Wasser bis zum Hals
Vielen Gemeinden steht finanziell das Wasser bis zum Hals.
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Gemeindefinanzen

Das sagen Bürgermeister zur finanziellen Lage

9. Februar 2024
KOMMUNAL hat sich in den Gemeinden umgehört und Stimmung und Erwartungen zu Budget und Finanzausgleich bei Österreichs Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern erfragt.

Robert Tulnik, Bürgermeister Fernitz-Mellach (Steiermark), Bürgerliste Natürlich Wir

Robert Tulnik
Robert Tulnik

„Das heurige Budget in Fernitz-Mellach ist sicher eines mit Abschlägen, wie in jeder anderen Gemeinde wahrscheinlich auch. Wir haben Projekte verschoben und müssen auf Rücklagen zurückgreifen. Eine kurzfristige Maßnahme war auch, die Hälfte der Projektsumme zur Finanzierung für den Hochwasserschutz sofort zu tilgen, weil die Zinsen so hoch sind. Im Bereich des Straßenbaus werden wir dieses Jahr keine Maßnahmen durchführen, hier mussten wir reduzieren.

Erschwerend für unser aktuelles Budget ist sicher, dass wir 2023 einen Hochwasserschaden in der Höhe von 200.000 Euro am Gemeindeeigentum hatten, und das hängt uns natürlich nach. Was uns helfen könnte, unsere Finanzen zu verbessern, wäre die Ertragsanteile an die Inflation anzupassen sowie einen vollen Lohn- und Zinsausgleich zu bekommen.

Wir helfen uns in der Gemeinde mit eigenen Maßnahmen weiter: Wir haben mit den Gebäudesanierungen Potenziale im Bereich der Energieeffizienz gehoben. Gleichzeitig vermieten wir auch Flächen in der Gemeinde, die bisher leer gestanden sind. Auch das bringt uns zusätzliche Einnahmen. 

Das kommende Jahr wird sicher nicht leicht zu stemmen und wird nicht alle Bürgerinnen und Bürger zufriedenstellen, aber wir tun, was wir können.“

Josef Balber, Bürgermeister Altenmarkt (NÖ), ÖVP

Josef Balber
Josef Balber

Auch die finanzielle Lage der Gemeinde Altenmarkt an der Triesting (NÖ) ist angespannt, es gäbe eine dringende Notwendigkeit von finanziellen Unterstützungen, insbesondere in Form von Direktzuschüssen. Bürgermeister Josef Balber: „Die finanzielle Lage ist nicht rosig. Wir können den normalen Haushalt eigentlich nicht mehr finanzieren. In den letzten beiden Jahren sind die Gehälter um 14 bzw. 15 Prozent gestiegen. Das heißt, vom Rechnungsabschluss 2022 bis zum Voranschlag 2024 sind das um 237.000 Euro mehr. Dazu kommt, dass die Umlagen – NÖKAS, Sozialhilfeumlage und Jugendwohlfahrt – um 15 bis 18 Prozent steigen.“

Die Budgeterstellung sei sich noch ausgegangen, aber man habe überhaupt keinen finanziellen Spielraum mehr. „Wir wollen auf der stillgelegten Bahntrasse einen Radweg bauen, aber das geht sich finanziell nicht aus.“ Sparen werde man in Altenmarkt praktisch überall: „Wir werden nichts investieren. Die Gemeinden sind ja normalerweise die größten Investoren im ländlichen Raum, aber das geht jetzt nicht mehr.“
Am hilfreichsten, so Balber, wären in der jetzigen Situation Direktzuschüsse des Bundes für die Gemeinden. „Aber mir ist klar, dass auch der Bund in einer schwierigen Situation ist.“

Die Vorgaben für die nächste Zeit sind auch klar. Balber: „Wir müssen schauen, wie die Entwicklung weitergeht, um den Haushalt auszugleichen und die Gehälter bezahlen zu können. Investitionen gehen sich, wie gesagt, nicht aus. Man muss abwarten, was mit dem Finanzminister ausverhandelt werden kann. Vielleicht gibt es ja eine zusätzliche Finanzspritze für die Gemeinden, die direkt für den Haushalt wirksam ist.“

Michaela Wohlfahrt, Bürgermeisterin Podersdorf (Burgenland), ÖVP

Michaela Wohlfahrt
Michaela Wohlfahr

„Podersdorf am See hat finanziell sicher einen Vorteil gegenüber anderen Gemeinden, die keine sonstigen Einnahmen haben. Wir sind eine Tourismusgemeinde und haben alleine durch den Mobilhome-Platz 700.000 Euro Einnahmen pro Jahr. Das schafft einen gewissen Polster. Auch mit den Strom- und Energiepreisen hatten wir bisher Glück: Wir haben mit der Energie Burgenland einen Fixpreis gemeinsam mit anderen Gemeinden, dadurch waren wir bisher auch nicht von den Preissteigerungen betroffen. Das war und ist sicher auch ein Vorteil für uns. 
Allerdings haben wir bei knapp 100 Gemeinde-Mitarbeiter:innen inklusive Tourismus enorme Personalkosten zu stemmen. Noch dazu, weil wir ja im Burgenland den Mindestlohn haben, den meine Gemeinde auch eingeführt hat.

Generell merken wir aber schon, dass die finanzielle Situation angespannt ist und auch wir den Gürtel enger schnallen müssen. Konkret denke ich an Einsparungen, die bei uns auch mit Personalkosten verbunden sind: Wir werden die Öffnungszeiten des Tourismusbüros einschränken, das Müllausleeren an Sonntagen einstellen oder die Öffnungszeiten des Altstoffsammelzentrums reduzieren. In diese Richtung laufen aktuell unsere Überlegungen.

Wir werden aber auch investieren im heurigen Jahr, konkret in eine neue Kläranlage, die uns 14 Millionen Euro kostet, wobei 34 Prozent durch den Bund und 10 Prozent durch das Land gefördert werden. Aber auch den Bauhof bauen wir neu. Auch zwei neue Feuerwehrautos werden wir kaufen – hier würde uns helfen, wenn es eine Mehrwertsteuerbefreiung gibt.

Grundsätzlich sind wir froh, dass die kürzlichen FAG-Verhandlungen gut gelaufen sind. Ich blicke realistisch und zuversichtlich auf das kommende Jahr.“

Peter Schobesberger, Bürgermeister Vöcklabruck (OÖ), SPÖ

Peter Schobesberger
Peter Schobesberger

Die finanzielle Lage in Vöcklabruck gestalte sich äußerst herausfordernd, wie Bürgermeister Peter Schobesberger betont. „Trotz drastischer Sparmaßnahmen und dem Nullsetzen von Vereinssubventionen bleibt es schwierig, den Haushalt auszugleichen. Der geplante Kindergarten-Neubau wird nur durch die Nutzung von Rücklagen umgesetzt“.

Im Interview äußert sich Schobesberger besorgt über die Budgeterstellung. Trotz radikaler Einsparungen, die Straßensanierung, Fuhrparkbeschaffungen und diverse Leistungen betreffen, bleibe die finanzielle Eigenständigkeit fragil. Die Gemeindeautonomie werde infrage gestellt, da selbst drastische Sparmaßnahmen nicht ausreichen würden.

Auf die Frage nach möglichen Lösungen betont der Bürgermeister „die Notwendigkeit einer Änderung des vertikalen Verteilungsschlüssels im Finanzausgleich. Besonders die dynamische Entwicklung in der Kinderbetreuung erforderr eine Anpassung“. Kritik äußert er an der aktuellen Steuerreform, die zu finanziellen Einbußen für Städte und Gemeinden führe, obwohl diese wichtige ökologische Projekte vorantreiben würden.

Die Unzufriedenheit mit dem Finanzausgleich manifestierte sich in der Videokonferenz mit Bundeskanzler Nehammer und Finanzminister Brunner. Schobesberger fühlt sich als Bürgermeister nicht ausreichend vertreten und sieht Bevorzugungen kleiner Gemeinden gegenüber regionalen Zentren.

Abschließend blickt er dennoch optimistisch in die Zukunft: „Ich hoffe auf eine wirtschaftliche Erholung und darauf, dass die Gemeinden wieder mehr Anteile an den Bundessteuern erhalten.“ Trotz der Herausforderungen setzt er auf eine positive Entwicklung im heurigen Jahr.

Martin Voggenberger, Bürgermeister Munderfing (OÖ), ÖVP

Martin Voggenberger
Martin Voggenberger

Die Gemeinde Munderfing am Kobernaußerwald (OÖ) ist finanziell nicht so schlecht aufgestellt, wie Bürgermeister Martin Voggenberger gleich vorausschickt. Man habe viele Arbeitsplätze in der Gemeinde – der Motorradriese KTM hat ein Werk im Ort, die Kommunalsteuer fließt (noch). Allerdings sei das kein Grund, sich auszuruhen, so Voggenberger: „Die Pflichtausgaben* wie der Krankenanstaltenbeitrag und die Sozialhilfeumlage sind exponentiell gestiegen, die freien Mittel werden weniger“, was natürlich eine Herausforderung sei. 

Die Budgeterstellung hat sich in Munderfing dennoch heuer als schwierig erwiesen, eben weil die frei verfügbaren Mittel für Bauvorhaben beispielsweise immer weniger werden. Zudem seien die Rücklagen der Gemeinden in den vergangenen Jahren ziemlich aufgebraucht worden. „Wir mussten Kürzungen bei den Vorhaben beschließen.

Auch wenn Munderfing als wirtschaftsstarke Gemeinde nicht in der schlechtesten Position ist: Aber auch wir können nicht mehr ausgeben, als wir haben.“ Geplante Projekte in der Gemeinde können daher nicht oder nicht im ursprünglichen Ausmaß umgesetzt werden, was vor allem den geplanten Neubau der Schule betrifft.  „Aber der ist noch auf Schiene“, so Voggenberger, der eine klare Priorisierung der Gemeindeprojekte empfiehlt. 

2024 wird aus seiner Sicht jedenfalls herausfordernd, weil so viel von der weiteren Entwicklung der Wirtschaft abhängt. Die Befürchtung ist, dass „es vermutlich nicht besser wird“. Man müsse für die Zukunft auch mit einer Senkung der Kommunalsteuer rechnen, dadurch sinken die Einnahmen weiter. Gleichzeitig steht zu befürchten, dass die Pflichtausgaben weiter steigen werden. 

Es werde sicher nicht einfacher, so Voggenberger, darum sei es immer „wichtig, mit Hausverstand an die weitere Entwicklung der Gemeinde zu gehen“.

Maria Knauder, Bürgermeisterin St. Andrä (Kärnten), SPÖ

Maria Knauder
Maria Knauder

In St. Andrä im Lavanttal hat sich die schwierige finanzielle Situation schon lange ­abgezeichnet, so Bürgermeisterin Maria Knauder. Ihre Gemeinde kämpft sehr mit den Finanzen: „Die Ausgaben sind einfach höher als die Einnahmen. Da kann man nicht mehr gestalten, nur mehr verwalten.“ 

Allein die Personalkosten hätten sich im Zuge der landesweiten Gehaltsanpassungen für Beamte um fast eine Million Euro erhöht, erzählt die Bürgermeisterin. Bei einer Stadt wie St. Andrä mit knapp 10.000 Einwohner*innen gibt es auch kaum die Möglichkeit, Personal einzusparen.

„Wir haben eine 25-prozentige Haushaltssperre. Wir überlegen uns bei jeder Nachbesetzung, ob wir sie wirklich brauchen, aber allein im Kindergarten haben wir 50 Mitarbeiter*innen“, so die Bürgermeisterin. Dies werde mit dem neuen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz in Kärnten nicht weniger werden. Auch in der Verwaltung versuche man, Abläufe effizienter zu gestalten, um Kosten zu sparen, erzählt Knauder. Bei der Vereinsförderung zu sparen, sei hingegen ein Tropfen auf den heißen Stein. „Wir sollten froh sein, dass es überhaupt noch Leute gibt, die sich ehrenamtlich engagieren“, so Knauder. 

Große Kosten kommen vor allem im Bereich Straßensanierung auf die Gemeinde zu. Die Bürgermeisterin wünscht sich hierbei unbürokratische Unterstützung: „Der Bund sollte mit der ASFINAG ein Straßensanierungsprogramm auf die Beine stellen. Auch beim Schulbau und beim Hochwasserschutz könnten wir Unterstützung gebrauchen – ohne Rückzahlung. Die Gemeinden sind die, die den Bürgern am nächsten sind. Daher brauchen wir rasche, unkomplizierte Hilfe mit der Infrastruktur.“

Für das neue Jahr ist die St. Andräer Bürgermeisterin pessimistisch: „Wenn nicht bald was passiert, wird auch die Wirtschaft einbrechen, und mit den Betrieben fällt auch die Kommunalsteuer weg.“   

Stefanie Krabacher, Bürgermeisterin Gramais (Tirol), Gramaiser Liste

Stefanie Krabacher
Stefanie Krabacher

„Grundsätzlich ist es als Kleinstgemeinde wie Gramais immer schwierig mit dem Budget, da wir ja immer abhängig sind. Im letzten Jahr gab es eine kleine Erleichterung, da die Einspeistarife für unser Kraftwerk besser waren. Das hat uns im Gemeindebudget erleichtert, gleichzeitig sind die höheren Strompreise für die Bürgerinnen und Bürger eine Belastung. Im kommenden Jahr erwarten wir, dass die Tarife wieder sinken, was für die Bevölkerung günstiger, aber für die Gemeindefinanzen wiederum schwieriger wird. Alles hat Vor- und Nachteile“, so Stefanie Krabacher.

Die 38-Jährige ist erst seit knapp zwei Jahren Bürgermeisterin. Gramais ist die kleinste Gemeinde Österreichs. Im Sommer lebt das Tiroler Bergdorf vor allem vom Wandertourismus: Auf 40 Einwohner kommen 120 Betten. 

Krabacher erwartet, dass die Budgeterstellung im kommenden Jahr nicht einfacher, sondern eher schwieriger wird. „Das Land investiert Gott sei Dank sehr viel in die Kleinstgemeinden – man denke an Lawinenverbauung und Straßenbau: Das sind alles Kosten, die wir niemals allein stemmen könnten. Da wäre es günstiger, die gesamte Bevölkerung auszusiedeln. Aber mit dem Land ist grundsätzlich immer eine gute Gesprächsbasis da, wofür wir auch sehr dankbar sind. Gramais ist nach dem Bau des Kraftwerks und der Kläranlage immer noch verschuldet. Das bedeutet, dass jede Einsparung dafür verwendet wird, das Loch zu stopfen.“

Einsparpotenziale sieht die Gramaiser Bürgermeisterin kaum: „Man schaut sowieso immer, dass nur das Notwendigste anfällt. In einer kleinen Gemeinde wird jeder Euro umgedreht.“

Adelheid Ebner, Bürgermeisterin Gutenbrunn (NÖ), SPÖ

Adelheid Ebner
Adelheid Ebner

Wie alle anderen Gemeinden kämpft auch Gutenbrunn im niederösterreichischen Bezirk Zwettl mit den finanziellen Herausforderungen, wie Bürgermeisterin Adelheid Ebner meint. 

„Die Aufgaben – auch die im übertragenen Wirkungsbereich – werden immer mehr, da muss man sehr darauf achten, wo man, neben den laufenden Ausgaben, noch Projekte realisieren kann. Es ist jetzt noch wichtiger als schon bisher, diszipliniert und sparsam zu wirtschaften.“

Bei der Budgeterstellung habe man sich sehr viele Gedanken darüber gedacht, wo man einsparen könne, ohne dass es sich stark auf das Leben in der Gemeinde auswirkt.

„Glücklicherweise haben wir in den letzten Jahren schon vieles, das zu tun war, gemacht: Der Glasfaserausbau ist erledigt, Schule und Kindergarten sind fertig, die Kanalisation wurde erneuert … dadurch haben wir etwas Luft gehabt.“
Als Sparmaßnahme mussten die Sanierung und der Umbau des Amtshauses aufgeschoben werden. Es sei sehr klein und man habe zu wenig Platz, aber „wir brauchen keinen Palast, um arbeiten zu können“. Wichtiger als ein tolles Gebäude sei, dass die Menschen gut betreut werden.

„Vereine können wir nur mehr im Rahmen des unbedingt Möglichen fördern. Das ist natürlich schade, weil die Gemeinde einen guten Namen im Kulturbereich hat, aber man muss eben überall ein bisschen etwas zurücknehmen. Und um Strom günstig einzukaufen, machen wir eine Energiegemeinschaft. Man muss einfach jeden Euro dreimal umdrehen, bevor man ihn ausgibt.“

Gutenbrunn hat nur etwa 500 Hauptwohnsitzer. Man müsse sehen, inwieweit die zusätzlichen Mittel, die es aus dem Finanzausgleich gibt, einer kleinen Gemeinde helfen.

„Nachdem alles teurer wird, hat der Bund höhere Einnahmen aus der Mehrwertsteuer; von diesem Kuchen sollten auch die Gemeinden mitnaschen können. Der Bund sollte wieder ein Paket schnüren, damit die Gemeinden zusätzliche Geldmittel erhalten.“

Was die Entwicklung im nächsten Jahr betrifft, hofft Ebner, „dass wir dieses größere Stück vom Kuchen bekommen werden. Auch dann wird man keine großen Sprünge machen können, aber ich denke immer positiv und hoffe, dass die finanzielle Situation für die Gemeinden besser wird. Wenn die Inflationsrate sinkt, würde das schon sehr viel helfen.“