Andreas Schieder
Andreas Schieder: „Eine starke soziale Ader muss ein wesentliches Merkmal eines Europas sein, dem die Menschen auch vertrauen können.“

„Auf kommunaler Ebene wird gezeigt, wie Politik funktionieren kann“

22. April 2024
SPÖ-Spitzenkandidat Andreas Schieder fordert mehr Geld für die Gemeinden und erklärt, was er sich unter einem sozialen Europa vorstellt.

Das Motto der Klubtagung Anfang April war „Wohlstand und leistbares Wohnen für Europa“. Zumindest zur Hälfte werden die Gemeinden das Motto umsetzen müssen. Wie wollen sie ihnen die Mittel dafür geben?

Andreas Schieder: Am besten wohl über den Finanzausgleich oder Zweckzuschüsse. Zusätzliche finanzielle Mittel müssen bei den Gemeinden aber auch ankommen. Die Städte und Gemeinden in Österreich haben massive finanzielle Probleme.

Das Zentrum für Verwaltungsforschung – KDZ – prognostiziert für 2024, dass die Hälfte aller 2.093 Städte und Gemeinden in Österreich Abgangsgemeinden werden. Das ist eine Katastrophe und bringt auch die Leistungen, die die Kommunen für ihre Bürgerinnen und Bürger – von der Kinderbetreuung über Freizeiteinrichtungen und Sozialleitungen – massiv in Gefahr. Wer diese Hilferufe noch nicht erkannt hat, hat keine Ahnung von Kommunalpolitik.

Die Bundesregierung ist aufgefordert, den Kommunen direkt zu helfen. Wir fordern eine Milliarde für Städte und Gemeinden, ohne dass sie zu einer Gegenfinanzierung gezwungen sind. Außerdem treten wir für eine Änderung des Verteilungsschlüssels im Finanzausgleich zu Gunsten der Kommunen ein.  

Die SPÖ steht auch auf dem Standpunkt, dass, wer „Europa liebt, es verändern muss“. In welche Richtung soll diese Veränderung gehen? Und gilt das auch für die Gemeindeebene?

Bei dieser EU-Wahl geht es um eine Richtungsentscheidung. Wollen wir ein gemeinsames, soziales Europa, ein Europa, das nach gemeinsamen Lösungen sucht oder wollen wir uns immer mehr abschotten und erkämpfte Errungenschaften wieder zurückschrauben?

Das gilt grundsätzlich für alle Ebenen. Andererseits wird gerade auf kommunaler Ebene gezeigt, wie Politik funktionieren kann. Die Bürgermeisterin oder der Bürgermeister sind die ersten Ansprechpartner für viele Angelegenheiten. Politik ist in der Gemeinde so unmittelbar wie sonst nirgends. Nicht umsonst genießt die kommunale Politikebene deshalb auch das größte Vertrauen. Daher ist das Veränderungspotential für die Gemeindeebene grundsätzlich differenziert zu betrachten. Natürlich gibt es in manchen Gemeinden Verbesserungsbedarf – zum Beispiel was den Ausbau der Kinderbetreuung betrifft.

Was werden Sie unternehmen, dass die EU ein besseres Image in Österreich erreicht? Welche Vorteile vermitteln Sie den Bürgerinnen und Bürgern?

In einer Zeit, in der rechtspopulistische Strömungen und Nationalismus erstarken tritt die SPÖ für eine Union der Gleichheit und der Gerechtigkeit ein. Eine starke soziale Ader muss ein wesentliches Merkmal eines Europas sein, dem die Menschen auch vertrauen können. Dafür braucht es eine engagierte Umsetzung der Säule der sozialen Rechte.

Die SPÖ bekennt sich zu einem Europa, das im Dienst der Bürgerinnen und Bürger steht und nicht im Interesse von großen Konzernen handelt. Wir treten für klare und verbindliche Regeln und Verantwortlichkeiten ein.

Wir wollen sicherstellen, dass Unternehmen Arbeitnehmer:innen-Rechte – auch in neuen Bereichen wie der plattformvermittelten Arbeit – wahren, endlich ihren fairen Anteil an Steuern leisten und nicht länger von Steuerschlupflöchern profitieren. Wenn wir die Europäische Union in diese Richtung verändern können, bin ich überzeugt, dass Europa von den Bürgerinnen und Bürgern ein deutlich besseres Image erhalten wird.

Wie werden Sie sicherstellen, dass das Subsidiaritätsprinzip als Kernprinzip der EU weiter Bestand hat und weiterhin bis auf die Gemeindeebene hinunterreicht.

Das Subsidiaritätsprinzip ist Teil des europäischen Verfassungsrechts und soll nicht in Frage gestellt werden. Im Parlament haben beide Kammern das Recht, innerhalb von acht Wochen nach Einlangen eines Entwurfes für einen neuen europäischen Rechtsakt, eine so genannte Subsidiaritätsrüge abzugeben, wovon wir bei Bedenken Gebrauch gemacht haben und auch in Zukunft machen werden. Da dies auf Bundesebene, vor allem in der Länderkammer, hervorragend funktioniert spricht nichts dagegen, das Subsidiaritätsprinzip bis auf die Gemeindeebene anzuwenden.

Es gibt in Österreich als einzigem Land der EU knapp 1600 EU-Gemeinderäte. Welchen Beitrag können diese auf dem Weg zu einer positiveren Sichtweise auf die EU leisten und die die EU und die europäischen Themen den Menschen hierzulande näherbringen? Und wie könnten sie dem Trend entgegenwirken, dass die EU-Skepsis nicht noch mehr steigt?

Die Einführung der Möglichkeit von EU-Gemeinderät:innen war ein positiver Schritt. Allerdings glaube ich, dass es viele Europa-interessierte Gemeinderät:innen gibt, die noch gar nichts von der Möglichkeit wissen, EU-Gemeinderat oder EU-Gemeinderätin zu werden. Hier gibt es durchaus noch Ausbaubedarf in der Öffentlichkeitsarbeit. Ich kenne zahlreiche engagierte EU-Gemeinderät*innen und bin diesen sehr dankbar für ihre Arbeit. Sie sind sicher ein gutes Instrument, um der EU-Skepsis entgegenzuwirken. Vielleicht müsste man ihnen noch mehr Angebote machen und noch stärkere Instrumente in die Hand geben, wie sie in ihren Kommunen EU-Themen kommunizieren können.