Windräder und PV-Anlage
Sowohl Windkraft als auch PV-Anlagen werden zunehmend weniger positiv gesehen. Und auch der Markt für Elektroautos kommt nicht in die Gänge.
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Wärmewende auf Eis?

Rückenwind für Klimaschutz schwindet

Angesichts immenser Teuerungen auf allen Ebenen verlieren Maßnahmen für den Klimaschutz in der österreichischen Bevölkerung an Priorität. Das zeigt eine aktuelle Studie von WU Wien, Deloitte Österreich und Wien Energie. Demnach ist die Unterstützung für erneuerbare Energieprojekte abgeflacht, und auch der ohnehin stotternde E-Auto-Markt verzeichnet hierzulande ein rückläufiges Interesse.
  • Weniger Akzeptanz: Die Zustimmungswerte für erneuerbaren Energieprojekte sinken

  • Anreize statt Verbote: Mehrheit spricht sich gegen ein zeitnahes Verbot von Gas- und Ölheizungen aus

  • Stagnierender Markt: Ohnehin geringes Kaufinteresse für E-Autos hat weiter abgenommen, Umweltschutzaspekt verliert an Bedeutung

  • Kaum Fortschritt: Teuerungen bremsen Bereitschaft zum Ausstieg aus fossilen Energieträgern

    Die Zustimmungswerte für Windkraftprojekte im eigenen Umfeld sind auf unter zwei Drittel gesunken sind. „Und auch die eigentlich sehr beliebte Photovoltaik erreicht mit 83 Prozent den niedrigste Akzeptanzwert seit Beginn der Studienreihe – das ist ein besorgniserregendes Ergebnis“, betont Studienautorin Nina Hampl von der WU Wien.

    Schwindender Rückenwind für geplante Verbote

    Nina Hampl
    Studienautorin Nina Hampl: „Die Österreicherinnen und Österreicher sind immer weniger dazu bereit, für die Energiewende persönliche Veränderungen hinzunehmen.“

    Die getrübte Stimmung zeigt sich auch in einem Rückgang der Unterstützung für energie- und klimapolitische Maßnahmen: Während im Vorjahr noch 66 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher befürworteten, dass der Gesamtstromverbrauch bis 2030 aus 100 Prozent erneuerbaren Energiequellen gedeckt werden soll, sind es aktuell nur mehr 55 Prozent. Und lediglich ein Drittel der Befragten spricht sich für ein generelles Verbot von Gasheizungen ab 2040 beziehungsweise Ölheizungen ab 2035 aus.

    „Die Österreicherinnen und Österreicher sind immer weniger dazu bereit, für die Energiewende persönliche Veränderungen hinzunehmen. Zwei Drittel sind dementsprechend der Meinung, dass mehr auf Anreize statt auf Verbote gesetzt werden sollte“, ergänzt Nina Hampl.

    Nichtsdestotrotz liegt Energiesparen weiter im Trend. Fast die Hälfte (47 %) setzt in diesem Zusammenhang auf eine Verhaltensänderung – und der Großteil davon will diese auch in den kommenden zwölf Monaten beibehalten. Grund dafür sind aber auch hier weniger Umweltaspekte, sondern vor allem der Kostenfaktor.

    Teuerungen bremsen Fortschritt aus

    Auch beim Thema nachhaltige Wärmeversorgung tritt Österreich auf der Stelle. So hat sich der Anteil von fossilen Energieträgern wie Erdgas oder Heizöl im Vergleich zum Vorjahr im privaten Wohnbau nach Angabe der Befragten kaum verändert. Immerhin der Trend zur Installation einer Photovoltaikanlage setzt sich weiter fort: Über die Hälfte der Anlagen wurde innerhalb der vergangenen zwei Jahre installiert.

    Michael Strebl
    Michael Strebl, Wien Energie: „Der Kostenfaktor ist gerade im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld für die Bevölkerung entscheidend.“

    „Die Wärmewende wird eine der zentralen Herausforderungen in naher Zukunft, doch laut Umfrage verlangsamen auch hier die aktuellen Teuerungen den wichtigen Fortschritt. Es wird sich zeigen, wie sich die bereits präsentierten Förderungen hier in den nächsten Monaten auswirken“, erklärt Michael Strebl; Vorsitzender der Geschäftsführung der Wien-Energie. „Erfreulich ist jedenfalls, dass die Bereitschaft der Österreicherinnen und Österreicher, sich an Bürgerprojekten zur Nutzung erneuerbarer Energien zu beteiligen, weiter leicht zunimmt.“

    Auch das Interesse an Energiegemeinschaften ist weiter hoch. Knapp die Hälfte der Befragten kann sich eine Beteiligung vorstellen. Jeder und jede Zehnte gibt sogar an, bereits an einer Energiegemeinschaft beteiligt zu sein. Der finanzielle Anreiz ist hier ebenfalls ausschlaggebend.

    „Wir sehen, dass die Themen Klimaschutz, Leistbarkeit und Versorgungssicherheit eng zusammenrücken. Der Kostenfaktor ist gerade im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld für die Bevölkerung entscheidend. Der Weg `raus aus Gas´ und damit in eine umweltfreundliche und auch preisstabilere Zukunft kann nur gelingen, wenn wir alle auf diesem Weg mit- und die Sorgen ernstnehmen“, so Strebl.

    PV-Anlagen leiden unter rechtlichen Restriktionen

    Was den PV-Anlagen (und mehr oder weniger allen privaten Stromerzeugern aus allen möglichen Quellen) zusetzt, sind aber auch Punkte, die sich zwar nicht aus der Studie ergeben, sondern sich im Gespräch nach der Präsentation gezeigt haben.

    So werden Anlagen auf Mehrparteienhäusern durch die Rechtslage ausgebremst, wonach erstens alle Hausparteien der Anlage zustimmen müssen (was praktisch nie vorkommen, so Strebl) und vor allem zweitens, dass der erzeugte Strom höchstens für die Stiegenhausbeleuchtung und den Aufzug verwendet werden darf.

    Größere Anlagen auf dem Land – beispielsweise auf Bauernhöfen oder Werkstätten – leiden auch darunter, dass die meisten Netze immer noch nicht darauf ausgelegt sind, größere Strommengen weiterzuleiten.

    „Jetzt rächt sich, dass die Stromnetze aufgrund politischer Vorgaben seit 15 Jahren praktisch nichts kosten durften und eine Modernisierung nun einmal mit Kosten einhergeht.“

    Der Blick aus dem zehnten Stock des Hauses des Meeres, wo die Präsentation stattfand, unterstreicht das: Auf praktisch keinem Dach ist eine PV-Anlage installiert. Wer hingegen über das Land in Nieder- oder Osterösterreich fährt, wird feststellen, dass auf gut der Hälfte der Dächer kleinere Anlagen sind. Mehr aber auch nicht, weil eben die Netz-Trafos nicht ausgelegt sind auf größere Strommengen privater Erzeuger.

    E-Auto-Markt kommt nicht in die Gänge

    Gerhard Marterbauer
    Gerhard Marterbauer, Deloitte Österreich: „Die Umfrage zeigt klar, dass sich öffentliche Förderungen positiv auf die Kaufentscheidung für ein E-Auto auswirken.“

    Doch nicht nur die Energiewende, auch die Mobilitätswende verläuft hierzulande schleppend. So hat das Kaufinteresse an E-Autos nach jahrelanger Stagnation nun sogar abgenommen. Vor allem die zu geringe Reichweite und die hohen Anschaffungskosten sprechen laut den Befragten gegen ein Elektroauto. Insbesondere bei den unter 40-Jährigen ist das Interesse gesunken.

    „Die Etablierung des E-Autos geht nur schleppend voran, obwohl es mittlerweile schon ein breites Angebot gibt. Gerade für die jungen Generationen wirkt der Kostenfaktor noch zu abschreckend“, erklärt Gerhard Marterbauer, Partner bei Deloitte Österreich.

    Die Top-Gründe für die Anschaffung eines Elektroautos sind in erster Linie finanzieller Natur. Die geringen Betriebskosten und die öffentlichen Förderungen stehen laut Studie an oberster Stelle. Nachhaltigkeitsbezogene Argumente wie emissionsfreies Fahren, die Unabhängigkeit von fossilen Kraftstoffen und der Umweltschutz haben hingegen im Vergleich zum Vorjahr an Überzeugungskraft verloren.

    „Die Umfrage zeigt klar, dass sich öffentliche Förderungen positiv auf die Kaufentscheidung auswirken. Das ist ein zentraler Hebel, um den Ausbau nachhaltiger Mobilität in Österreich voranzutreiben – und sollte unbedingt beibehalten werden“, betont Marterbauer.

    Wobei Förderungen die schmäler werdenden Börsen der Menschen nicht füllen. Was nützt eine 50-Prozent-Förderung, wenn die andere Hälfte nicht vorhanden ist. Ein Lied, das gerade Gemeinden kennen.

    Die Studie

    Im Rahmen einer repräsentativen Umfrage erheben die WU Wien, Deloitte Österreich und Wien Energie jährlich die Einstellung der Österreicherinnen und Österreicher zu erneuerbaren Energien.

    Die diesjährige Studie unter rund 1.000 Befragten offenbart erste Ermüdungserscheinungen bei diesem Thema. Der Klimawandel wird zwar nach wie vor als zentrales Problem in den kommenden zwei Jahrzehnten gesehen, es zeichnet sich aber eine zunehmend kritische Haltung ab – vor allem gegenüber Energieprojekten in der Nähe des eigenen Wohnortes.