Peter Brandauer
Peter Brandauer will neben der umweltfreundlichen Mobilität auch höhere Wertschöpfungsmöglichkeiten für die Landwirte schaffen, ohne dabei den dörflichen Charakter Werfenwengs zu gefährden.
© TVB Werfenweng / Bethel Fath

„Mit dem Sammeltaxi in die Zukunft“

Die kleine Gemeinde Werfenweng im Salzburger Pongau hat sich während der vergangenen Jahre zu einem Musterbeispiel für nachhaltige Tourismuskonzepte entwickelt. Ganz wichtig dabei ist eine neue Form der Mobilität. Für Bürgermeister Peter Brandauer ist es ein „Weg der 1000 kleinen Schritte“, auf dem sich laufend neue Formen und Möglich­keiten ergeben, auch in der Corona-Zeit.

Wer macht in Zeiten von Covid-19 eine Zugreise in den Urlaub? Diese Frage stellt sich Peter Brandauer, Bürgermeister von Werfenweng im Pongau, seit Beginn des Vorjahres immer wieder. Die Pandemie ist gerade für einen tourismusabhängigen Ort wie seinen ein schwerer Schlag.

Nach einem „super Start“ in die vergangene Wintersaison kam der erste Lockdown. Der vergangene Sommer sorgte noch einmal kurz für bessere Stimmung bei den Werfenwenger Betrieben, doch jetzt zu Beginn des neuen Jahres fällt die Bilanz sehr negativ aus. Brandauer fasst zusammen: „Es ist eine Katastrophe für uns.“

Für die weitgehend autofrei organisierte Gemeinde, die auch im Tourismus auf ein öffentliches Verkehrsmittelkonzept umgestellt hat, scheint die Pandemie eine wirkliche Herausforderung zu werden. Tagestouristen, die vorwiegend mit dem Auto anreisen, sind diesen Winter eine Belastung, der Verkehr wurde wieder mehr, eine Wertschöpfung durch Corona-Besucher nahezu unmöglich. Doch den Weitblick will sich Brandauer für seine Gemeinde nicht nehmen lassen. Zu viel ist in den vergangenen Jahren an positiven Entwicklungen passiert. „Es ist eine Zeit des Umdenkens: Was ist wirklich wichtig?“, fragt er sich – und ist mit dieser Frage sicher nicht alleine. 

Die goldenen 90er-Jahre

Es ist schon eine Zeit her, als der promovierte Jurist Brandauer 1989 mit nur 28 Jahren das Bürgermeisteramt in Werfenweng übernahm. Er erinnert sich mit einem Schmunzeln: „Wir waren damals die jungen Wilden, die neue Wege gehen wollten und Veränderung verlangten.“ Diese Motivation blieb bis heute bestehen, auch wenn sich Anfang der 1990er-Jahre noch keiner konkret vorstellen konnte, was das genau bedeutet.

Werfenweng
Das herrliche Panorama Werfenwengs – lautloses Genießen. Foto: Bethel Fath

Tourismus stand dabei von Beginn an als wichtigstes wirtschaftliches Standbein im Fokus. Schon bald nach der Amtsübernahme – die für Brandauer mit der zusätzlichen Besonderheit verbunden war, dass er direkt in ein von seinem Vorgänger neu gebautes Gemeindeamt einzog –, stand für ihn fest, dass es Konzepte für die Zukunft brauchte. „Der große Wettbewerb der Nachbargemeinden im Pongau, dazu zählen auch Obertauern oder Wagrain, ließ uns in Werfenweng gar keine andere Wahl, als uns damit auseinanderzusetzen“, erzählt Brandauer.

Vorbild Zermatt

Erster Schritt war die Erarbeitung eines touristischen Ortsleitbilds, um Werfenweng ein klares Profil zu geben. Dabei stellte sich schnell heraus, dass der Ausbau des touristischen Angebots nachhaltig und immer mit dem Augenmerk versehen sein sollte, dass die Gemeinde auch Wohnort bleiben kann. „Damals hielten wir schon fest, dass wir das autofreie Zermatt als Musterbeispiel nehmen“, verrät der Ortschef. Die Umgestaltung erfolgte aber in vielen Etappen: ein „Weg der 1000 kleinen Schritte“, wie Brandauer es benennt. „Wäre ich so radikal wie in Zermatt an das Thema herangegangen, wäre ich wohl schon lange nicht mehr Bürgermeister.“

Die Bevölkerung stand der möglichen Autofreiheit und innovativen Konzepten zu Beginn skeptisch gegenüber, doch Brandauer entschied, den Weg unter Einbeziehung der Ortsbewohner und Experten weiterzugehen. Diese Arbeit sollte auch nicht mehr aufhören – Werfenweng erneuert sich bis heute laufend selbst. Das macht sich vor allem in der steigenden Einwohnerzahl bemerkbar, die nun doppelt so hoch ist wie zur Zeit von Brandauers Amtsübernahme. Die günstige geografische Lage mit Nähe zu Salzburg und Hallein und der Ausbau eines leistbaren Wohnangebots mit guten Kinderbetreuungsmöglichkeiten bildeten dafür die Basis.

Es muss ja nicht immer das Auto sein …  

Eine 1994 gemeinsam mit der Gemeinde Bad Hofgastein gewonnene Ausschreibung des Bundesministeriums legte den Grundstein und sicherte den finanziellen Rahmen, um erste notwendige Schritte für die Zukunft des Ortes einzuleiten. Das Thema „sanfte Mobilität“ stand ab diesem Zeitpunkt an oberster Stelle der Maßnahmen.

Shuttlebus Werfenweng
Foto: „Mit dem Sammeltaxi in die Zukunft“ – Werfenweng zeigt vor, wie das geht. Foto: Bethel Fath

Der Werfenweng Shuttlebus wurde ins Leben gerufen. Dabei handelt es sich um ein Sammeltaxisystem, das mittlerweile auf drei Gemeinden ausgeweitet wurde, nach einem fixen Fahrplan fährt und bis eine Stunde vor Abfahrt gebucht werden kann. Die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel wie Zugverbindungen wurde somit umweltfreundlicher gestaltet. Heute nutzen pro Jahr rund 36.000 Fahrgäste (Einheimische ebenso wie Touristen) die Busse. Beflügelt durch diese Maßnahme war für Brandauer klar, dass dies der Weg der Zukunft war.

Ein weiterer Schritt war die Einführung der SAMO Card, die die sanfte Mobilität auch im Namen trägt. Zu Beginn nur für Gäste vorgesehen, die während ihres Aufenthalts ihren Autoschlüssel im Werfenwenger Tourismus­amt abgaben, wurde das Angebot auch auf die Bewohner erweitert. Dies hat sich in den letzten Jahren bewährt, rund 10.000 vergebene SAMO Cards pro Jahr zeichnen auch hier ein klares Bild.

Besonders die Pendler profitieren stark von diesem Angebot. Als Anreiz, bewusster mit dem Autogebrauch umzugehen, erhalten Eltern, die sich bereit erklären, ihre Kinder zu Fuß in die Volksschule zu bringen, gratis eine Saisonkarte beispielsweise für den Badesee oder die Langlaufloipe. Wer sich einen autofreien Tag pro Woche gönnt, der bekommt günstige Konditionen bei Benutzung des von der Gemeinde zur Verfügung gestellten E-Mobils, sei es ein Auto oder ein Fahrrad.

Fahrradfahren in Werfenweng
Wer sich einen autofreien Tag pro Woche gönnt, der bekommt günstige Konditionen bei Benutzung des von der Gemeinde zur Verfügung gestellten E-Mobils, sei es ein Auto oder ein Fahrrad.

Brandauer ist stolz darauf, den Weg der Gemeinde Werfenweng auch weit über die Landesgrenzen hinaus präsentiert haben zu dürfen. Von Schottland und Norwegen bis Japan, ja gar bis nach Las Vegas reiste er bereits, um die nachhaltigen Initiativen in und um Werfenweng vorzustellen.

Regionale Kreisläufe

Bürgermeister Brandauer will neben der umweltfreundlichen Mobilität auch höhere Wertschöpfungsmöglichkeiten für die Landwirte schaffen, ohne dabei den dörflichen Charakter Werfenwengs zu gefährden. Deren Beitrag weiß er zu schätzen: „Die Skipisten und Wanderwege, Wiesen und Almen könnten ohne die Arbeit unserer Bauern nicht in dieser Form und Schönheit zur Verfügung stehen – davon profitieren wir alle.“ Neben dem Tourismus hat Werfenweng aber kein wirtschaftliches Standbein. „Wir wollen zwar keine Tourismusindustrie, aber stehen bleiben geht auch nicht“, betont er seinen Anspruch an Lebens- und Urlaubsqualität im 21. Jahrhundert.

Passend dazu wurde 2006 das Projekt „Alpine Pearls“ ins Leben gerufen. Die Gemeinde Werfenweng war Gründungsmitglied und beherbergt auch den Sitz dieses Kooperationsprojekts von 21 Tourismusgemeinden in allen Ländern des Alpenraums. Bled in Slowenien zählt ebenso wie Hinterstoder oder Berchtesgaden zu den Mitgliedern des Vereins. Gemeinsam haben sie sich zum Ziel gesetzt, regionale Kreisläufe zu fördern und auf umweltbelastende Faktoren im Tourismus und Verkehrsbereich zu verzichten, Müll zu vermeiden und auf erneuerbare Energien zu setzen.

Für Werfenweng heißt das auch, dass der Tourismus nicht ewig wachsen kann. „Im Leitbild der Gemeinde ist festgehalten, dass bei 3000 Gästebetten Schluss ist“, betont Brandauer. Derzeit liegt die Anzahl bei 1950 Betten. Auch hat sich der Ort von einer fast ausschließlichen Wintersportorientierung mittlerweile ebenso als Sommerdestination etabliert.

Durch den stetigen, zeitgemäßen Weg der Gemeinde wuchs das Vertrauen in den Lauf der Dinge für den Bürgermeister. Selbst wenn die Pandemie da scheinbar gerade vieles zunichte macht. In Werfenweng wird weiter an einem nachhaltigen Angebot gearbeitet, neue Spazierwege entstanden bereits, ein umfangreiches Parkraumkonzept und die Verbindung von Digitalisierung und Mobilität entwickeln sich stetig. Brandauer, der selbst gar kein Auto mehr besitzt, ist überzeugt, dass in Zukunft auch niemand mehr eines brauchen wird: „Wir werden bald Mobilität kaufen statt einem Pkw.“  

Zur Person

Peter Brandauer

Alter: 59

Gemeinde: Werfenweng

Einwohnerzahl: 1.037

Bürgermeister seit: 1989

Partei: ÖVP