Walter Leiss
Walter Leiss: „Sollen doch Bund und Länder bei der Informationsfreiheit vorangehen und zeigen, wie es geht. Sollte sich herausstellen, dass alle Probleme gelöst, die Register geschaffen und die erforderlichen Daten erfolgreich zusammengeführt sind, werden auch die Gemeinden ihren Verpflichtungen gerne nachkommen.“
© Philipp Monihart

Verwaltung und die Liebe zur Bürokratie

Schon Meyers Konversations-Lexikon von 1894 definiert Bürokratie als Bezeichnung für eine kurzsichtige und engherzige Beamtenwirtschaft, der es an Verständnis für die praktischen Bedürfnisse des Volkes gebricht. Wörtlich bedeutet Bürokratie „Herrschaft der Verwaltung“. Bürokratie wird auch als eine staatliche oder nicht staatliche Verwaltung verstanden, die durch klare Hierarchien, Entscheidungen nach Gesetzen und Vorschriften und geplantes Verwaltungshandeln innerhalb festgelegter Kompetenzen gekennzeichnet ist. Schon Max Weber und Ludwig Mises schrieben dazu, dass der Begriff Bürokrat immer mit einem ehrenrührigen Unterton beziehungsweise mit einer negativen Stimmung verbunden werde. 

Während die Vorteile bürokratischen Handelns – wie der Schutz vor willkürlicher Ausübung von Staatsgewalten, Sicherheit durch verlässliche Regelungen oder Neutralität durch gleiche Behandlung aller – oftmals in den Hintergrund treten, treten die Nachteile immer mehr in den Vordergrund. Die lange Dauer von Verfahren und die damit verbundenen hohen Kosten werden oftmals genannt.

Ursache dafür sind immer komplexer werdende Rechtsvorschriften und Normen, mit denen versucht wird, möglichst alle Lebenssachverhalte abzubilden und einem Regulativ zu unterwerfen. 

Entbürokratisierungsinitiativen scheitern meistens

Es ist daher nicht verwunderlich, dass in regelmäßigen Abständen Entbürokratisierungsinitiativen gestartet werden – von der Regierung genauso wie von der Opposition. In der Entbürokratisierung wird nämlich die Möglichkeit gesehen, die Staatsausgaben zu reduzieren, schnellere Verfahren durchzuführen und letztlich Freiräume für individuelles und wirtschaftliches Handeln zu schaffen.

In der Umsetzung sind diese Initiativen jedoch meistens gescheitert. Kaum ein Gesetz wurde aufgehoben und noch weniger wurden zeitlich befristet erlassen, um die Auswirkungen und den Bedarf nach Regelungen tatsächlich zu erheben. Es ist zugegebenermaßen auch schwer, immer den richtigen Interessensausgleich zwischen dem Ziel eines Gesetzes, einer Richtlinie oder einer Norm und den damit verbundenen Nachteilen der bürokratischen Abwicklung zu finden. Bei manchen Gesetzen dürfte dies allerdings nicht so schwer sein. 

Beispiel Vergabe: Niemand kann das Gesetz richtig anwenden

Ein gutes Beispiel dafür ist das Vergabegesetz. Die mit dem Gesetz verbundenen Ziele, wie Transparenz bei der öffentlichen Auftragsvergabe, Verschaffung eines Marktüberblicks für die öffentliche Hand, das Erzielen des besten Preises und damit ein effizientes Handeln der Gebietskörperschaften und der von ihnen beherrschten Unternehmen zu ermöglichen, können getrost als gescheitert betrachtet werden.

Wenn das Gesetz dermaßen komplex gestaltet ist und mit vielen artfremden, mit dem ursprünglichen Ziel nicht mehr im Einklang stehenden Zielen zusätzlich verkompliziert wird, sodass weder große Unternehmen noch die Gebietskörperschaften Bund und Länder selbst in der Lage sind, ordnungsgemäße Vergabeverfahren abzuwickeln, dann muss es erlaubt sein, das System zu hinterfragen. Spezialisierte Anwälte müssen beauftragt werden, was mit hohen Mehrkosten verbunden ist.

Wenn selbst ein Ministerium wie das BMK nicht in der Lage ist, eine ordnungsgemäße Ausschreibung für eine Vergabe durchzuführen und diese dann widerrufen muss, spricht das ja Bände. Wie das die vielen Gemeinden schaffen sollen, sei dahingestellt. Dabei werden das Ziel und der Zweck des Vergabegesetzes, wie die jüngsten Erkenntnisse des Baukartellverfahrens zeigen, in vielen Fällen gar nicht erreicht. 

Informationsfreiheitsgesetz: Viele Fragen offen

Auch mit dem gerade in der Ziellinie verhandelten Informationsfreiheitsgesetz ist es nicht viel anders. Bei allem Verständnis für eine Transparenz in der öffentlichen Verwaltung und im staatlichen Handeln ist zu bemerken, dass man einerseits über das Ziel hinausschießt und andererseits notwendige Vorgaben für die Ermöglichung dieser Transparenz noch nicht geschaffen hat.

Dabei geht es nicht um die schon jetzt bestehende Möglichkeit der Bürger, Auskünfte von Behörden und Gebietskörperschaften zu erlangen, sondern um die sogenannte proaktive Veröffentlichungspflicht. Was sind Informationen von „allgemeinem Interesse“? Wie ist bei der Abwägung zwischen Datenschutz und Information vorzugehen? Wo sind die Datenbanken und Register, in die die Daten eingespeist werden sollen? Wer wird sie zukünftig betreiben und für die sinnvolle Zusammenführung der Register sorgen? 

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Dass im Zuge der diskutierten Ausnahme von Gemeinden unter 10.000 Einwohnern von der proaktiven Veröffentlichungspflicht ausgerechnet die Gemeinden kritisiert werden, weil damit drei Viertel Österreichs nicht betroffen wären, ist komplett unverständlich. Sollen doch einmal der Bund und die Länder vorangehen und zeigen, wie es geht. Sollte sich herausstellen, dass alle Probleme gelöst, die Register geschaffen und die erforderlichen Daten erfolgreich zusammengeführt sind, werden auch die Gemeinden ihren Verpflichtungen gerne nachkommen. Zwischenzeitig können sich interessierte Bürger durch einen Blick in überschaubare Rechnungsabschlüsse und durch Information aus den Gemeindenachrichten die Informationen holen und nachlesen, wofür die Steuergelder verwendet wurden. 

Energiekrise macht Beschleunigung notwendig

Dass Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Verfahren ein Gebot der Stunde sind, zeigen gerade die Entwicklungen in Zusammenhang mit der Energiekrise. Das dem Grunde nach unterstützte Ziel, die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren beziehungsweise zur Gänze auf erneuerbare Energieträger umzustellen, wird wohl von allen unterstützt. Die damit verbundene Notwendigkeit, diese erneuerbare Energie durch Wasser, Biomasse, Photovoltaik und Windkraftanlagen auch selbst zu produzieren, wird schon nicht mehr von allen so gesehen. Vor allem dann nicht, wenn diese Einrichtungen vor der eigenen Haustür stehen.

Verfahrensdauern von fast einem Jahrzehnt für derartige Anlagen und den damit verbundenen notwendigen Ausbau unserer Stromnetze können wir uns wohl nicht mehr leisten, wenn die angestrebten Ausbauziele und die Dekarbonisierungsziele erreicht werden sollen. Selbst die EU hat dies erkannt und mit der RED III-Richtlinie Fristen für die Durchführung von Verfahren vorgegeben.

In Österreich haben wir vor nicht allzu langer Zeit das Umweltverträglichkeitsgesetz geändert, um eine Beschleunigung der Verfahren zu erzielen. Zwar hat man sich nicht gescheut, die Gemeinden in ihrer Widmungskompetenz zu beschneiden, ob aber dessen ungeachtet die Beschleunigung tatsächlich erreicht werden kann, darf bezweifelt werden. 

Bürokratieabbau und eine Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren wären ein Gebot der Stunde. Der Weg der Umsetzung ist jedoch ein steiniger.