Ulrike Mursch-Edlmayr
Ulrike Mursch-Edlmayr: „Es wurden bereits mehrere Millionen der sogenannten Wohnzimmertests gratis von den Apotheken verteilt.“
© Christian Husar

„Wir sind seit einem Jahr im Dauereinsatz“

Die Apothekerinnen und Apotheker Österreichs sind eine zentrale Schaltstelle im Kampf gegen das Corona-Virus. Ulrike Mursch-Edlmayr, Präsidentin der Apothekerkammer, im KOMMUNAL-Gespräch über diese herausfordernde Zeit.

KOMMUNAL: Frau Präsidentin, die Apotheker und Apothekerinnen sind in der Pandemie, die nun ziemlich genau ein Jahr anhält, besonders gefordert gewesen und sind es noch. Wie geht es denn dem Menschen, die in den Apotheken arbeiten, mit den Anforderungen?

Ulrike Mursch-Edlmayr: Es ist zentrale Aufgabe der Apothekerinnen und Apotheker, die Menschen rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr in Gesundheitsfragen zu unterstützen und zu beraten. Tatsache ist, dass die Coronazeit eine besondere Herausforderung darstellt. Mitte März des Vorjahres, zu Beginn der Pandemie, haben sich die Apotheken binnen kürzester Zeit, gleichsam über Nacht, auf die neue Situation eingestellt. Mit den Veränderungen ist auch der Aufwand gewachsen. Unser Slogan „Wir bleiben da. Für Sie.“ hat nach wie vor Gültigkeit. Und so wird es auch bleiben.

Gibt es Zahlen, wie viele Mitarbeiter in den Apotheken von Covid-Infektionen betroffen waren?

Die rund österreichischen 1.400 Apotheken waren immer betriebsbereit. Das Bilden von zwei voneinander unabhängig agierenden Teams, das in vielen Apotheken vorgenommen wurde, hat das ermöglicht.

Derzeit werden in rund 900 Apotheken Gratistests durchgeführt – wann werden es alle sein?

Die Zahl der Apotheken, die Antigentests durchführen, beträgt derzeit etwa 950. Es müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, sowohl räumlich als auch personell. Auch ist eine Registrierung der Apotheke beim Gesundheitsministerium notwendig.

Die Wohnzimmertests sind nicht für alle gratis. Wer muss sie selbst bezahlen?

Anspruchsberechtigt sind derzeit Versicherte bei den Dachverbandskassen (ÖGK usw.) oder bei den gesetzlichen Krankenfürsorgeanstalten, sofern sie sich nicht aus Elga hinausoptiert haben.

Die Gratistest-Verteilung über die Apotheken ist im Laufen. Wie sieht die bisherige Bilanz aus?

Die Nachfrage ist sehr groß. Es wurden bereits mehrere Millionen der sogenannten Wohnzimmertests gratis von den Apotheken verteilt. Die angespannte Situation auf dem Weltmarkt, Distributionsprobleme und langwierige Zollabfertigungen machen kontinuierlichen Nachschub schwierig.

Das Thema „Freitesten“ ist ja generell einigermaßen umstritten. Während die einen sagen, dass mit dem Testen verbundene Freiheiten oder Erleichterungen für einen Teil der Gesellschaft (etwa bei den Lockdown-Bestimmungen) diese spalten könnten – nicht Getestete müssten zu Hause bleiben, forcieren andere die Tests, weil damit die Wirtschaft wieder Schritt um Schritt geöffnet werden kann. Wie stehen Sie zu diesem Thema?

Das Freitesten ist ein zentraler Teil der staatlichen Teststrategie. Es ist jedenfalls ein wichtiger Schritt, um vielen Menschen nach so langer Zeit Sicherheit, Freiheit und Lebensqualität zurückzugeben.

Im zweiten Quartal 2021 wird das Thema Impfen so richtig anlaufen – oder sollte es zumindest. Sind eigentlich die Mitarbeiter/innen in den Apotheken als doch zentrale Mitarbeiter der österreichischen Gesundheitsvorsorgung schon geimpft? Und wenn ja, mit welchem Impfstoff?

Diese Impftermine sind für jedes Bundesland separat festgelegt. Während das Apothekenpersonal in einigen Länder schon geimpft ist, sind andere gerade jetzt an der Reihe bzw. werden in Kürze geimpft. In der Regel wurde bisher v.a. AstraZeneca verimpft, da BionTech-Pfizer vorerst für ältere Personen reserviert war.

Gerade beim Impfstoff gab es zuletzt Diskussionen. Viele wollen eher sogenannte mRNA-Präparate wie den von BinTech/Pfizer oder Moderna, weil der Wirksamkeitsgrad angeblich besser ist und diese Impfstoffe zudem auch vor Virus-Mutationen (angeblich) besser wirken las Vektor-Impfstoffe wie der von AstraZeneca. Können sie als Apothekerin unseren Lesern kurz die Unterschiede und die unterschiedlichen Wirkungsgrade erklären?

Es gibt drei Hauptentwicklungslinien von derartigen Impfstoffen: Lebendimpfstoffe mit Vektorviren, Totimpfstoffe und mRNA-Impfstoffe.

Vektorimpfstoffe beruhen auf dem Prinzip, ein für den Menschen zwar infektionsfähiges aber völlig harmloses Virus so umzubauen, dass es zwar seine harmlosen Eigenschaften nicht verliert, aber für unser Immunsystem so aussieht, als wäre es ein völlig anderer Erreger, im aktuellen Fall eben ein SARS-CoV-2 Virus.

Totimpfstoffe - oder inaktivierte Impfstoffe – enthalten nur abgetötete Krankheitserreger, die sich nicht mehr vermehren können, oder auch nur Bestandteile der Erreger. Diese werden vom Körper als fremd erkannt und regen das körpereigene Abwehrsystem zur Antikörperbildung an.

Im Falle von mRNA-Impfstoffen wird den menschlichen Körperzellen der Bauplan für Virusproteine zur Verfügung gestellt.

Auf der Website der Apothekerkammer berichten Sie von einer Umfrage Anfang Februar, wonach sich 80 Prozent der Apotheker/innen und deren Mitarbeiter/innen impfen wollen. Ehrlich gesagt wundert mich das, denn bei dem hohen Wissensstand gerade dieses Personals sollten es doch an die 100 Prozent sein?

Man muss das Ergebnis dieser Umfrage in Relation setzen zur Impfbereitschaft der anderen Gesundheitsberufe. Dort lag die Zahl laut einer Umfrage des Sora-Instituts zuletzt bei etwa 51 Prozent.

Wie beurteilen Sie das Interesse von Drogeriemärkten, Supermärkten und online-Plattformen, auch rezeptfreie Medikamente verkaufen zu wollen? Wie geht die Kammer damit um?

Arzneimittel haben erwünschte Wirkungen, aber auch Nebenwirkungen. Unser Credo lautet: Nur so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich an Medikamenten. Denn viele Menschen nehmen eher zu viele Arzneimittel ein, hier ist besonders die Information über Wechselwirkungen sehr bedeutsam, weil eine umfassende Beratung die Anzahl der eingenommenen Arzneimittel reduzieren kann.

Weise wäre es in diesem Sinn, den guten, etablierten und verlässlichen Vertriebsweg Apotheke zu stärken und nicht eine Ausfransung der Vertriebswege zu forcieren. Denn die Einnahme von zu vielen Medikamenten – noch dazu ohne apothekerliche Beratung bezüglich Wechselwirkungen – führt zu vermehrten Arzneimittel-Nebenwirkungen, die im schlimmsten Fall zu einer Hospitalisierung führen können. Für uns als Kammer steht die Arzneimittelsicherheit der Bevölkerung an erster Stelle.

Wie sehen Sie die Rolle der Apotheken vor allem im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung in den ländlichen Gebieten?

Die Apotheken sind vielerorts die letzten Nahversorger. Bei uns in Neuzeug in Oberösterreich mit 1800 Haushalten gibt es neben der Apotheke nur noch zwei Banken und ein Lebensmittelgeschäft, und das ist in vielen Orten so. Die Apotheken sind echte Gesundheits-Nahversorger und übernehmen in manchen Gemeinden auch die Postpartnerschaften für die Bewohner. Die Hälfte der 1.400 ist am Land oder in Kleinstädten. Schon jetzt sind die Apotheken am Land wichtige Arbeitgeber und für die Bürgermeister beliebte Frequenzbringer im Ort.  Gemeinsam mit den Ärzten vor Ort können wir die Bevölkerung umfassend versorgen.

Ich würde zum Schluss gerne nochmal auf das Thema Gemeinden ohne Apotheke zurückkommen. In vielen dieser Gemeinden gibt es (noch) einen Arzt, aber oft genug dürfen diese keine Hausapotheke betreiben, weil die Einzugsgebiets-Bedingungen nicht gegeben sind. Gerade diese Gemeinden haben allein aus Gründen der Altersstruktur der Ärzte (es steht eine Pensionierungswelle ins Haus) ein ernstes Problem mit der Nachbesetzung der Arztstellen. Nachbesetzt kann aber oft auch deswegen nicht werden, weil die Stellen ohne Hausapotheken unrentabel sind – jedenfalls nach der Initiative „einarztgemeinde.at“. Könnten Sie sich eine Lösung dieses Problems vorstellen und wenn ja, welche?

Es besteht in allen Bundesländern ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bevölkerungszahl und Apotheken.