Symbolbild für einen Menschen, der einen Fehler gemacht hat und auf den alle zeigen
© Nuthawut - stock.adobe.com

Wenn Bürgermeister Fehler machen

Immer wieder stehen Bürgermeister landauf, landab in der Kritik, weil sie Handlungen getätigt haben, die ihrer Vorbildrolle an der Spitze einer Gemeinde nicht gerecht ­werden. Meist ist das nicht unbedingt rechtlich problematisch, aber „moralisch verwerflich“. Auch wenn die Verantwortlichen den Fehler einsehen und sich entschuldigen, bleiben sie gebrandmarkt. Aber was sagt das über die Fehlerkultur in Österreich?

Aktuell stehen zwei niederösterreichische Bürgermeister unter heftigem medialem Druck: Hannes Koza (Vösendorf), der eine Anwaltsrechnung nachträglich abgeändert hat, und  Günter Schaubach (Pyhra), der an einer Umwidmung in der Gemeinde verdient haben soll. Doch wie geht es den beiden Bürgermeistern? Sehen sie ihre Fehler ein? Wie rechtfertigen sie die Fehler gegenüber ihrer Bevölkerung? Und wieso treten sie nicht zurück? Hier kommen beide zu Wort.

Hannes Koza: Honorarnote gefälscht

Hannes Koza wird vorgeworfen, eine Honorarnote gefälscht zu haben. „Mir ist klar, ich habe einen Fehler gemacht. Und das tut mir auch aufrichtig leid. Aber ich habe keinen Schaden für die Gemeinde angerichtet“, sagt Hannes Koza, Bürgermeister von Vösendorf südlich von Wien. Worum geht es bei der Sache und was wird dem Bürgermeister konkret vorgeworfen? „Honorar­note gefälscht. Bürgermeister im Visier der Justiz“, titelte der „Kurier“ am 19. Jänner 2024 in der Causa um Koza. 

Und das ist die Geschichte: Der Bürgermeister hatte in einem Tweet die Kinderfreunde kritisiert und daraufhin ein Abmahnschreiben einer Rechtsanwaltskanzlei bekommen, mit der Aufforderung, seine Aussagen zu widerrufen und für einen wohltätigen Zweck zu spenden.

„Ich habe die Sache gleich in die Hand genommen und 1.000 Euro privat zugunsten einer humanitären Initiative gespendet und 1.123,90 Euro an Anwaltskosten beglichen. All das musste ich in meiner Funktion als Bürgermeister tätigen. Somit war für mich klar, dass ich mir die Anwaltskosten von der Gemeinde rückvergüten lasse, denn das ist die übliche Praxis bei uns in der Gemeinde seit Jahrzehnten“, erzählt Koza. 
Allerdings sei die Summe als Beratungskosten für die Anschaffung eines neuen Feuerwehrautos angeführt gewesen und vom sogenannten Feuerwehrkonto verbucht worden.

Der Verdacht der Anwaltskanzlei: Die ursprüngliche Honorarnote sei vom Bürgermeister gefälscht worden, um sich die von „ihm privat verursachten und geschuldeten Anwaltskosten von der Gemeinde Vösendorf rechtswidrig ersetzen zu lassen“ – so die eingebrachte Sachverhaltsdarstellung der Anwaltskanzlei. Die Staatsanwaltschaft ermittelte daraufhin wegen des Verdachts der Untreue und Urkundenfälschung gegen Bürgermeister Koza.

Hannes Koza
Hannes Koza, Bürgermeister von Vösendorf: „Die moralische Verantwortung als Bürgermeister und Vorbild gegenüber der Bevölkerung ist mir sehr wohl bewusst. Aber auch ein Bürgermeister macht Fehler.“

„Ich gebe zu, das war ein Fehler. Das hätte ich nicht machen dürfen. Und das wird mir für die Zukunft eine Lehre sein“, so Hannes Koza. Aber man müsse sich schon auch fragen, worum es hier gehe. „Es geht um 1.100 Euro, ich bin ein einfacher Landbürgermeister und wurde tagelang bundesweit durch alle Medien gehetzt. Ich bin doch kein Schwerverbrecher, mein Pech ist nur, ich bin ÖVP-Politiker“, sagt Koza.

Er sieht hinter all diesen Geschichten eine politisch motivierte Komponente: „Wenn man als Opposition politisch keine Chance hat, dann wird man persönlich und geht auf Fehlersuche“, so der 46-Jährige. Er lasse sich nicht politisch kaputt machen. „Wenn die Bevölkerung befindet, dass ich falsch gehandelt habe, dann werde ich auch zurücktreten“, so Koza.  Aus jetziger Sicht gebe es für ihn keinen Handlungsbedarf.
Dabei sei ihm die ganze Sache persönlich sehr nahe gegangen. Er konnte nicht schlafen, habe sich ständig gefragt: „Was kommt als Nächstes?“ Sogar seine Frau sei mit dem Heurigenbetrieb in die Sache hineingezogen worden, „obwohl das ihr Job ist und mit meiner Bürgermeistertätigkeit nichts zu tun hat“, ärgert sich Koza.

Entscheidung für Neuwahl

Koza ging in die Offensive und entschied sich für Neuwahlen, denn er wollte die Sache nicht einfach auf sich sitzen lassen. „Ich habe mit meiner Fraktion gesprochen und sie gefragt, wie wir weitermachen. Meine Fraktion steht zu 100 Prozent hinter mir und so haben wir uns gemeinsam für Neuwahlen entschieden“, sagt Koza. Auch die Bürgerinnen und Bürger würden hinter ihm stehen. „Die Bevölkerung kennt mich und weiß, dass ich keiner bin, der die Gemeinde abzockt. Im Gegenteil: Sie wissen, was ich für Vösendorf alles erreicht habe und wie wichtig mir unsere Gemeinde ist“, sagt Hannes Koza. Jetzt gebe es in der Gemeinde so etwas wie eine „Jetzt-erst-recht-Stimmung“, ist er überzeugt.
Aktuell ist Bürgermeister Hannes Koza im Wahlkampf, am 5. Mai sollen die Bürgerinnen und Bürger von Vösendorf entscheiden, wie sie zu ihrem Ortschef stehen und ob sie ihm den „Fehler“ verzeihen. 

„Für mich gibt es seit letzter Woche (­Mitte März 2024, Anm.) eine völlig neue Situation: Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKsta) hat die Ermittlungen betreffend Untreue gegen mich eingestellt. Hinsichtlich des kolportierten Amtsmissbrauchs und der Verhetzung gab es keine Ermittlungen. Bezüglich der Urkundenfälschung haben wir uns auf eine Diversion von 2.000 Euro geeinigt. Das heißt, ich kann völlig unbeschwert in den Wahlkampf und in die Wahl gehen“, sagt Koza zuversichtlich. Die moralische Verantwortung als Bürgermeister und Vorbild gegenüber seiner Bevölkerung sei ihm sehr wohl bewusst. „Aber auch ein Bürgermeister macht Fehler“, sagt Koza.

Günter Schaubach: Von Grund­stücks­­deal profitiert?

Günter Schaubach
Günter Schaubach, Bürgermeister von Pyhra: „Mein privates Geschäftsmodell sind Immobilien. Aber ich würde als Bürgermeister nicht mehr in der eigenen Gemeinde mit Grundstücken handeln.“

Günter Schaubach soll von einem Grund­stücks­­deal profitiert haben. Ortswechsel nach Pyhra im Bezirk St. Pölten-Land: Bürgermeister Günter Schaubach wurde wie sein Kollege Hannes Koza tagelang in allen Medien an den Pranger gestellt. Der Grund: Er soll vom Kauf und anschließen­den Verkauf eines Grundstücks in seiner Gemeinde nicht nur profitiert, sondern nach Ankauf eines Grundstücks mit der Umwidmung und Aufwertung der Bauklasse rund 40.000 Euro verdient haben. 

„Dies ist auch korrekt, dass ich aus dem Zugewinn für die Bauklassenaufwertung 40.000 Euro verdient habe. Und ich habe dieses Geld zur Gänze einen Monat später, im Dezember 2021, an die Pfarre Pyhra für die Sanierung der Außenfassade gespendet“, sagt Günter Schaubach. Die Opposition will trotzdem den Rücktritt des Bürgermeisters, die Gemeindeaufsicht prüft den Fall.

„ Mein privates Geschäftsmodell sind Immobilien“, sagt Günter Schaubach. Da liege es nahe, dass er An- und Verkäufe von Grundstücken tätige. Allerdings sei für ihn schon klar: „Ich würde als Bürgermeister nicht mehr in der eigenen Gemeinde mit Grundstücken handeln“, sagt der 53-Jährige.

Warten auf Prüfung durch Gemeindeaufsicht – danach weitere Schritte

Warum er nach dem Fall nicht zurückgetreten ist? „Jetzt alles hinzuschmeißen, wäre ein Schuldeingeständnis für mich“, sagt Schaubach. Stattdessen wolle er volle Aufklärung schaffen und sich der Causa stellen, mit seinen Parteigremien reden und die Prüfung durch die Gemeindeaufsicht abwarten. Und er hoffe auf eine zeitnahe Lösung. Falls ihm die Prüfung ein Fehlverhalten bescheinige, werde er die Entscheidung respektieren. „Ich bin kein Sesselkleber, aber ich möchte keinen Scherbenhaufen hinterlassen und möchte in meinen Gremien, aber auch in der Partei die weiteren Schritte besprechen“, sagt der Bürgermeister.

Was er nicht wolle, sei Mitleid. „Ich stehe zu meinen Handlungen. Ich möchte aber in Zukunft ohne schlechtes Gewissen und aufrechten Hauptes durch den Ort gehen“, sagt Schaubach.

Persönlich wünsche er niemandem, eine derartige Zeit durchzumachen. „Da kann man sich nicht abgrenzen und das geht sehr schnell vom Persönlichen ins Gesundheitliche“, weiß Günter Schaubach. Auch wenn er aus der Bevölkerung und auch von Bürgermeister-Kollegen viel Zuspruch bekomme, glaubt Schaubach, dass es in Zukunft schwierig werden wird, Menschen für die Kommunalpolitik zu gewinnen, „wenn selbst der kleinste Bürgermeister, der von seinen 4.000 Einwohnern gewählt ist, sich medial am öffentlichen Pranger vor rund neun Millionen Menschen verantworten muss. Zumal auch die Hintergründe dann oft nicht vollständig dargestellt werden. Das wird sich jeder fünf Mal überlegen“.