Äpfel in einer Plantage
Zwischen 2012 und 2022 wuchs der Hektarertrag mit Feldfrüchten um mehr als 15 Prozent, nicht zuletzt weil im Zuge von Flächenzusammenlegungen zuvor nicht bewirtschaftete Vegetationsflächen eingeackert wurden.
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Bund studiert neue Steuern für mehr Bodenschutz

Durch die Einigung auf eine Bodenschutzstrategie ohne Flächenziel haben Länder und Gemeindebund vorerst Schlimmeres verhindert. Doch die nächste Gefahr ist bereits im Anrollen.

Dass die Bodenschutzstrategie ohne Flächenziel verabschiedet wurde, ist ganz gut so. Denn die wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Folgen einer derart restriktiven Beschränkung wurden bislang verschwiegen.

Bereits im Herbst des Vorjahres legte das Beraternetzwerk Kreutzer Fischer & Partner eine Studie vor, in der die Folgen einer Reduktion der Flächeninanspruchnahme auf 2,5 Hektar pro Tag im Detail beleuchtet werden. So hätte man etwa die zur Verfügung gestellten Flächen für Betriebsansiedlungen oder Betriebserweiterungen, für Kindergärten, Schulen, Altersheime oder Kommunaleinrichtungen um 85 bis 95 Prozent verringern müssen, womit man nicht nur das Wachstum der heimischen Wirtschaft massiv behindert hätte, sondern auch den Ausbau der Wohlfahrtsinfrastruktur. 

Auswirkungen auf Gesellschaft, wenn weniger gebaut werden darf

Zudem wäre die Errichtung von jährlich bundesweit nur noch rund 1.000 neuen Einfamilienhäusern möglich gewesen. Im Durchschnitt der letzten zwei Jahrzehnte waren es circa 16.500 Gebäude pro Jahr.

Auf mittlere Sicht würde das die Spaltung der Gesellschaft weiter vertiefen. Auf der einen Seite stünden dann die Besitzenden. Das sind jene, die ein Eigenheim durch Erbschaft gewonnen oder mittels Einsatz hoher Geldmittel am Sekundärmarkt gekauft haben.

Auf der anderen Seite befände sich der Rest der Gesellschaft, dem der Zugang zum eigenen Haus verwehrt bleibt, obgleich ein solches, insbesondere für den Mittelstand, das wohl letzte mächtige, physische Zeichen für Erfolg und Wohlstand ist. Im Gegenzug hätte man mehr Mehrfamilienhäuser bauen müssen und diese um drei bis vier Stockwerke höher, da infolge der wachsenden Bevölkerung der Wohnraumbedarf auch künftig steigt.

Wartelisten für Baubewilligungen?

Zudem hätte sich die Frage gestellt, wie eine auf Bundesebene fixierte Zielmarke (2,5 Hektar pro Tag) auf kommunaler Ebene umgesetzt werden soll.

Rund 60 Prozent aller österreichischen Gemeinden haben nicht mehr als 2.000 Einwohner. In knapp 90 Prozent aller Kommunen leben weniger als 5.000 Personen. Legt man die Zielmarke auf die Bevölkerungsanzahl um, stünden in den Flächenbundesländern (ohne Wien) je Einwohner lediglich zwischen einem und 1,3 Quadratmeter pro Jahr zur Verfügung. In einer Median-Gemeinde wären das somit weniger als 2.000 Quadratmeter pro Jahr.

Die Gemeinde hätte also die Wahl gehabt, ob sie drei bis vier Eigenheime bewilligt oder ein Mehrfamilienhaus. Ob sie alternativ lieber einen Kindergarten baut oder einen Spielplatz errichtet. Oder sich für die Ansiedlung eines Gewerbebetriebs entscheidet. Alles gleichzeitig wäre nicht gegangen. Vielmehr hätte man Wartelisten für Baubewilligungen anlegen und entscheiden müssen, ob man diese nach dem Prinzip „First come – first serve“ führt oder anders priorisiert.

Neue Abgaben angedacht

Doch der Bund gibt sich offensichtlich noch nicht geschlagen. Nun versucht man mit fiskalen Mitteln, den Föderalismus zu untergraben. Die TU Wien hat vor einigen Wochen eine Studie im Auftrag des BMF präsentiert, in der die Autoren eine „Flächenwidmungs- und Versiegelungsumlage“ sowie eine „Widmungs- und Versiegelungsabgabe“ vorschlagen. 

Erstere soll von den Gemeinden, Zweitere von den Grundstückseigentümern abgeführt werden, obgleich sich die Baupreise im Hochbau in den letzten drei Jahren bereits um ein Drittel erhöht haben, die Wohnungsmieten rascher steigen als die Inflation und der am Markt verfügbare Wohnungsleerstand nach wie vor nur bei drei bis vier Prozent des Wohnungsbestands liegt.

Nichtsdestotrotz sollen die Flächen- und Versiegelungssteuern gemeinsam dazu beitragen, dass sich die Bautätigkeit reduziert. Wie in diesem Zusammenhang die erst kürzlich beschlossene Wohnbauoffensive einzuordnen ist, ist fraglich.

Jedenfalls sollen – nach Auffassung der Studienautoren – durch die Einschränkung der Flächeninanspruchnahme unter anderem die CO₂-Emissionen sinken und die Biodiversität geschützt werden.

Nun ist die Erderwärmung tatsächlich ein Problem, der Handlungsspielraum Österreichs diesbezüglich aber gering. Mit einem Anteil von gerade einmal 0,17 Prozent am globalen Kohlendioxid-Ausstoß emittiert Österreich weniger als die Messtoleranz und kann daher praktisch nichts zur Rettung des Weltklimas beitragen. Die Biodiversität ist wiederum weniger vom Einfamilienhaus bedroht denn von der Industrialisierung der Landwirtschaft. 

Andere Länder sind stärker versiegelt

Zwischen 2012 und 2022 wuchs der Hektarertrag mit Feldfrüchten um mehr als 15 Prozent, nicht zuletzt weil im Zuge von Flächenzusammenlegungen zuvor nicht bewirtschaftete Vegetationsflächen eingeackert wurden.

Dass man mit der Ressource Boden sorgsam umgehen soll, steht außer Frage. Ob tatsächlich dringender Handlungsbedarf für substanzielle Limitierungen besteht, indessen wohl. 

In den letzten Jahren lag die jährliche Flächeninanspruchnahme im Schnitt bei knapp 42 Quadratkilometer. Rund die Hälfte davon wurde versiegelt. Das entspricht in etwa 0,02 Prozent der Landesfläche.

Insgesamt waren im Jahr 2022 rund 3,5 Prozent von Österreich überbaut, asphaltiert oder zubetoniert. Damit ist die Versiegelungsquote in Österreich niedriger als in anderen europäischen Industrienationen wie beispielsweise den Niederlanden, der Schweiz, Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien oder dem Vereinigten Königreich. Selbst bei weiterhin konstanter Flächeninanspruchnahme (42 km²/Jahr) bis zum Jahr 2200 – die niemand fordert – wäre der Anteil der versiegelten Fläche in Österreich nach wie vor geringer als in den Niederlanden und Belgien im Jahr 2018.