Helmut Brandstätter
Helmut Brandstätter: „Österreich hat ein Transparenzproblem; allerdings hat gerade die EU hat in der Vergangenheit zu mehr Transparenz in der österreichischen Politik beigetragen.“

„Den Frieden und unser aller Sicherheit können wir nur gemeinsam sichern“

22. April 2024
Der frühere Journalist und jetzige NEOS-Spitzenkandidat Helmut Brandstätter erläutert, warum er eine Neudefinition der Neutralität möchte, um die Sicherheit Österreichs zu gewährleisten.

Wo bleiben in den „Vereinigten Staaten von Europa“, die die NEOS ja am liebsten hätten, die Neutralität Österreichs und die selbstbestimmten Gemeinden? 

Helmut Brandstätter: Die Gemeinden bleiben natürlich ganz zentral. Auch die Vereinigten Staaten von Europa funktionieren - genauso wie die EU - nach dem Subsidiaritätsprinzip. Also ganz einfach gesagt: Der Staat soll nur dort tätig sein, wo es auch wirklich sinnvoll ist. Wo die kleinere Einheit eine Funktion ausüben kann, da soll sie es auch tun. Unsere 2093 Gemeinden haben ganz zentrale, wichtige Aufgaben, bei den Kindergärten oder der lokalen Infrastruktur. Leider ist der österreichische Föderalismus hier oft falsch gedacht. 

Zur Neutralität: Österreich ist beim EU-Beitritt auch der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beigetreten und hat die Verfassung dahingehend angepasst. Es braucht also ein Bekenntnis zur Neudefinition, die wir seit nunmehr fast 30 Jahren verfassungsrechtlich verankert haben. Für Österreich und das Bundesheer bedeutet das, einen solidarischen Beitrag zur europäischen Sicherheit zu leisten und sich stärker in der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik Europas zu engagieren.

Den europäischen Frieden und unser aller Sicherheit können wir nur gemeinsam sichern. Dass sich die Sicherheitslage teils dramatisch geändert hat, ist seit dem russischen Angriffskrieg offensichtlich. Zwischen einem aggressiv agierenden Russland, den USA, die sich verstärkt Asien zuwenden, und einem ständig aufrüstenden China ist es im Interesse der europäischen Sicherheit, in die gemeinsame Verteidigung zu investieren. 

In Österreich gibt es Probleme in Sachen Transparenz. Glauben Sie, dass die „Vereinigten Staaten von Europa“ weniger Schwierigkeiten damit haben werden?

Österreich hat ein Transparenzproblem; allerdings hat gerade die EU hat in der Vergangenheit zu mehr Transparenz in der österreichischen Politik beigetragen. Gerade bei den Milliarden Euro an Förderungen sind es EU-Regeln, die dazu führen, dass wir in Österreich wirklich erfahren, was mit unseren Steuergeldern passiert.

Unsere Vereinigten Staaten von Europa sind gläsern gegenüber ihren Bürger:innen: So wollen wir etwa auch die Parteienfinanzierung völlig offenlegen, um Korruptionsskandale wie zuletzt gar nicht erst entstehen zu lassen. Wir fordern daher strenge Standards für Abgeordnete hinsichtlich der Verwendung von Unionsgeldern und die eindeutige Offenlegung von Nebeneinkünften. Als NEOS sind wir 365 Tage im Jahr transparent, und das fordern wir auch auf europäischer Ebene.

Auch sollen politische Entscheidungen grundsätzlich offengelegt werden, damit die in Europa oft langwierigen Entscheidungsprozesse leichter nachvollziehbar sind. Bei den Reformen der EU-Verträge in Richtung Vereinigte Staaten von Europa müssen auch Einschau-Möglichkeiten sowie Konsultationsverfahren für mehr Transparenz und Beteiligung sorgen als dies derzeit der Fall ist.

Was werden Sie unternehmen, dass die EU ein besseres Image in Österreich erreicht? Welche Vorteile vermitteln Sie den Bürgerinnen und Bürgern?

Auch wenn Populisten oft anderes behaupten, die österreichische Bevölkerung wünscht sich weniger Nationalismus und ein stärkeres Europa! Denn die Menschen sehen ganz klar, dass wir die großen Themen unserer Zeit nur gemeinsam lösen können. Wir kämpfen für ein stärkeres Europa, das uns schützt, unsere Wirtschaft voranbringt und sich für die Menschen rechnet.

Frustriert sind natürlich viele darüber, dass politische Blockaden verhindern, dass die EU dort handlungsfähig ist, wo sie es sein sollte. Die Verantwortung dafür liegt nicht alleine in Brüssel, sondern bei den nationalen Regierungen. Für uns NEOS ist klar: Gehen wir gemeinsam mutige Schritte in Richtung eines souveränen und handlungsfähigen Europas. Die EU wurde gegründet, um gemeinsam Dinge anzugehen, die für ein Land alleine nicht möglich sind. Denken Sie an die hohen Energiepreise und die höchste Inflation in Westeuropa. Hier kann die EU liefern. Und die Mitgliedsstaaten sollten nicht länger blockieren.

Europa muss sich daher um die großen Zukunftsthemen kümmern, statt sich im Kleinen zu verzetteln. Dadurch wären wir in der Lage, für Sicherheit zu sorgen, einheitliche Regeln für Zuwanderung festzulegen und gegen Populisten vorzugehen, die Europa zerstören wollen.

Wie werden Sie sicherstellen, dass das Subsidiaritätsprinzip als Kernprinzip der EU weiter Bestand hat und weiterhin bis auf die Gemeindeebene hinunterreicht.

NEOS wollen ein Europa, das souverän und handlungsfähig ist. Dafür braucht es Reformen und auch eine politische Klärung, dass man die gemeinsamen Themen gemeinsam löst. Daher befürworten wir etwa eine deutliche Vertiefung der Energieunion, um Strompreise in Europa leistbarer und Netze leistungsfähiger zu machen. Gleichzeitig spielen die Nationalstaaten genauso wie die Gemeinden wesentliche Rollen in der öffentlichen Versorgung, hier soll sich die EU auch nicht einmischen. Wir brauchen ein starkes Europa der Regionen. 

Die nächste Legislaturperiode hat aus unserer Sicht eine zentrale Aufgabe: Eine echte gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, eine gemeinsame Stimme auf globaler Ebene oder ein gemeinsamer Grenzschutz sind daher von Nöten. Dazu brauchen wir eine Neuverteilung von politischen Kompetenzen zwischen den Nationalstaaten und der EU. Wir NEOS fordern daher, die EU-Verträge zu reformieren. Damit tragen wir dazu bei, dass die EU besser im Sinne ihrer Bürgerinnen und Bürger agieren kann und Vertrauen zurückgewinnt. Denn nur wenn die Bevölkerung gehört wird und mitbestimmen kann, wird Europa wirklich im Interesse der Menschen arbeiten. Es liegt daher an uns, das Europa von morgen zu schaffen.

Es gibt in Österreich als einzigem Land der EU knapp 1600 EU-Gemeinderäte. Welchen Beitrag können diese auf dem Weg zu einer positiveren Sichtweise auf die EU leisten und die die EU und die europäischen Themen den Menschen hierzulande näherbringen? Und wie könnten sie dem Trend entgegenwirken, dass die EU-Skepsis nicht noch mehr steigt?

Österreich hat wirklich ein großes Thema mit EU-Skepsis. Obwohl wir als Österreich im Herzen Europas sind und von der EU-Mitgliedschaft enorm profitiert haben, sagen in Österreich viele Menschen, dass die EU-Mitgliedschaft keine gute Sache ist. Es ist die Aufgabe von uns allen im politischen System, die Errungenschaften Europas zu kommunizieren und auch die Wichtigkeit zu betonen, dass wir in den Institutionen eine laute, österreichische Stimme haben.

In Europa mitreden ist immer besser als in Österreich schlechtreden. Und die 1600 EU-Gemeinderäte haben hier natürlich eine wichtige Rolle. Genauso allerdings die Medien. Immer noch gilt Europa für viele als „Außenpolitik“, obwohl es für Österreich längst „Innenpolitik“ ist.