Europa Inside: Drei Teilnehmer des YEP-Programmes erzählen
YEP-Teilnehmer aus Österreich im Gespräch
Zum 10. Europäischen Gipfel der Städte und Regionen, der Mitte März 2023 stattfand, versammelten sich auch zahlreiche YEP-Teilnehmer aus ganz Europa 2023 in der belgischen Stadt Mons.
KOMMUNAL nutzte die Gelegenheit und sprach mit einigen heimischen Jungpolitikern aus dem Programm, um sie über ihre Erfahrungen zu befragen und ihnen ein paar Tipps für zukünftige Bewerber und Interessenten zu entlocken. Andreas Hussak sprach mit Gemeinderat Christoph Perner (NEOS), 27 Jahre alt, aus St. Stefan im Rosenthal, mit dem Vizebürgermeister von Judenburg, Thorsten Wohleser (SPÖ), 33 Jahre alt, sowie mit dem Wiener Bezirksrat aus der Josefstadt, Florian Wunsch (Grüne), 28 Jahre alt
Wie haben Sie vom YEP-Programm erfahren und wie sind Sie dazu gekommen?
Perner: Mich hat unser Landessprecher, der Niko Swatek drauf aufmerksam gemacht. Er hat mich gefragt, ob das nicht etwas für mich wäre, weil ich bekanntermaßen europäisch eingestellt und auch sehr reisefreudig bin. Damit hat er natürlich den Nagel auf den Kopf getroffen.
Wunsch: Ich habe von einem Parteikollegen von dem Programm erfahren, ebenfalls einem jungen Grünen, der Bezirksrat in Wien ist. Der war selbst am Programm interessiert, hat dann allerdings gemeint, dass er aus Zeitgründen nicht teilnehmen wird. Auf diese Weise habe ich davon erfahren, mich darüber informiert und angeschaut, was das ist. Mich hat es sehr positiv überrascht, dass es das gibt, und so habe ich mich dann beworben. Offensichtlich sind 500 Bewerbungen eingetrudelt und davon sind 150 vom Europäischen Ausschuss der Regionen schließlich ausgewählt worden.
Wohleser: Meine Stadt Judenburg hat einen extrem starken Fokus auf Europa gesetzt. Wir sind unter anderem auch Teil der Douzelage, das ist ein Städtenetzwerk aus ganz Europa. Als ich im Internet etwas wegen der Europa-Gemeinderäte gesucht habe, ist mir das Programm der Young European Politicians aufgefallen. Ich dachte, das könnte man für die Gemeindearbeit nutzen, mitnehmen und gemeinsam einen Austausch setzen. Viele Gemeinden haben ja oftmals ganz ähnliche Probleme und so schaffen wir es vielleicht gemeinsam Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Darum habe ich beschlossen: Da bewerbe ich mich!
Nach welchen Kriterien werden die Bewerberinnen und Bewerber ausgewählt?
Wunsch: Also es wird darauf geschaut, dass eine regionale Ausgewogenheit da ist. Es gibt den Mitgliedsstaaten nach einen eine Art Aufteilungsschlüssel. Wie der ganz genau zusammengesetzt ist, weiß ich auch nicht, aber es wird auf die Nationalitäten geachtet. Dann wird darauf geschaut, dass das Stad-Land-Verhältnis einigermaßen austariert ist. Das Alter spielt auch innerhalb des YEP-Programms eine Rolle, denn das geht ja maximal bis zum 40. Lebensjahr. Soweit ich weiß, ist auch die Geschlechterparität ein Faktor, der berücksichtigt wird. Und natürlich auch noch mal die Parteizugehörigkeit. Es soll keine Partei da einen großen Überhang bekommen, zumindest nicht einen, der über die Verhältnisse der Wahlergebnisse hinaus geht. Es sind schon einige Faktoren, die berücksichtigt werden.
Wie lange sind Sie schon beim YEP-Programm dabei?
Perner: Ich bin 2020 in den Gemeinderat gewählt worden. Dann kam erst mal eine Einfindungsphase, die Schwerpunktsetzung - und Corona gab es dann ja auch noch. Zeitweise waren Gemeinderatssitzungen die einzigen legalen Veranstaltungen zu der Zeit. Für das YEP-Programm habe ich mich 2022 beworben. Meine erste Veranstaltung war die Young Elected Leaders Conference, in der wir die Europäische Zukunftskonferenz aufgearbeitet haben.
Wohleser: Ich bin jetzt erst seit gut einem Dreivierteljahr bei diesem Programm dabei, habe aber in dieser Zeit schon viele Erfahrungen sammeln können.
Welche Erfahrungen habe Sie damit gemacht?
Wohleser: Das YEP-Programm bietet etwa die Möglichkeit, eine Art Trainingsprogramm in Anspruch zu nehmen. Mit der Winter School, die von Oktober bis Jänner gegangen ist, hat man die Möglichkeit gehabt, in einem europäischen Umfeld an konkreten Projekten in der Gemeinde zu arbeiten. Das war auch der größte Output, den ich bisher mitgenommen habe.
Konkret war das ein Programm, bei dem man sich ein konkretes Projekt aus der Gemeinde herangezogen hat und sich dazu einen Bürgerbeteiligungsprozess erarbeiten konnte. Dabei konnte man in einen Austausch mit Expertinnen und Experten treten, aber auch mit anderen Gemeinderätinnen aus ganz Europa in Kontakt. Man sah welche anderen Lösungsansätze es gab. „Think outside the box“ war großes Meta-Thema. Ein Punkt, den ich mir mitgenommen habe: Meinem Nachbarn ist das Schlagloch wichtig. Und das ist nicht nur in Judenburg so, das ist in ganz Europa so! Als Politiker müssen wir auf die Menschen zugehen, für die Menschen arbeiten und deren Probleme lösen. Sich selbst zu hinterfragen, weshalb wir politisch tätig sein müssen - das habe ich aus diesem Programm mitgenommen.
Wusch: Ich habe extrem gute Erfahrungen mit dem YEP-Programm gemacht, denn das Programm gibt jungen Politikerinnen und Politikern die Möglichkeit, vor einem wirklich breiten Publikum seine eigenen Standpunkte darzulegen. Also ich bin seit 2020 in der Politik, als Bezirksrat in Wien. Man kann jetzt nicht sagen, dass ich eine jahrzehntelange politische Karriere hinter mir hätte, und trotzdem wurde es mir aufgrund dieses Programmes gestattet, zweimal vor dem Plenum des Europäischen Ausschusses der Regionen zu sprechen, und zwar im Europäischen Parlament. Wenn das voll besetzt ist, hat es um die 320 Mitglieder vom Europäischen Ausschuss der Regionen und das ist schon eine Wertschätzung der Jugend oder den Jüngeren gegenüber. Das müssen wir ganz klar sagen. Eine weitere Erfahrung ist der fachlicher Input. Das Programm bietet „Ausbildungen“ im Sinne von Workshops. Ich habe jetzt unlängst erst im Februar einen Workshop zum Thema Partizipative Demokratie gemacht. Das war noch einmal ein Unterprogramm des YEP-Programms. Für dieses wurden um die 30 YEPs ausgewählt. Das war ein dreitägiger Workshop, recht intensiv mit der Bertelsmann Stiftung gemeinsam. Eine dritte Erfahrung ist natürlich das Netzwerken. Das ist nicht von der Hand zu weisen, aber in der Politik auch notwendig - gerade auf europäischer Ebene. Wenn ich zum Beispiel meine europäischen Vorstellungen verwirklichen möchte, dann ist das ein Themenbereich, der auf eine ganz breite europäische Kooperation setzen wird müssen. Und dementsprechend ist es ein Vorteil, dass man sich hier kennenlernt. Sollte man sich später irgendwann in diese Richtung weiterentwickeln, kann man unkomplizierter zum Hörer greifen, um sich mit Leuten zu besprechen. Das ist das ist gerade in der europäischen Politik sehr wichtig.
Was bringt es Ihnen und Ihren Wählern, dass Sie jetzt beim YEP- Programm mitmachen?
Wohleser: Da würde ganz klar sagen, von Best Practices zu partizipieren. Auch viele der kleinen Probleme sind in den Städten quer durch Europa die gleichen. Und wenn man die Ideen zur Lösung ähnlich ansetzen kann, braucht man das Rad nicht immer neu zu erfinden, sondern kann bewährte Vorgehensweisen für die eigene Gemeinde mitnehmen.
Perner: Grundsätzlich hat sich mein persönlicher Horizont massiv erweitert. So etwa das Verständnis über die Europäische Union und wie sie arbeitet, bzw. welche Institution es gibt. Es ist ja auch eine Herausforderung, wenn man das jemandem erklären muss. Es fällt mir nun leichter das zu erklären und auch zu verdeutlichen, was der Ausschuss der Regionen ist und was er macht. Ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht viele Österreicherinnen und Österreicher diesen Ausschuss kennen. Auch wenn es eine der ältesten EU-Institutionen ist, die es gibt.
Wunsch: Meinen Wählern bringt es ein viel breiteres Gehör, weil ich ja die Dinge, die ich sage, nicht als Privatperson bringe, sondern durchaus im Interesse von denen, die ich vertrete. Es bringt ihnen ein viel breiteres Publikum auch einen direkteren Draht zu europäischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern, denn bei den Konferenzen oder auch bei den Plenarvorstellungen im Europäischen Parlament sitzen ja durchaus „hohe Tiere“. Das Sitzen vom Präsidenten des Europäischen Ausschuss der Regionen bis hin zu Kommissaren, Vizepräsidenten oder Präsidentinnen des Europäischen Parlaments wirklich entscheidende Persönlichkeiten. Und mir persönlich bringt es die drei Punkte, die ich schon angesprochen habe: eine fachliche Ausbildung, das Netzwerken und natürlich auch eine Schulung persönlich vor einem breiteren Publikum aufzutreten.
Was hat Sie am YEP-Programm überrascht oder ihrer Erwartungshaltung widersprochen?
Wunsch: Was mich überrascht hat - das muss ich aber eher auf die Teilnehmenden meiner Partei im YEP-Programm beziehen – war, dass stets mehrere Teilnehmende von einer Partei eingeladen werden und dann aber oftmals viele Leute nicht da sind, also de facto bei den einzelnen Veranstaltungen des Programms nicht teilnehmen. Das hat mich überrascht, hat allerdings auch eine recht simple Erklärung: Diese Veranstaltungen werden nämlich relativ kurzfristig angekündigt. Hauptberufliche Politikerinnen und Politiker, die von dieser Tätigkeit leben können, sind terminlich flexibler, als die meisten Politikerinnen und Politiker auf Bezirks- oder lokaler Ebene, die in Wirklichkeit auch einen Brotjob haben. Ich bin auch nicht hauptberuflich Bezirksrat, sondern Jurist bei der Real Cargo Austria von den ÖBB und mache das zusätzlich nebenbei. Insofern ist das durchaus herausfordernd, wenn die Termine so kurzfristig angekündigt werden. Mit kurzfristig meine ich jetzt zwei bis zweieinhalb Wochen im Voraus. Da muss man sich schon absprechen mit seinem Büro, seinem Chef oder Dienstgeber - ob man so kurzfristig überhaupt noch einmal nach Brüssel kommen kann. In dieser Hinsicht hat das Programm durchaus noch etwas Verbesserungsbedarf, denke ich.
Wohleser: Die Aufteilung hat mich überrascht. Dass sich manche Länder aktiver mit jungen Politikerinnen und Politikern einbringen und andere Länder oftmals fast gar nicht mit dabei sind. Das ist schon überraschend.
Wunsch: Mir ist noch aufgefallen, dass diese Treffen vom Europäischen Ausschuss der Regionen überwiegend in Brüssel oder zumindest in Belgien stattfinden. Das ist ein Unterschied zu dem, was wir in den Parteien erleben. Die europäischen Parteienfamilien veranstalten ja ebenfalls Events. Die haben auch ihre Gipfel und ihre Parteitage europäischer Natur, und die sind eigentlich ziemlich gestreut - mal im Norden von Europa, mal im Süden, mal im Osten, mal im Westen. Das ist beim Europäischen Ausschuss der Regionen nicht der Fall. Das YEP-Programm ist relativ auf Brüssel fokussiert. Natürlich hat der AdR den Sitz in Brüssel. Aber nachdem der Europäische Ausschuss der Regionen die Regionen vertreten soll, könnte man auch an dieser Schraube noch einmal drehen. Das soll aber nicht als harte Kritik verstanden werden. Ganz im Gegenteil. Das Programm ist relativ neu und ich bin begeistert, dass es das gibt. Es wichtig, dass man jungen Menschen, die sich dafür engagieren und ein Interesse haben, diese Bühne bietet. Das macht dieses Programm und das ist eindrucksvoll.
Wie lange bleibt man beim YEP-Programm dabei?
Wunsch: Bei den Jahrgängen spricht man hier interessanterweise von Kohorten. Das ist offenbar die Titulierung, die dafür gefunden wurde. Jede Kohorte ist auf ein Jahr angesetzt. Wenn man allerdings in diesem Programm drinnen ist, kann man so lange drinnen bleiben, bis man 40 Jahre alt wird bzw. bis man sein Mandat verliert. So lange ich noch nicht 40 Jahre alt bin, und das dauert noch zwölf Jahre, und sofern ich mein Mandat weiterhin behalte, bleibt ich Teil des Programms, allerdings nicht mehr in der aktiven Kohorte. Die wird jährlich erneuert.
Abschlussfrage: Was erwarten Sie sich persönlich vom Europäischen Gipfel der Städte und Regionen hier in Mons?
Perner: Ich erwarte mir neue Ansichten über die aktuellen Themen in Europa zu erfahren. Und zwar überparteilich. Das ist das Schöne am YEP-Programm. Ich habe sowohl Sozialdemokraten getroffen, als auch Liberale und Konservative. Wenn man eine Veranstaltung hat, sitzt man gemeinsam am Tisch, unterhält sich und lernt andere Sichtweisen kennen.
Eine Anregung, die ich mir beispielsweise im Oktober mitgenommen habe und daraufhin bei den JUNOs in der Steiermark als Antrag eingebracht habe, der wiederum auch beschlossen wurde, ist zum Beispiel, dass sich die Steiermark dafür einsetzen soll, dass man eine Meisterprüfungsprämie bekommt. Die Idee von Nordrhein-Westfalen habe ich von der European Week of Regions mit nachhause genommen. Und siehe da - es ist sehr gut angekommen.
Transparenz-Hinweis:
Die Interviews mit den YEP-Teilnehmern führte Andreas Hussak im Zuge des 10. Europäischen Gipfels der Städte und Regionen in Mons. Die Reise nach Mons erfolgte auf Einladung des Europäischen Ausschusses der Regionen.