen für großflächige Photovoltaikanlagen (mehr als 2 Hektar) im Grünland ausgewiesen werden. 

Errichtung einer PV-Anlage
Bei der Widmung einer Fläche für Photovoltaikanlagen ist insbesondere auf die Erhaltung der Nutzbarkeit hochwertiger landwirtschaftlicher Böden, die Geologie, die Interessen des Naturschutzes bzw. übergeordnete Schutzgebietsfestlegungen, den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes, die vorhandene und geplante Netzinfrastruktur sowie die Vermeidung einer Beeinträchtigung des Verkehrs Bedacht zu nehmen. Foto: mmphoto – stock.adobe.com

Für Photovoltaikanlagen ab 50 kW im Grünland ist wie bisher eine Widmung durch die Gemeinden erforderlich, wobei Anlagen auf Flächen über 2 Hektar in einem überörtlichen Raumordnungsprogramm ausgewiesen sein müssen.

Bei der Widmung einer Fläche für Photovoltaikanlagen ist insbesondere auf die Erhaltung der Nutzbarkeit hochwertiger landwirtschaftlicher Böden, die Geologie, die Interessen des Naturschutzes bzw. übergeordnete Schutzgebietsfestlegungen, den Schutz des Orts- und Landschaftsbildes, die vorhandene und geplante Netzinfrastruktur sowie die Vermeidung einer Beeinträchtigung des Verkehrs Bedacht zu nehmen.

Zusätzliche Festlegungen im Bebauungsplan

Im Bebauungsplan sollen weitere Vorgaben für die zukünftige Bebauung oder Gestaltung eines Grundstücks möglich sein, die unter anderem eine klima- oder lärmangepasste Bebauung sicherstellen, womit auch dem Wunsch vieler Planer und Gemeinden Rechnung getragen wird. So kann der Bebauungsplan einer Gemeinde zukünftig beispielsweise Höchstmaße von Bauplätzen, Verpflichtung zur Begrünung von Gebäudedächern oder Fassaden, Verpflichtung zur Herstellung von Regenwasserzisternen oder Verpflichtung zur Herstellung von Versickerungsflächen regeln.