Walter Leiss
Walter Leiss: „Offensichtlich herrscht sowohl bei der Breitbandversorgung, als auch bei der Versorgung mit Ökostrom ein Marktversagen.“

Gemeinden wollen Gleichbehandlung

Vor Kurzem hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Rede zur Lage der EU gehalten. Neben weiteren Vorhaben hob sie dabei besonders zwei Ziele hervor. Die Stärkung von Digitalisierung und die Verschärfung der Klimaschutzziele. Die Erreichung der Ziele sollen durch das EU-Budget im Gesamten und im Speziellen durch den 750 Milliarden Euro umfassenden EU-Wiederaufbaufonds unterstützt werden. Die Umsetzung und die Erreichung der Ziele obliegt natürlich den Nationalstaaten. Bei Nichterreichen drohen Strafzahlungen.

Nicht nur deswegen hat das Thema der Erreichung der Klimaschutzziele und das Thema der Digitalisierung große Bedeutung in der österreichischen Innenpolitik. Soeben wurde das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz 2020 (EAG) zur Begutachtung übermittelt. 

Woher soll der saubere Strom kommen?

Das Gesetz soll die notwendigen Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass Österreich in nur neun Jahren um die Hälfte mehr sauberen Strom produziert als heute. Ein ehrgeiziges Vorhaben, wenn man bedenkt, dass in den nächsten neun Jahren elf Terrawattstunden aus Windkraftanlagen, zehn Terawattstunden aus Solarkraftanlagen, fünf Terawattstunden aus der Wasserkraft und eine Terrawattstunde aus Biomassekraftwerken kommen soll.

Die Widerstände gegen Windkraftanlagen machen ja beständig die Runde. Und Windkraftanlagen nur im Marchfeld bzw. im nördlichen Burgenland aufzustellen, weil hier das Landschaftsbild schon jetzt durch Windkraftanlagen geprägt ist, wird wohl nicht funktionieren.

Gespannt darf man auch sein, wenn Solargroßanlagen auf die grüne Wiese kommen, weil Fassaden und Dächer nicht die entsprechenden Kapazitäten liefern. Und selbst Wasserkraftanlagen stoßen immer wieder auf Widerstand. Es soll nicht weiter untersucht werden, wo die Wertschöpfung gerade bei Wind- und Solarkraftwerken hinfließt. Klar ist, dass sie bei der Wasserkraft und bei der Biomasse im stärkeren Ausmaß im Inland liegt.

Kernpunkt ist jedoch, dass für die Bewältigung dieser Aufgabe die Regierung in der Summe zehn Milliarden Euro an Förderungen vorgesehen hat. Jedes Jahr sollen Ökostromerzeuger eine Milliarde Euro an Unterstützung erhalten. Die Finanzierung erfolgt aus diversen Fördertöpfen, die letztendlich aus Steuereinnahmen finanziert werden.

Bemerkenswert ist dabei, dass die Einnahmen aus den Energieabgaben schon derzeit fast eine Milliarde Euro pro Jahr ausmachen. Sie sollen um 25 Prozent angehoben werden.

Letztendlich werden damit mit Steuereinnahmen, die jeder Haushalt und die Industrie zu leisten haben, Maßnahmen gesetzt, um die vereinbarten Ziele zu erreichen. Das soll nicht als Kritik verstanden werden. Vielmehr wünschenswert wäre es, dass derartige Lösungen auch zur Erreichung anderer Ziele gefunden werden.

Für Digitalisierung fehlen die Mitteln

Hier ist die Digitalisierung anzusprechen. Ein ebenso wichtiges Ziel, wie auch die EU-Kommissionspräsidentin hervorgehoben hat. Zwar haben sich in den letzten Jahren die Ziele, mit wie vielen MBit/s die Versorgung sicher zu stellen ist, nach oben verschoben, mittlerweile sind wir in einer Gigabyte-Gesellschaft angekommen – jedoch fehlen für die Realisierung dieser Vorhaben die entsprechenden Mittel.

Eine flächendeckende Versorgung mit einer Glasfaserinfrastruktur würde 10 bis 15 Milliarden Euro kosten. Zwar wurde schon 2013 die Breitbandmilliarde des Bundes beschlossen, in der Bereitstellung der Infrastruktur hinken wir jedoch hinterher. Und das nicht nur am breiten Land, sondern durchaus auch in urbanen Gebieten.

„Lahmes Highspeed-Internet“ auch in der Stadt Wien titelte der „Standard“ in seiner Ausgabe vom 17. September 2020. Von der Situation am weiten breiten Land gar nicht zu sprechen.

Offensichtlich herrscht sowohl bei der Breitbandversorgung, als auch bei der Versorgung mit Ökostrom ein Marktversagen. Während bei der Versorgung mit Ökostrom den Betreibern kräftig unter die Arme gegriffen wird, um marktkonform produzieren zu können, fehlt diese Initiative bei der Breitbandversorgung. Die Breitbandversorgung soll durch die Privatwirtschaft erfolgen. Der Wettbewerb soll den dafür erforderlichen Rahmen bilden. Förderungen müssen in Brüssel notifiziert werden und die Wettbewerbshüter sehen oft keine Notwendigkeit hier in den Markt einzugreifen. Dass dann viele ländliche Regionen noch lange auf Glasfaseranschlüsse warten müssen ist das Ergebnis.

Zwar wurde der Klimaschutzziele und die Digitalisierung mitsamt der damit notwendigen Breitbandversorgung, als gleichwertige Ziele auch von der Kommissionspräsidentin genannt, aber die Umsetzung erfolgt sehr unterschiedlich.

Finanzierung von Bahnkreuzungen bleibt ein Problem 

Derartige unterschiedliche Herangehensweisen an bestimmte Themen finden wir auch in anderen Bereichen. Als Beispiel sei die Eisenbahnkreuzungsverordnung genannt. Hier wurde vom Bund vorgegeben, dass ungesicherte Eisenbahnübergänge künftig technisch zu sichern sind. Die Kosten dieser Sicherung haben die Bahnbetreiber und die Straßenhalter, vielfach die Gemeinden, zu tragen. Für viele Gemeinden unzumutbare Summen.

Dem Gemeindebund ist es zwar gelungen, durch Ausrufung des Konsultationsmechanismus und einer Klage beim Verfassungsgerichtshof klarzustellen, dass der Bund die Kosten übernehmen muss, jedoch nur bis zum nächsten Finanzausgleich. Und im Finanzausgleich wurde den Gemeinden zwar ein gewisser Betrag zugesprochen, jedoch schnell hat sich herausgestellt, dass mit den zuerkannten Summen nicht das Auslangen gefunden werden kann. Für viele Gemeinden besteht das Finanzierungsproblem daher nach wie vor.

Ohne die Sinnhaftigkeit der Verordnung in Frage stellen zu wollen, sei die Bemerkung doch gestattet, dass wir immer wieder über Unfälle auf durch Lichtzeichen geregelten Eisenbahnübergängen lesen müssen. Offenbar ist auch eine Sicherung durch Lichtzeichen nicht ausreichend, und sind vielleicht auch zukünftig durch Lichtzeichen gesicherte Eisenbahnkreuzungen durch Schrankenanlagen zu ersetzen. Geboten wäre daher eine generelle Finanzierungslösung für die Finanzierung derartiger Sicherungseinrichtungen nach dem Motto „Wer anschafft der soll auch zahlen“.

Gemeinden dürfen immer noch keine Radarüberwachung durchführen

Letztlich ebenso wenig ist verständlich, dass für eine Erhöhung der Strafgelder bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von Bund und Ländern eingetreten wird, aber gleichzeitig verhindert wird, dass diese Geschwindigkeitsüberschreitungen auch tatsächlich überwacht werden. Seit einem Jahrzehnt treten wir dafür ein, dass es den Gemeinden auch ermöglicht werden soll, Radarüberwachungen auf Gemeindestraßen durchzuführen. Das wurde den Gemeinden durch fadenscheinige Begründungen immer verwehrt.

Einmal ist es der Datenschutz, dann der mit der Durchführung der Strafverfahren verbundene Verwaltungsaufwand, den die Länder als Strafbehörden zu tragen hätten. Dabei gibt es längst digitale Lösungen, die eine automatisationsunterstützte Abwicklung mit einem Minimum an Verwaltungsaufwand ermöglichen würden. Wenn es tatsächlich Ziel sein sollte, die „Raserei auf den Straßen“ einzudämmen, dann sollte man den Gemeinden auch die dafür notwendigen Mittel in die Hand geben.

Die angesprochenen Bereiche zeigen höchst unterschiedliche Vorgangsweisen, die zur Zielerreichung von bestimmten Vorhaben erfolgen. Die Umsetzung ist leider oftmals nicht im Interesse der Gemeinden.