Die neue Richtlinie soll der sogenannten „Dooring“-Gefahr, sprich Unfällen aufgrund aufgehender Autotüren, entgegenwirken.
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Wie Radverkehr sicherer werden soll

16. Mai 2022
Die neue Richtlinie für den Radverkehr (RVS) ist in Kraft getreten und sieht ­einige Neuerungen vor: So soll etwa bei höheren Kfz-Geschwindigkeiten künftig eine sichtbare Trennung von Rad- und Kfz-Verkehr erfolgen und Radverkehrsanlagen sollen breiter gestaltet werden. Ziel ist es, den Radverkehr noch sicherer zu machen.

Der Trend zum Fahrradfahren ist ungebrochen. Nachhaltigkeitsgedanken, Innovationen wie E-Mobilität, Lastenfahrräder und der Trend in Richtung Individualverkehr führen dazu, dass immer mehr Menschen Wegstrecken mit dem Rad zurücklegen. Durch die höhere Auslastung des Radnetzes und die neuen Mobilitätsformen, die beispielsweise verlängerte Bremswege und größere Kurvenradien benötigen, muss auch die Radinfrastruktur veränderten Anforderungen gerecht werden.

45 Fachleute haben deshalb die bundesweite Richtlinie für den Radverkehr (RVS) überarbeitet, nach der Radanlagen künftig sicherer gestaltet werden sollen. Die Richtlinie dient Ländern, Gemeinden, Gutachtern und weiteren Interessensgruppen als Grundlage für die sichere Gestaltung der Radinfrastruktur.

Unfallzahlen mit adaptierter RVS eindämmen

Aktuelle Unfallzahlen verdeutlichen den Bedarf nach einer Erneuerung: Die Unfallstatistik zeigt, dass im Zeitraum 2012 bis 2020 die Zahl der verunglückten Radelnden um 42 Prozent gestiegen ist. Während im Jahr 2020 40 Radfahrende tödlich verunglückten, stieg diese Zahl im Jahr 2021 auf 48 Getötete an – etwa jeder zweite davon war mit einem E-Bike unterwegs. Die Wahrscheinlichkeit, als Radfahrender sein Leben zu verlieren, ist in Österreich damit doppelt so hoch wie etwa in Norwegen, Dänemark, Deutschland oder Schweden.

„Die hohe Zahl an Radunfällen hierzulande verdeutlicht, dass die einst bewährte Radinfrastruktur nicht mehr mit den neuen Technologien und Innovationen Schritt hält. Um größtmögliche Sicherheit für Verkehrsteilnehmende gewährleisten zu können, ist eine Anpassung der Radinfrastruktur an die geänderten Rahmenbedingungen daher unabdingbar“, betont Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV.

Breitere Radwege entlang parkender Autos

Der Trend zur individuellen und nach­haltigen Fortbewegung hat zu einer Auslastung des Radnetzes geführt. Und auch neue, trendige Mobilitätsformen wie E-Mobilität und Lastenfahrräder, die in vielen Kommunen gefördert werden, haben wesentliche Auswirkungen darauf – und wurden aus diesem Grund bei der Überarbeitung der RVS besonders berücksichtigt.

Im Vergleich zu klassischen Rädern können mit E-Fahrzeugen noch höhere Geschwindigkeiten erreicht werden. Dadurch ergeben sich beispielsweise auch längere Bremswege und breitere Kurvenradien, wodurch auch breitere Radanlagen benötigt werden. Aus diesem Grund wurde auch die empfohlene Mindestbreite von Radfahrstreifen neben längsparkenden Autos von 1,50 auf 2 Meter erhöht. Damit wird der sogenannten „Dooring“-Gefahr, sprich Unfällen aufgrund aufgehender Autotüren, entgegen­gewirkt. 

Auch Radschnellverbindungen wurden in die Hierarchie der Radverkehrsnetze sowie in die Ausstattungskriterien für deren Ausgestaltung aufgenommen – diese sollten künftig ebenfalls breiter sein als gewöhnliche Radwege.

Trennung von Rad- und Kfz-Verkehr bei höheren Geschwindigkeiten

Neu ist auch die klare Trennung zwischen Rad- und Kfz-Verkehr bei höherem Tempo. Bei höheren Kfz-Geschwindigkeiten muss eine klare Trennung zwischen Rad- und Kfz- Verkehr erfolgen. 

Das heißt: In Bereichen mit höheren Kfz-Geschwindigkeiten und großem Verkehrsaufkommen sind eigene Radfahranlagen zu errichten. Bei geringeren Geschwindigkeiten kann ein Mischverkehr geführt werden.

Tote Winkel verhindern

Die neue RVS sieht außerdem vor, dass Radelnde ausreichend von anderen Verkehrsteilnehmenden gesehen werden. Um Unfälle im Zusammenhang mit dem toten Winkel zu verhindern, sollen die Sichtweiten für Autofahrende bei Radfahrüberfahrten vergrößert werden. Sogenannte „Bike-Boxen“, also Haltebereiche, bei denen Radfahrende vor den Autos zum Stehen kommen, sollen ­zudem flächendeckend bei Kreuzungen errichtet werden. Und Haltelinien von Mehrzweckstreifen sollen vorgezogen werden, damit Lkw-Lenker Radfahrende auf den ersten Blick sehen können. 

Um Unfälle zu reduzieren und die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen, appelliert das KFV an Verkehrsplanende von Gemeinden und Ländern, die Bestimmungen in der Richtlinie umzusetzen. „Wird diese bei Neuanlagen bzw. bei älteren Anlagen berücksichtigt, kann die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden maßgeblich erhöht werden“, ist Robatsch überzeugt.