Zur Infrastruktur, die Jugendliche im Ort hält, gehören etwa eine schnelle und verlässliche Internetverbindung, günstiger Wohnraum, Kinderbetreuungseinrichtungen und nicht zuletzt auch eine gute Verkehrsanbindung.
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Landflucht

Wie man die Jungen an die Gemeinde bindet

Ein Allheilmittel gegen die Landflucht gibt es nicht. Aber zwei Faktoren sind entscheidend: ein gesellschaftlich offenes Klima und gute Infrastruktur. Davon ist zumindest Klaus Köchl, Bürgermeister von Liebenfels, überzeugt.

Es gebe nur eine gute Sache an kleinen Ortschaften, sang Lou Reed einst: „You hate it, and you know you’ll have to leave.“ (Du hasst sie und du weißt, dass du sie verlassen musst.)

Die allermeisten jungen Leute vom Land haben zwar weniger negative Gefühle gegenüber ihrem Heimatort als der 2013 verstorbene Rockmusiker. Trotzdem gehen viele von ihnen für immer weg. Die Zahlen der Statistik Austria sind eindeutig: Von 100 Jugendlichen, die es wegen eines Studiums oder anderer Gründe vom Land in die Großstadt zieht, kommen nur 25 zurück.

Die Gründe für die Abwanderung der Jungen sind meist ganz banal. Höhere Schulen und Universitäten gibt es nur in den Hauptstädten, dort sind auch die Berufsaussichten besser, dazu kommen die urbane Infrastruktur und ein aufregendes Nachtleben. Wenn die Jungen ihre Hörner abgestoßen haben und sich eigener Nachwuchs einstellt, sind die gut ausgebauten städtischen Kinderbetreuungseinrichtungen ein zusätzliche Anreiz zu bleiben. 

Was kann eine Landgemeinde gegen die Sogwirkung der Metropolen unternehmen?

Eine hundertprozentige Rückkehrquote werde man nie erreichen, meint Klaus Köchl, Bürgermeister der Kärntner Gemeinde Liebenfels. „Aber man kann sehr wohl dafür sorgen, dass die Gesamtbilanz von Zu- und Abwanderung positiv ausfällt.“ 

Liebenfels ist in vielerlei Hinsicht eine typische österreichische Landgemeinde in den Ostalpen. Fast exakt in der geografischen Mitte Kärntens liegend, zieht sich das Gemeindegebiet vom flachen Glantal die umliegenden Hügel hinauf und reicht dann fast bis an die Baumgrenze. Im namensgebenden Hauptort gibt es Anschluss an eine Bundesstraße und eine Bahnlinie, einige kleine bis mittelgroße Industriebetriebe, einen Supermarkt und eine Bäckerei, ein Café und eine Tankstelle. Je weiter man sich vom Hauptort entfernt, desto ruraler wird alles. Die Landschaft wird hübscher, Infrastruktur wie Geschäfte oder Gasthäuser werden rarer. Die Dörfer und Siedlungen bieten atemberaubende Aussichten auf den in Kärnten viel besungenen Ulrichsberg. 

Die landschaftliche Schönheit alleine reicht freilich nicht, um junge Menschen zu halten – auch wenn die Rückkehrquote in Liebenfels mit knapp 28 Prozent etwas über dem Bundesschnitt liegt. Bürgermeister Köchl will sie künftig weiter nach oben schrauben – mit einem Bündel an Maßnahmen. Dazu gehört nicht zuletzt die Vernetzung und Zusammenarbeit mit den anderen Ortschefs der Region. Die Abwanderung kann nur mit vereinten Kräften gestoppt werden. 

Wohlfühlen spielt eine entscheidende Rolle

Klaus Köchl
„Eine hundertprozentige Rückkehrquote wird man nie erreichen“, meint Klaus Köchl, Bürgermeister der Kärntner Gemeinde Liebenfels.

Wie aber bewegt man junge Leute zum Bleiben oder zur Rückkehr? Dazu brauche es einen doppelten Ansatz, meint Köchl: „Einerseits geht es um die emotionale Verbundenheit zur Herkunftsgemeinde. Und die ist umso größer, je wohler sich die Jugend fühlt.“

Mit anderen Worten: Es geht eben darum, auch jenen Jugendlichen ein Angebot zu machen, die in ihrer Freizeit nicht Fußball spielen oder bei der Freiwilligen Feuerwehr andocken möchten. Die Interessen sind vielfältiger geworden und ebenso die Formen des individuellen Ausdrucks. Wer wie Song-Contest-Gewinner Conchita Wurst in der Jugend wegen Äußerlichkeiten verspottet wurde, denkt später nicht im Traum daran, zurückzukommen. Nicht selten sind es gerade Schülerinnen und Schüler mit besonderem Potenzial, die als Heranwachsende Diskriminierung und sogar Mobbing erfahren. Wenn sie als junge Erwachsene erst einmal Stadtluft schnuppern und Gleichgesinnte treffen, kommen sie später bestenfalls zu Weihnachten und Allerheiligen zurück. 

Kindheitserfahrungen spielen große Rolle

Wer umgekehrt trotz schriller Klamotten oder grüner Haare im Dorf Respekt erfährt, hat später eine ganz andere Bindung zur Heimatgemeinde. Die schönen Erfahrungen in der Kindheit und in der Jugend können im Zweifel den Ausschlag für eine Rückkehr geben.

Gerade was den wertschätzenden Umgang mit anderen Lebensformen angeht, hat sich in den letzten Jahrzehnten ohnehin viel getan. Das kann auch der Althofener Feuerwehrmann Patrick Sabutsch bezeugen, der im Sommer seinen gleichgeschlechtlichen Partner geheiratet hat. Trauzeuge war ein 90-jähriger Veteran der Florianijünger, der dem Paar gratulierte: „Passt’s auf, Buben, ihr braucht euch nicht schämen. Das ist eure Sache und das geht niemanden was an.“ Eine solche Offenheit wäre am Land vor 20 Jahren schwer denkbar gewesen. 

Ermöglicht wird diese Offenheit durch eine große Bandbreite an Vereinen und Initiativen in der Gemeinde. „Es muss etwas los sein“, sagt Bürgermeister Köchl.

In Liebenfels gebe es rund 35 Vereine, bei denen junge Menschen andocken können – vom Fußballklub über die Blasmusik­kapelle bis hin zu Rockbands, die in den technisch gut ausgestatteten Proberäumen des Schulzentrums spielen können, was das Zeug hält. So entstehen oft Freundschaften fürs Leben. Und diese, davon ist Köchl überzeugt, seien für viele Junge ein Hauptgrund, die Gemeinde nicht zu verlassen oder später wieder zurückzukommen. 

Hinweis

Dieser Beitrag ist eine Kurzfassung des Artikels von Bernhard Torsch, der in der aktuellen Ausgabe 11 der „Bürgermeister Zeitung“ erscheint. 

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