Symbolbild Personalsuche
er „Kampf um die besten Köpfe“ ist schon längst ausgebrochen und wird auf allen Ebenen und mit den verschiedensten Mitteln geführt.
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Personalmangel

Wie Gemeinden neue Mitarbeiter finden

Nicht genug der „allgemeinen“ ­Krisen wie Corona, Ukraine-Krieg, ­Inflation, Energiekosten und mehr. Nein, es kommt auch noch ein immer ­stärker spürbar werdender Mangel an Arbeitskräften dazu. Dieser betrifft die Wirtschaft, die Gastronomie und die Hotellerie – und auch die ­Gemeinden, wie eine aktuelle Umfrage von ­KOMMUNAL belegt. Seit Längerem beklagen immer mehr Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, dass sie kaum noch Leute finden. Dabei ist die Arbeit in den ­Gemeinden grundlegend wichtig – sie ist das Fundament für das Funktionieren unseres Staates und unserer Gesellschaft. Aber dieses Bewusstsein allein wird nicht reichen – um die Jungen für die Arbeit in Gemeinden zu motivieren, wird man an mehreren Schrauben drehen müssen.

Amtsleiter gesucht. Mitarbeiter in der Finanzverwaltung oder für die allgemeine Verwaltung gesucht. Bauamtsleitung oder einfach Mitarbeiter im Bauhof gesucht. Techniker Hochbau gesucht. Gebäudetechniker gesucht. Museumsleiter gesucht. Wohnbereichsleiter gesucht. Softwarebetreuer gesucht. Reinigungskraft gesucht. Kindergartenpädagogin oder -helferin gesucht. Schulwart gesucht. Gemeindebediensteter gesucht. Pflegeleiter und Pflegefachkräfte und Pflegeassistenz gesucht. Die Liste könnte noch lange weitergehen.

Liest man sich die Stellenangebote so mancher Jobbörse durch, kommt man schnell auf eine dreistellige Anzahl an verschiedensten Stellen, die in Gemeinden quer durch Österreich ausgeschrieben sind. 

Es sind nicht nur die Gemeinden, die oft händeringend Personal suchen – manche Wirtschaftssektoren wie Gastronomie oder Tourismus sind teils noch stärker vom Arbeitskräftemangel betroffen. Ob beim Human-Resources-Kongress, veranstaltet von der LSZ Mitte September in Zell am See, beim Jungbürgermeister:innen-Treffen in Wien, beim Städtetag 2022 oder auch beim Kommunalwirtschaftsforum 2022 Ende März in St. Veit an der Glan  – überall war dem Thema Arbeitskräfte oder Human Resources (HR) breiter Raum gewidmet. Tenor: Der „Kampf um die besten Köpfe“ ist schon längst ausgebrochen und wird auf allen Ebenen und mit den verschiedensten Mitteln geführt.

Die Ursachen für den Arbeitskräftemangel

Cornelia Schwaminger und Günter Toth, beide von der BDO und Experten für HR-Fragen, meinen im Gespräch dazu, dass der „Arbeitskräftemangel zu zunehmendem Konkurrenzkampf um den Nachwuchs und die geeignetsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führt“. Beide sind der Ansicht, dass man hier wohl doch einige Räder neu erfinden muss. Aber wie sind wir überhaupt in diese Situation gekommen?

Ursachen für diese Situation gibt es zwar regional viele, zumindest vier sind allgemein gültig:

  • Der demografische Wandel, vor dem seit Jahren gewarnt wurde, schreitet voran. Die älter gewordene Gesellschaft und die zugleich sinkende Geburtenrate haben ein klaffendes Loch in der Bevölkerungspyramide hinterlassen.
  • Dazu kommen der Aufschwung der österreichischen Wirtschaft und die damit einhergehende große Nachfrage nach Arbeitskräften, verstärkt durch die Covid-Pandemie und den dadurch entstandenen Mangel an ausländischen Arbeitskräften.
  • Zudem lebt die sogenannte „Generation Z“ der „Digital Natives“, der Geburtenjahrgänge ab 1995, einen Wertewandel, der zwar über die Generationen hinweg angehalten hat, aber jetzt zu massiven Änderungen zwingt. 
    Für die nach dem Krieg bis Mitte der 1960er-Jahre Geborenen waren Werte wie harte Arbeit, Leistungs- und Wettbewerbsorientierung, Loyalität gegenüber Arbeitgebern, Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung im Job das Maß der Dinge. 
    Dann kam die „Generation X“ (Geburtenjahrgänge Mitte der 60er bis Ende der 70er), deren Werte kulturelle Vielfalt, Statusstreben, Loyalität gegenüber Vorgesetzten, Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Arbeitsplatzsicherheit beinhalteten.
    Die Millennials der „Generation Y“ (Geburtenjahrgänge Anfang der 80er- bis Mitte der 90er-Jahre) wurden „zur Mitbestimmung erzogen“. Für sie waren und sind Werte wie Freiheit, Flexibilität, kritisches Hinterfragen, soziale Verantwortung, sinnstiftende Arbeit und Work-Life-Blending essenziell.
    Und als Viertes kommen regional noch die eher trüben Zukunftsaussichten mancher Gemeinden, die zu reinen Schlafgemeinden geworden sind und wo vor allem die Jungen keine Chancen mehr sehen und das heimatliche Umfeld verlassen. 

Als Folge dieser Entwicklungen ist die Ent­schei­dungsmacht zunehmend von den Arbeitgeber:innen zu den Arbeitnehmer:innen gewandert. Das wiederum bedeutet aber, dass altbewährte Argumente wie Arbeitsplatzsicherheit und ein sicheres Einkommen an Bedeutung verloren haben – vermeintlich, denn wie sich in Gesprächen herausstellt, sind diese beiden Punkte gewichtige Argumente für einen Job in der Gemeinde geblieben.

Gemeinden können nicht mit Vergünstigungen um sich werfen

Das allein ist noch nicht das schlagende Argument für einen Job in der Gemeinde. Wie eine KOMMUNAL-Umfrage ergeben hat, können Gemeinden nicht mit Vergünstigungen „um sich werfen“, wie es Unternehmen tun können. Die Gehälter richten sich nach gesetzlichen Schemata, die Arbeitszeiten können nicht so gestaltet werden, wie es ein Unternehmen kann. Das Thema Homeoffice ist problematisch, denn ein Bürgerbüro oder ein Gemeindeamt muss einfach besetzt sein. Unterm Strich verschärfen die eher geringe Bezahlung und die mangelnde Attraktivität also offenbar den Personalmangel in den Gemeinden.

Was junge Menschen von ihren künftigen Arbeitgebern erwarten

Eine Studie von Christine Ebner und Peter Harald Brandstätter, beide Professoren an der von der FH Oberösterreich, Campus Steyr, Fachbereich Führung und Sozialkompetenz, hat ergeben, dass die Top-Erwartung junger Menschen ist, dass „Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fair behandelt werden“. Das ist unangefochten in allen Gruppen (Alter, Geschlecht) an erster Stelle und somit das wichtigste Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers. 

Ein sicherer und beständiger Arbeitsplatz wird von den Jüngsten in der Zielgruppe, den 14- bis 18-Jährigen, als wichtiger eingeschätzt als von den Älteren. Das Thema Gehalt kommt demnach nur bei der Gruppe der Lehrlinge in die Top fünf. Nette Kolleginnen und Kollegen, eine gute Beziehung zu Vorgesetzten und interessante Arbeitsinhalte sind weitere Punkte dieses Rankings.

Zentrale Fragen und Empfehlungen für Unternehmen

Was bedeutet „fair“ für das eigene Unternehmen, die eigene Gemeinde?

Gefordert sind transparente Entscheidungen und eine offene Diskussionskultur, wie Informationen im Unternehmen gestreut, welche Infos von wem vermittelt werden. Bei der Einkommenspolitik wollen die Befragten ein fixes Schema, keine „Gender Pay Gaps“ und offen kommunizierte Gehaltsstrukturen. Individuelle Bevorzugungen werden abgelehnt und für eine Mitarbeiter:innenbeurteilung sollen die Kriterien klar und von Beginn an bekannt sein.

Auch beim Punkt „Nette Kolleginnen und Kollegen“ gibt es Empfehlungen: So wollen die Jungen das Team vor einer Jobzusage kennenlernen. Sie verstehen das als wichtigen Teil des Recruiting-Prozesses. 

Zudem sollen Möglichkeiten für gemeinsame private Aktivitäten geschaffen werden – dies wird insbesondere bei Remote-/­Homeoffice-Lösungen als wichtiges Element angesehen. Wertschätzung im Sprachgebrauch und Umgang sollte sichergestellt werden. Und eine Vernetzung junger Menschen, die über die generationskonformen Kanäle (Social Media) zusammenarbeiten, sollte gefördert werden.

Beim Punkt „interessante Arbeitsinhalte“ wird empfohlen zu erklären, was getan wird, um einen Job „spannend“ zu machen. Also wozu, für wen mache ich diesen Job? Dazu gehört auch der Wunsch nach einer Jobrotation von vor- und nachgelagerten Prozess-Schritten als Möglichkeit des verbesserten ­Gesamtverstehens. Gute Leistungen wie etwa erreichte Projektziele sollen sichtbar gemacht und damit auch öffentlich anerkannt und gewürdigt werden. Entscheidungsfreiräume sollten ebenfalls zugelassen werden.

Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Die meisten Studien legen nahe, dass nicht die Menge an investierter Zeit, sondern Autonomiegrade bei der Zeiteinteilung bei der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben im Vordergrund stehen: Das sind etwa großzügige Gleitzeitsysteme (oder Jahresarbeitszeitmodelle) und die Möglichkeit von Sabbaticals und unbezahltem Urlaub. Mit Verfügbarkeit außerhalb der Kernarbeitszeiten (z. B. Bereitschaftsdienste) sollte behutsam umgegangen werden. Auch wird die Väterkarenz in den kommenden Jahren zum Normalfall.

Die letzten fünf Plätze des Rankings betreffen die Aspekte teamorientiertes Arbeiten, Umweltfreundlichkeit des Arbeitgebers, Sozialleistungen, Homeoffice-Möglichkeit und Teilzeit-Möglichkeit. Wer als Arbeitgeber nur auf diese Aspekte setzt, setzt wahrscheinlich bei der Gewinnung junger Mitarbeiter:innen auf das falsche Pferd. Die Studienautoren merken noch an, dass „diese Möglichkeiten eventuell sehr wohl geschätzt werden, es aber Wichtigeres“ gibt.

Von „Recruiting“ zu „New Hiring“

Die Zukunft beginnt jetzt. Recruiting, also die Suche nach neuen Mitarbeiter:innen, ist so komplex wie noch nie. Um hier erfolgreich zu sein, muss auch von Gemeinden neues Bewusstsein geschaffen werden. Die Talente sollten im Fokus stehen – das beginnt bei der Jobbeschreibung. 

Die richtige Werte sollten vermittelt werden, also Augenhöhe, Authentizität, Kreativität, Mut, Chancengleichheit. 

Eine Empfehlung, die beim Human-­Resources-Kongress ausgesprochen wurde: Die Einstellung neuer Mitarbeiter:innen, das „New Hiring“, muss Chefsache werden. Eine neue Rolle der Führungskräfte ist gefordert. 

Aktiv suchen wird demnach wichtiger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter finden und richtig ansprechen lautet die Devise. Ein Inserat in einer Zeitung wird in den wenigsten Fällen das gewünschte Ergebnis bringen.

Günter Toth von der BDO meint, dass das ­„Employer-Branding“ immer wichtiger wird, also die Positionierung über eine attraktive Arbeitgebermarke. Auch eine Gemeinde braucht demnach ein authentisches und klares Werte- und Nutzenversprechen. Das ermöglicht eine ­Identifizierung mit der Gemeinde: Sie hebt sich damit von anderen ab und macht sich einzigartig.