Walter Hofer von Ellbögen
Walter Hofer: „Ich würde den Gemeinderat als Kollegialorgan aufwerten, auch politisch. Hier sollten die vielfältigen politischen Diskussionen stattfinden – auf Grundlage einer vorherigen Ausbildung durch entsprechende Parteiakademien.“

„Da bin ich schon mal geköpft worden“

Der 1.100-Einwohner Ort Ellbögen im Wipptal ist eine typische Tiroler Gemeinde im Mittelgebirge. Neben der üblichen kommunalen Aufgabenlösung kann die Gemeinde aber mit einem besonderen Angebot trumpfen: Die Enzianbühne. Bürgermeister Walter Hofer berichtet, was da alles passieren kann.

Seit genau 40 Jahren verfügt Ellbögen über ein Volkstheater, in dem Laienschauspieler sich in der hohen Kunst des Theaters üben. Neben Klassikern wie Dürenmatts „Die Physiker“, dem „Brandner Kaspar“ oder dem Lustspiel „Pension Schöller“ stand heuer zur Jubiläumsaufführung der Schwank „Die falsche Katz“ von Maximilian Vitus auf dem Programm. „Die falsche Katz“ war übrigens auch das Premierenstück vor 40 Jahren.

Bürgermeister Walter Hofer, seit mehr als 25 Jahren an der Spitze der Gemeinde, ist stolz auf seine Bühne. Hofer, sonst ein sehr ruhiger Vertreter seiner Zunft, lacht – so wie der Rest des mit mehr als 300 Besuchern bis zum Rand gefüllten Gemeindesaals – bis der Bauch weh tut.

„Auf der Bühne bin ich auch schon mal geköpft worden“, gesteht er in der Pause, dass er in den 40 Jahren des Bestehens auch schon die eine oder andere Rolle übernommen hat. „Allerdings“, schmunzelt er, „habe ihm diese Rolle anschließend den Spitznamen ‚Der kopflose Bürgermeister‘ eingetragen.“ Aber das kann schon mal passieren und ist auch zu verschmerzen, so Hofer.

Ellbögen und das Wipptal

Die 34 km² große Gemeinde Ellbögen verfügt, wie viele Gemeinden in Österreich, über eine sehr lange Geschichte. Das reicht zurück bis zu den Römern (siehe Kasten). Die Gemeinden verfügt, obwohl sehr viele Leute zum Arbeiten ins gerade mal 15 Minuten entfernte Innsbruck pendeln, über ein sehr reges soziales Leben.

Ellbögen

„22 Vereine gibt es bei uns, von den Schützen angefangen über Musikkapelle, Sportverein, Landjugend, Familienverband, Schützengilde, Viehzuchtvereine und viele mehr. Die Gemeinde subventioniert das auch, denn wir halten es für sehr wichtig, dass die Menschen mit ihrer Gemeinde in Verbindung bleiben“, führt Hofer aus.

Stolz auf Rennrodler

Besonders stolz ist er auf den 26-jährigen Lorenz Koller. Bei den Rennrodel-Weltmeisterschaften 2016 erreichte der junge Ellbögener den sechsten Gesamtrang, und bei den Rennrodel-Weltmeisterschaften 2017 wurde er Vierter im Doppelsitzer Sprint. 2017 wurde er auch U23-Weltmeister und Vize-Europameister in der Team-Staffel im Doppelsitzer. Am 24. November 2018 feierte er in Igls seinen ersten Weltcup-Sieg. Bei den Europameisterschaften der Kunstbahnrodler in Lillehammer holte sich Lorenz Koller im Jänner 2020 die Silbermedaille.

Dass es eine Vielzahlt von Vereinen gibt, sei in den anderen Gemeinden des Wipptals auch so, meint Hofer. Mehr Kopfzerbrechen bereitet ihm, dass es nur mehr ein Gasthaus gibt und keinen Nahversorger mehr. „Die Chefin des Supermarkts hat nach Südtirol geheiratet - dagegen bist machtlos“, meint er.

Um das Problem zu meistern, plant die Gemeinde jetzt einen Umbau des Gemeindezentrums.

Hofer: „Der Gemeindesaal, der Proberaum des Musikvereins, die Schule – das alles ist ja schon dort und damit ergeben sich auch Synergien.“ Zukünftig soll es dort auch wieder einen Nahversorger und ein Café geben.

Heikles Thema Wohnen

Darüber hinaus hat die Gemeinde mit einem Gemeinnützigen Wohnbauträger weitere 28 Wohnungen gebaut, für „eine Gemeinde mit gerade mal 1100 Einwohnern ist das viel“, wie Hofer meint. Aber man müsse das für die Jungen und für Jungfamilien machen, damit sie im Ort bleiben können und nicht wegziehen müssen.

Das Thema „Neue Baulandwidmungen“ ist heikel. Hofer erzählt, dass im gesamten Wipptal sparsam mit der Inanspruchnahme von Grund und Boden umgegangen wird. Vor allem aus dem Raum Innsbruck kommen fast täglich Anfragen, ob nicht Bauland verfügbar sei. „Der Quadratmeter ist bei uns ja noch viel günstiger als in der Stadt. Aber wir achten darauf, dass es Widmungen nur bei echtem Bedarf von Ortsansässigen gibt.“

Hofer weiß, wovon er redet. Immerhin ist er selbst 40 Jahre nach Innsbruck gependelt, wo er bei den Innsbrucker Kommunalbetrieben als Elektrotechniker angefangen hat. Über zehn Jahre war er als Betriebsratsvorsitzender für das gesamte Unternehmen zuständig. In weiterer Folge übernahm Hofer die Leitung der Sicherheit für die Innsbrucker Kommunalbetriebe und seinen Beteiligungsfirmen. „Da ging es damals vor allem um die Ausbildung und Einhaltung der Sicherheitsbestimmungen für die Mitarbeiter, die der Arbeitgeber einzuhalten hat.“

Später kam dann der Punkt Krisenmanagement dazu. Hofer meint, dass diese Ausbildungen im Bereich Sicherheit und Krisenmanagement sehr förderlich für die Funktion eines Bürgermeisters sind. Es gehe dabei immerhin um die Bewältigung einer Krise, wenn eine Katastrophe im Ort hereinbrechen sollte.

Seit mehr als 28 Jahren in der Gemeindepolitik

„Der Walter“, wie ihn alle hier nennen, hat das Amt 1992 übernommen und sich seither vier Wahlen gestellt, die er alle mit hoher Zustimmung der Bürger gewonnen hat. Sein großes Vorbild, sein Lehrmeister, wie er sagt, war der im Mai 2016 verstorbene Hubert Rauch, ehemals Chef des Tiroler Gemeindeverbandes und 28 Jahre Bürgermeister von Steinach am Brenner.

Aber diese lange Zeit neigt sich nun dem Ende, befindet er und wird sich keiner Wiederwahl im Jahre 2022 stellen. „Auch die eine oder der andere lange Zeitgenosse wird nach dieser Periode seine Funktion niederlegen. Ich hoffe, dass junge Gemeindebürger diese Aufgaben übernehmen und sich weiterhin sehr positiv für unseren schönen Ort im Wipptal einsetzen werden.

Politikverdrossenheit macht sich immer mehr bemerkbar

„Vielleicht liegt‘s ja auch daran, dass der „Gemeinderat in Tirol ein echtes Ehrenamt ist. Die Leute bekommen für ihr Engagement ja gar nichts, und das sollte sich ändern“, fordert Hofer. Er sieht auch als einen weiteren Grund für die Probleme der Nachbesetzung, dass sich die Einstellung der Menschen zur Politik generell geändert hat. „Das Vertrauen der Leute ist weniger geworden, wenn auch die lokale Politik immer noch ein bisschen besser dasteht. Es gibt eine fast schon allgemeine Politikverdrossenheit“, so Hofer.

Diese Politikverdrossenheit macht sich auch in Anfeindungen gegen die Bürgermeister immer mehr bemerkbar. Bürgermeistern stehen oft mehrmals im Laufe ihrer Amtszeit vor der Staatsanwaltschaft, aufgrund von anonymen, frei erfundenen Anschuldigungen.

Bürgermeisteramt entpolitisieren?

Zurückkommend auf das Problem der Besetzung der Bürgermeisterämter, schlägt Hofer eine radikale Umkehr des Systems vor:

„Ich würde den Gemeinderat als Kollegialorgan aufwerten, auch politisch. Hier sollten die vielfältigen politischen Diskussionen stattfinden – auf Grundlage einer vorherigen Ausbildung durch entsprechende Parteiakademien. Gemeinderatsmitglieder sollten aber auch, wie dies bei Bürgermeisterstellvertreter/innen geregelt, eine angemessene finanzielle Entschädigung erhalten. Damit könnte das Bürgermeisteramt entpolitisiert werden und Bewerber zum Einsatz kommen, die entsprechende juristische und wirtschaftlich Ausbildungen vorweisen können. Diese Personen sollten vom Gemeinderat per Ausschreibung gesucht und bestellt werden. Der Gemeinderat wäre dann sozusagen der Aufsichtsrat und würde die politischen Diskussionen führen.“

Dann schmunzelt der Bürgermeister und meint: „Aber ich bin Realist und schon zu lange im Geschäft, um große Hoffnung für so eine Idee zu haben. Und vielleicht ist sie auch nicht gut genug durchdacht.“

Auf was der Chef besonders stolz ist

Das Amt hat sehr viel Schönes zu bieten, wie Walter Hofer erzählt. Aber vor allem der Wunsch und der Wille, die Gemeinde weiterzubringen, für die Gemeinde Infrastrukturprojekte zu realisieren, dass es der Gemeinden auch künftig gut geht – diese gestalterische Komponente ist ihm wichtig. Auch dass in seiner Amtszeit die Gemeinde gleich zwei Wasserkraftwerke errichtet hat, erfüllt ihn mit Stolz.

„Theoretisch wären wir energieautark, aber da das saisonal stark schwankt, speisen wir die gesamte Energie in das öffentliche Netz ein. Das bringt der Gemeinde künftig jährlich erhebliche Einnahmen.“

Ein wichtiger Baustein in einer Gemeinde ist auch das Vereinsleben, wo vor allem in den verschiedensten Bereichen sich Jung und Alt betätigen kann und damit viel zur dörflichen Kultur und Hilfsbereitschaft beiträgt. Diese Vielzahl an Vereinen in unserer Gemeinde zu unterstützen war ihm immer eine sehr wichtige Aufgabe im dörflichen Leben.

Zur Person

Walter Hofer

Alter: 60

Gemeinde: Ellbögen

Einwohnerzahl: 1.117  (1. Jänner 2019)

Bürgermeister seit: 1994

Partei: ÖVP

Eine kurze Historie der Gemeinde Ellbögen

Ellbögen ist eine Streusiedlung 12 Kilometer südlich von Innsbruck, an der östlichen Talseite des Wipptals gelegen. Die Gemeinde ist durch Landwirtschaft und sanften Tourismus geprägt, daneben gibt es einen großen Anteil an Auspendlern.

Die Geschichte von Ellbögen reicht wie bei den meisten österreichischen Gemeinden geschichtlich weit zurück. Die Sonnenhänge von Ellbögen am Patscherkofel waren bereits in urgeschichtlicher Zeit besiedelt, 1967 wurden im Ortsteil St. Peter illyrische Brandgräber gefunden. Nach der Einwanderung der Bajuwaren waren die Grafen von Andechs und später die Landesfürsten von Tirol die größten Grundbesitzer. 1032 wurde in einer Schenkungsurkunde Arnold von Andechs an das Stift Benediktbeuern „Tarzens auf dem Ellbögen“ erwähnt.

Eine große Bedeutung für die Gemeinde hatte die 23 Kilometer lange „Salzstraße“ von Hall in Tirol über Ampass, Patsch und Ellbögen weiter nach Matrei am Brenner. Diese Verbindung zwischen dem Unterinntal und dem Wipptal wurde vermutlich schon von den Römern angelegt. Durch die Saline in Hall entwickelte sich ein reger Verkehr, in Ruggschrein wurde eine Zollstätte errichtet. Zahlreiche Gaststätten und Schmieden kennzeichnen den Fuhrverkehr. Die Straße war während der vielen Kriegsereignisse auch Durchmarschweg für allerlei Truppen.

Von wirtschaftlicher Bedeutung war im 16. und 17. Jahrhundert der Abbau von Kupfer- und Schwefelkies. Das Erz aus dem Arztal soll zum Guss der „Schwarzen Mander“ in der Innsbrucker Hofkirche verwendet worden sein.

Die im Kern gotische Pfarrkirche wurde 1472 erbaut und gegen Ende des 18. Jahrhunderts barockisiert.

Das Gemeindewappen versinnbildlicht mit dem _abgewinkelten Arm den Namen der Gemeinde Ellbögen. Der Schlüssel ist das Zeichen des heiligen·Petrus, des Kirchenpatrons der Pfarrkirche St. Peter.

40 Jahre „Enzianbühne Ellbögen“

Vor 40 Jahren hat es mit dem Zusammenbau von Bühnenbildern auf den Dachböden einiger Familien und Proben in Küchen und Kellern angefangen, dass ein paar engagierte Ellbögener und Ellbögenerinnen ein Theaterstück aufführen wollten. Schon die Namensfindung war lustig, wie Christoph Völlenklee, Obmann des Vereins, augenzwinkernd erzählt: „Bis auf einen Namen für die Bühne hatten wir alles, aber ein griffiger Name wollte uns nicht und nicht einfallen. Dann haben wir hochgeistige Unterstützung für unser Brainstorming gesucht – und auf einmal war die Lösung vor unseren Augen. Aber ‚Williams-Bühne‘ ist nicht so leicht von der Zunge gekommen, daher wurden wir die ‚Enzian-Bühne‘.“

Enzianbühne

Für die Ensemble-Mitglieder bedeutet eine Aufführung fünf Monate Vorbereitung, dreimal wöchentlich Probe mit je zwei bis drei Stunden – also ein enormer freiwilliger Aufwand an Zeit und Energie. Das war mit auch ein Grund, warum das ältestgediente Ensemblemitglied Walter Kienast und Obmann Völlenklee mit der Jubiläumsvorstellung 2020 ihren Rücktritt erklärt haben. Dennoch musste in den 40 Jahren nur zweimal eine Aufführung gestrichen werden. Einmal wegen eines Unfalls und einmal wegen „allgemeiner Sch...erei“, wie sich Völlenklee unter großem Gelächter erinnert.

Der Rücktritt war folgerichtig auch eine Ankündigung, die im Publikum nicht unbedingt freudige Reaktionen ausgelöst hat.