Bernd Strobl
„Es gibt keinen schöneren Job als Bürgermeister, weil man in seiner unmittelbaren Umgebung gemeinsam mit den Menschen etwas bewegen kann und auch etwas weitergeht.“ Bernd Strobl über seine Berufserfahrung.
© Gemeinde Ollersdorf/Bearbeitung Kommunal

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Doppelführung für das Energiedorf

Bernd Strobl ist gleichzeitig Bürgermeister und Amtsleiter des südburgenländischen Ollersdorf, das für seinen innovativen Zugang zur Nutzung von erneuerbarer Energie bekannt ist.

Ollersdorf ist eine kleine, aber sehr, sehr feine Gemeinde. „Was uns auszeichnet? Die fleißigen Menschen, die hier arbeiten und dabei sehr innovativ sind. Die Gemeinde ist vor allem für Innovation im Bereich von erneuerbarer Energie bekannt, aber auch als marianischer Wallfahrtsort und als Teil der Golf- und Thermenregion rund um Stegersbach.“

Blick auf Ollersdorf
Die Marktgemeinde Ollersdorf im Burgenland liegt in der Thermenregion Südburgenland direkt an der Nord-Süd-Bundesstraße 57 zwischen Oberwart und Güssing. Fotos: Gemeinde Ollersdorf

So charakterisiert Bernd Strobl, der Bürgermeister von Ollersdorf, seinen Heimatort in wenigen Worten. Er könnte aber auch viel ausführlicher werden, denn es ist fraglich, ob es überhaupt jemanden gibt, der Ollersdorf so gut kennt, wie er es tut. 

Bernd Strobl ist nicht nur seit über einem Jahrzehnt Bürgermeister der Marktgemeinde. Bereits seit 1998 ist er im Gemeindedienst und als Amtsleiter auch die Spitze der Gemeindeverwaltung.

Vom Amtsleiter zum Bürgermeister

Der Absolvent der Handelsakademie war seiner Heimat schon immer sehr verbunden, deswegen hat es ihn auch nie weggezogen. Von der Kirche über den Sportverein bis hin zu vielen weiteren Vereinen aktiv, ist Strobl in seinem Heimatort fest eingebunden und verankert.

Als aus einem unvorhersehbaren Grund der Amtsleiterposten plötzlich vakant wurde, fragte ihn sein Vorgänger als Bürgermeister, ob Strobl diesen übernehmen könnte. „Da bin ich erst so richtig draufgekommen, dass es eigentlich sehr viel gibt, das hier vor Ort geschieht, wovon man als Normalbürger nichts mitbekommt – was wirklich dahintersteckt, damit Trinkwasser in dieser Qualität ins Haus kommt, dass die Versorgung und der Winterdienst funktionieren.“ 

Vier Jahre später fragt ihn sein Amtsvorgänger abermals, ob er sich engagieren möchte. Diesmal politisch. Das hatte Strobl zwar eigentlich nicht vor, lässt sich dann aber nach einigem Überlegen relativ weit hinten auf die Liste setzen.

„Womit ich nicht gerechnet habe, war, dass ich ein Vorzugsstimmenmandat erringen würde.“ Dieses anzunehmen, fällt Strobl nicht leicht, denn dadurch fällt die einzige Frau, die damals bereit war, auf der Liste zu kandidieren, aus dem Gemeinderat. „Ich muss dieses Mandat nicht annehmen, denn ich lebe ohne diesen politischen Job ganz genauso gut“, meint Strobl daraufhin, sagt aber auch: „Wenn ihr wollt, dass ich in Zukunft gemeindepolitisch Verantwortung übernehme, dann muss ich das Mandat annehmen, denn den Wähler kann man nicht täuschen. Man kann nicht sagen, man kandidiert, wird vom Wähler mit Vertrauen ausgestattet und verkündet dann, man hätte sich’s anders überlegt, und nimmt nicht an.“

Als sein Vorgänger aus Altersgründen nicht mehr antritt, ist Strobl als Amtsleiter mit seinen Kontakten zu Ämtern und Behörden die logische Nachfolge. Er wird gewählt, nimmt an, und bereut es bis heute nicht. Seit 2012 leitet Strobl nun die Marktgemeinde in einer Doppelfunktion als Amtsleiter und als Ortschef.

Es wird schwieriger

„Ich glaube, es gibt keinen schöneren Job als Bürgermeister, weil man doch in seiner unmittelbaren Umgebung gemeinsam mit den Menschen etwas bewegen kann – und auch etwas weitergeht“, resümiert er seine Erfahrungen in diesem Amt. Die Zeiten seien in den letzten Jahren aber um einiges schwieriger geworden.

„Corona hat sehr viel dazu beigetragen, dass die Gesellschaft wesentlich mehr gespalten ist“, bedauert Strobl und merkt auch Veränderungen bei Wertschätzung und Umgangston an. „Wenn die Situation sich so weiter bewegt, dann habe ich die Befürchtung, dass es in Zukunft sehr schwierig werden wird, geeignete Personen für solche Ämter überhaupt zu motivieren, weil diejenigen, die die Tragweite erkennen, werden sich das nicht mehr antun, und die anderen, die die Tragweite nicht kennen, sind schlichtweg nicht geeignet.“ 

Beide Ämter gleichzeitig innezuhaben, sieht Strobl positiv: „Die Vorteile sind, dass man eine entsprechende Ausbildung hat, dass man die Gemeinde von der Pike auf kennt und dass man viele Synergien nutzen kann. Für kleine Gemeinden um die tausend Einwohner, so wie unsere, ist das sicherlich eine ideale Konstellation. Wenn es größer wird, mit der Grenze ungefähr bei drei- bis viertausend Einwohnern, wird es nicht mehr funktionieren, das Amt gemeinsam auszuführen, weil der Umfang ganz einfach zu groß würde.“

Kirche in Ollersdorf
Die hochbarocke Wallfahrtskirche Ollersdorf steht auf freiem Feld außerhalb der Gemeinde, denn sie wurde an der Stelle errichtet, an der heilsames Wasser aus dem Boden kam.

Ollersdorf hat sich als Energiedorf positioniert. Und auch wenn es heute auf die ­fortschrittliche Nutzung erneuerbarer Energien zutrifft, war der ursprüngliche Gedanke dahinter doch ein anderer. Um Ollersdorf gibt es nämlich ­viele artesische Brunnen, und einer davon, bei der Marienquelle in 2.000 Metern Tiefe, ist als rechtsdrehendes Heilwasser anerkannt.

Die Ollersdorfer meinten daher: „Aufgrund dieser Vorkommen sind wir ein Dorf, das vor Energie strotzt. Und weil wir auch etwas weiterbringen wollen, nennen wir uns das Energiedorf.“ 

Das war lange bevor die erneuerbaren Energien Thema wurden. 2013 begann Strobl erstmals ein Photovoltaikkonzept umzusetzen. Alle öffentlichen Gebäude wurden dahingehend untersucht, ob es Sinn ergäbe, darauf Photovoltaikanlagen zu errichten. Schnell kommt die Erkenntnis: Das können wir uns als Gemeinde alleine nicht leisten. Darum wird auf Bürgerbeteiligung gesetzt.

„Mittlerweile ist es uns gelungen, fünf solcher Projekte abzuschließen. Wir haben über 50 Photovoltaikanlagen über ­Bürgerbeteiligung errichtet, bei der öffentliche Gebäude wie Arztordination, Feuerwehrhaus, Volksschule, Kindergarten oder Gemeindeamt mit dabei sind, aber auch Unternehmen, Vereine oder Privathäuser. Sogar die Wallfahrtskirche wird mit Photovoltaik-Strom versorgt – von einer Anlage, die auf der Leichenhalle installiert ist“, berichtet Strobl stolz. In Summe haben sich rund zwanzig Prozent der Bevölkerung an diesen Projekten beteiligt. Dann ist man weitergegangen und hat zur Blackoutvorsorge einen Salzwasserspeicher für Arzt, Feuerwehr und Gemeindeamt installiert. Ein weiterer Speicher für die Musterbeleuchtungsstraße versorgt im Katastrophenfall die Bevölkerung am Sammelpunkt 72 Stunden lang mit Strom, Licht und Informationen.

Gemeindeamt in Ollersdorf
Gemeindeamt und Feuer­wehr sind wie zahlreiche weitere Gebäude in Ollersdorf mit PV-Anlagen ausgestattet. 

 
Ollersdorf ist zusammen mit neun anderen Gemeinden aus der Umgebung beim Energie-Kompetenzzentrum „Solar One“ in Stegersbach dabei, bei dem der Nutzen von erneuerbaren Energien und Elektromobilität erforscht wird. Die interkommunale Zusammenarbeit funktioniert dabei vorbildlich. Zwar steht das Zentrum in Stegersbach, alle auf diesem Grundstück anfallenden Kommunalsteuern werden aber unter den zehn Gemeinden zu gleichen Anteilen aufgeteilt.

„Zufällig sind dabei fünf Bürgermeister von der ÖVP und fünf von der SPÖ. Hier gibt es Handschlagqualität und gegenseitiges Vertrauen – und darum geht auch in der Region etwas weiter“, freut sich Strobl. Im Zuge von Horizon 2020, dem EU-Programm für Forschung und Innovation, wurde Ollersdorf mit drei anderen europäischen Gemeinden für ein LocalRES-Projekt ausgewählt, um als Vorbild im Bereich erneuerbare Energiegemeinschaften und Blackoutvorsorge zu fungieren.

„Uns war immer bewusst: Wir können die Welt nicht retten, aber wenn jeder einen kleinen Mosaikstein dazu beiträgt, kann letztendlich auch ein schönes, homogenes Bild entstehen“, erklärt Strobl die Einstellung der Bevölkerung. Die Bürgerbeteiligungsmodelle gab es in der südburgenländischen Gemeinde zwar schon etliche Jahre zuvor, durch die rechtliche Forcierung der Energiegemeinschaften profitieren die Ollersdorfer und Ollersdorferinnen dennoch, denn der Handel zwischen den einzelnen Produzenten war vor dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz nicht möglich. Nun ist man in eine Energiegenossenschaft eingetreten und auch Menschen, die keine eigene PV-Anlage haben, können jetzt partizipieren.  

Salzwasserspeicher
Der Salzwasserspeicher in Ollersdorf versorgt im Falle eines Blackouts Gemeindeamt, Feuerwehrhaus und eine Arzt­ordination umweltfreundlich mit Notstrom.

Innovatives Heizsystem für Schule und Gemeindeamt geplant

Als aktuelle Herausforderungen für die Gemeinde nennt Strobl den Erhalt der Infrastruktur. Derzeit überlege man sich ein innovatives Heizsystem für Schule und Gemeindeamt und prüfe, ob sich Abwärme aus dem Kanal oder Geothermie dafür eignen könnten. „Schritt für Schritt haben wir schon sehr viel erreicht. Wir haben ein gut ausgebautes Straßennetz. Wasserleitung und Kanal sind in Ordnung und der Hochwasserschutz ist abgeschlossen. Jetzt kann man sich wirklich um jene Dinge kümmern, die eher kleineren Ausmaßes sind, aber doch auch die Lebens- und Wohnqualität entsprechend fördern“, erzählt Strobl.

Natürlich ist auch Wohnraumschaffung in Ollersdorf ein Thema. Mit der ­Oberwarter Siedlungsgenossenschaft wurden über 40 Wohnungen gebaut. Nun geht die Gemeinde in eine etwas andere Richtung und errichtet mit privaten Unternehmen Doppelhaushälften.

„In den Siedlungsbauten ist es zumeist so, dass die Menschen bloß ein paar Jahre bleiben und dann wieder weiterziehen. Doch wir möchten die Leute hier binden. Ich glaube, dass uns das aufgrund dieser gezielten Siedlungspolitik im Gegensatz zu vielen Gemeinden im Südburgenland auch gelungen ist. Wir haben die Einwohnerzahl seit 20 Jahren halten können, obwohl wir eine stark negative Geburtenbilanz haben“, erklärt Strobl. Zudem denkt man in Ollersdorf über die Gemeindegrenzen hinaus, um der Bevölkerung alle Dienstleistungen in bestmöglicher Qualität anzubieten. Der Kindergarten wird mit der Nachbargemeinde Hackerberg geführt, die Altstoffe werden bezirksübergreifend mit Litzelsdorf gesammelt, denn Strobl ist überzeugt: „Man muss zusammenarbeiten und gemeinschaftliche Synergien nutzen, sonst werden wir es als Gemeinden nicht schaffen.“ 

Zur Person

Bernd Strobl

Alter: 49
Gemeinde: Ollersdorf im Burgenlan
Einwohnerzahl: 944 (2023)
Bürgermeister seit: 4. Mai 2012
Partei: ÖVP