Bürgermeisteramt weiter offen für Rechtsanwälte
Der VfGH hatte sich damit befasst, ob die Regelung des § 20 lit. a Rechtsanwaltsordnung (RAO), der die Unvereinbarkeit bestimmter Nebenbeschäftigungen mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft regelt, verfassungskonform ist. Verkürzt zusammengefasst bestanden gleichheitsrechtliche Bedenken, weil die Regelung eine Unvereinbarkeit für Beamte, nicht aber für Vertragsbedienstete vorsah. Das Höchstgericht teilte schließlich die Bedenken. Für den VfGH bestehen keine sachlichen Gründe, weshalb die Unvereinbarkeit mit der Ausübung der Rechtsanwaltschaft allein von der dienstrechtlichen Stellung des Organs abhängig sein soll.
Die unterschiedliche Behandlung von Beamten und Vertragsbediensteten verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Aus diesem Grund hob der VfGH mit seinem Erkenntnis die Wortfolge „durch ernannte berufsmäßige Organe“ in § 20 lit. a RAO auf, wobei die Aufhebung mit Ablauf des 31. Oktober 2023 in Kraft tritt.
Angst vor der „Unvereinbarkeit“
Die Aufhebung der zuvor angeführten Wortfolge ließ jedoch generell die Unvereinbarkeit all jener entgeltlichen Tätigkeiten, die unter der Leitung der im Gesetz angeführten obersten Organe erfolgen, befürchten.
Nach Art. 20 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) führen neben ernannten berufsmäßigen Organen (= Beamte) und vertraglich bestellten Organen (= Vertragsbedienstete) auch gewählte Organe die Verwaltung. Unter den Begriff der gewählten Organe fallen ebenso die Bürgermeister:innen. Im übertragenen Wirkungsbereich haben sie gemäß Art. 119 Abs. 2 B-VG die Angelegenheiten des Bundes oder des Landes unter der Weisung des zuständigen Bundes- oder Landesorgans zu vollziehen.
Aufgrund des mit dem VfGH-Erkenntnis einhergehenden Wegfalls der Wortfolge „durch ernannte berufsmäßige Organe“ war unklar, ob der Beruf des Rechtsanwalts bzw. der Rechtsanwältin weiterhin mit der Tätigkeit als Bürgermeister:in vereinbar sein würde. Mögliche Konsequenzen verunsicherten die betroffenen Bürgermeister:innen.
Gutachten zeigt keine Unvereinbarkeit
Ein im Auftrag des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages eingeholtes Gutachten gibt nun die erhoffte Entwarnung. Dieses zeigt anhand der historischen Entwicklung des § 20 lit. a RAO sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung auf, dass der Unvereinbarkeitsregelung eine Differenzierung zwischen „gewählten“ und „ernannten“ bzw. „bestellten“ Organen zugrunde liegt.
Von einer Unvereinbarkeit sollen demnach gerade nicht gewählte Funktionsträger betroffen sein. Im Ergebnis sind von der Unvereinbarkeit des § 20 lit. a RAO somit Beamte und nunmehr auch Vertragsbedienstete umfasst, nicht aber gewählte Organe und damit nicht die Bürgermeister:innen. Und daran hat sich laut dem Gutachten durch das gegenständliche VfGH-Erkenntnis nichts geändert.
Das Bürgermeisteramt bleibt also weiterhin mit dem Rechtsanwaltsberuf vereinbar. Das Ergebnis ist ein wichtiges: Denn das Bürgermeisteramt muss möglichst vielen Menschen offenstehen. Gerade Rechtsanwält:innen bringen mit ihrem juristischen Fachwissen eine wichtige Kompetenz für den Job als Bürgermeister:in mit. Es wäre unverständlich gewesen, diese Berufsgruppe vom Amt auszuschließen – insbesondere in Zeiten, in denen es schwieriger wird, Menschen dafür zu gewinnen.
Abschließend verbleibt dennoch der Wunsch nach einer legistischen Klarstellung im Rahmen der nächsten Novellierung der RAO, um Unklarheiten vollends ausschließen zu können. Das vorliegende Gutachten bietet dafür eine geeignete Grundlage.