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Digitalisierung

Wo hilft die KI der Verwaltung?

In welchen Verwaltungsbereichen sind Lösungen mit KI-Unterstützung besonders erfolgsträchtig? Dieser Frage ging eine Runde heimischer KI-Experten bei einem Publikumsgespräch des Report Verlags im Bundesrechenzentrum auf den Grund.

„Für mich ist es so etwas wie ein iPhone-Moment, als 2007 das Smartphone den kompletten Markt verändert hat.“ So beschreibt Staatssekretär Florian Tursky die aktuellen Entwicklungen auf dem Gebiet der KI, insbesondere  die plötzliche Breitenwirkung in der Gesellschaft dank ChatGPT & Co. Anfang September meinte er beim Forum Alpbach noch: „Wenn ich ,künstliche Intelligenz‘ sage, denkt jeder in Österreich an den Terminator.“ Nun, ein halbes Jahr später, sei das völlig anders. 

Rasend schnelle Entwicklung

Tatsächlich haben sich KI-Anwendungen zur Bild-, Text- oder Code-Produktion binnen kürzester Zeit etabliert – in einem Tempo, das nicht nur Laien, sondern auch diverse Tech-Größen verunsichert. Letztere forderten gar ein sechsmonatiges Moratorium für weitere KI-Entwick­lungen, denn nicht einmal die Erfinder der Systeme könnten das Verhalten ihrer Entwicklungen verstehen, vorhersagen oder zuverlässig kontrollieren.

Podiumsdiskussion zu KI
Die Podiumsteilnehmer: Moderator Martin Szelgrad (Report Verlag),  Staatssekretär Florian Tursky,  Jasmin Lampert (AIT), Sabine Walch (CEO von danube.ai), Andreas Trost (BRZ), Martin Beck (Bearing­Point Österreich), Thomas Schweiger (Nagarro)

Dennoch zeigte sich Tursky beim Publikumsgespräch zum Thema „KI in der Anwendung“ dahingehend sehr optimistisch und fokussierte auf die Chancen, die die neuen Technologien bieten. Er ist überzeugt, dass künstliche Intelligenzen unser Leben zukünftig einfacher, schneller und bequemer machen werden. Wir würden länger und gesünder leben, aber auch den Energieverbrauch von Technologie reduzieren müssen: „An KI werden alle großen Fragen unserer Zeit adressiert“, so Tursky. Die Frage sei auch: „Sind wir da als Österreich bzw. als Europa dabei?“

Die Digitalisierung sei nun mal ein Prozess, der weltweit stattfinde, und wir befänden uns als Europa geschichtlich erstmals „in der wirklich blöden Situation, dass sich die ganze Welt nicht mehr um Europa dreht, sondern wir links und rechts Gefahr laufen, überholt zu werden – teilweise schon oft schon überholt wurden.“

Und Österreich?

Österreich sei gut aufgestellt – zum Beispiel bei Anschubfinanzierungen für Start-ups durch die FFG. Bei weiteren Finanzierungsrunden ab rund einer Million Euro müssten wir aber noch attraktiver werden und auch bessere Rahmenbedingungen für Venture Capital schaffen.

Neue Institutionen und Initiativen wie die TU für Digitalisierung und digitale Transformation in Linz wären ein Mittel, um dem Fachkräftemangel  in der IT zu begegnen. Eine Regulierung wie  etwa der „EU AI Act“ sei ein zentraler Faktor für den Erfolg eines KI-Marktes. Davon, Innovation oder Forschung zu verbieten, wie es das KI-Moratorium verlangt, hält er hingegen nichts. 

Wo KI im öffentlichen Sektor eingesetzt werden könnte, beantwortete Andreas Trost, Teamleiter Product Management AI im BRZ: „In der Betrugsbekämpfung können als Teil des Risikomanagements Unregelmäßigkeiten in Steuererklärungen, in der Betriebsführung oder auch als Teil der Forensik in beschlagnahmten Dokumenten und Daten mithilfe von KI gefunden werden.“

Anhand von Daten aus der Vergangenheit könnten Muster erkannt und komplexe Zusammenhänge entdeckt werden. Experten der Betriebsprüfung und Steuerfahndung könnten so bei der Auswahl und Bearbeitung ihrer Fälle unterstützt werden.

Automatisierte Anonymisierung von personenbezogenen Daten

Als weiteres Beispiel aus dem Bereich der Textanalyse nennt Trost die automatisierte Anonymisierung von personenbezogenen Daten in Dokumenten aus Gerichtsentscheidungen, die im Rechtsinformationssystem des Bundes veröffentlicht werden.

KI helfe auch, um Gesichter auf Fotos aus Gründen des Datenschutzes unkenntlich zu machen oder bei der Beschlagwortung von Bildern in Archiven, um zum Beispiel nach bestimmten Gebäudetypen suchen zu können.

Im Bereich der Prognosen und Simulationen gibt es ebenfalls Anwendungsszenarien, wie zum Beispiel in der wirtschaftlichen Krisenvorsorge. Eine intelligente Prozessautomatisierung senke den Aufwand bei Bürgern und innerhalb der Verwaltung bei zahlreichen Anwendungsfällen.

Forschung zum Klimawandel

Jasmin Lampert, Senior Data Scientist am Austrian Institute of Technology, ergänzte, dass etwa bei Forschungsfragen rund um den Klimawandel versucht werde, die Effekte aus Maßnahmen nicht nur für einen isolierten Bereich wie die Mobilität, sondern im Gesamtsystem zu begreifen: „Welche klimabezogenen Folgen hat eine politische Regulierung etwa im Bereich Landwirtschaft auf andere Sektoren? Welche Folgen haben höhere Durchschnittstemperaturen im Anbau auf den Einsatz von bestimmten Feldfrüchten und letztlich auch auf die Lebensmittelpreise und die Nachfrage bei den Konsumenten?“ Bei diesen Fragestellungen sei immer auch das große Bild erforderlich.

Digitale Services

Martin Beck, Head of Data Analytics & AI bei BearingPoint, sieht die Verwaltung in Österreich bei digitalen Services als Vorreiter. „Ein Strafregisterauszug ist hierzulande mit wenigen Klicks online erledigt, während man in Deutschland dazu noch aufs Amt gehen muss – und das Dokument mit der Post zugeschickt wird.“

Er warnt aber davor, dass wir diesen Vorsprung in Europa im KI-Bereich verlieren könnten. So habe etwa das aktuelle Budget Deutschlands für KI-Lösun­gen in den Bundesministerien eine Größenordnung von 350 Millionen Euro.

BearingPoint arbeite im öffentlichen Sektor in Deutschland bereits an der Definition und Umsetzung einer ganzheitlichen Datenstrategie. Zusätzlich werden aktuell Projekte zur Entwicklung von schnelleren Dienstleistungen und rascheren Antwortzeiten umgesetzt, die auch Chatbots und Robotic Process Automation nutzen. „Wir implementieren und bauen Innovationszentren, sogenannte KI-Geschäftsstellen, auf, um auch in der Öffentlichkeit das Thema KI und das Thema Daten zu fördern und dazu Projekte auf den Boden zu bringen“, so Beck. 

Im Zuge der Diskussion kristallisierte sich heraus, dass die Gretchenfrage nicht jene nach den Anwendungsfällen ist, sondern ob es Österreich gelingt, diese auch tatsächlich umzusetzen, um so im Innovationswettlauf mitzuhalten.