E-Scootern, E-Bikes, Mountain- und Trekkingbikes sowie E-Autos können in Baden jetzt unkompliziert ausgeliehen werden (Symbolbild).
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Vergabe

Wie Baden ein Mobilitätspaket umgesetzt hat

Die Kurstadt Baden erweitert und diversifiziert mit seinem Mobilitätspaket das öffent­liche Verkehrsangebot der Stadt. Für die Umsetzung hat die Gemeinde neue vergaberechtliche Möglichkeiten bestmöglich ausgeschöpft.

Die Stadtgemeinde Baden wächst und gedeiht. Das hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass der Parkraumdruck zugenommen hat. Der Gemeinderat hat daher im Juni 2021 Beschlüsse zu einem neuen Parkraumkonzept und zu einem Mobilitätspaket gefasst. Mit Letzterem sollen unterschiedliche Zielgruppen zum Umstieg auf alternative Verkehrsmittel angeregt werden, insbesondere auf E-Mobilität.

Die Stadt setzt auf ein umfassendes Sharing-Angebot an E-Scootern, E-Bikes, normalen Fahrrädern und E-Cars, dazu noch Shuttle-
Dienste für Übernachtungs- und Kurgäste sowie für Pendler. Die Gemeinde möchte damit die Nutzung des öffentlichen Verkehrssystems erhöhen und ein Angebot alternativer Mobilitätsformen für die Last bzw. First Mile anbieten.

Die Qualität und Verfügbarkeit der Verkehrsmittel soll mittels einer digitaler Applikation gesteigert werden. Als Umweltziele hat man sich die Reduzierung von Emissionen und Lärm sowie des Energie- und Ressourcenverbrauchs gesteckt. Mehr Abstellplätze und somit weniger Suchzeit, aber auch mehr Bewegung durch den Verzicht auf PKWs sollen schließlich ebenso der Bevölkerung zugutekommen. 

Zusammenarbeit mit Vergaberechtsexperten

Um diese Ziele zu erreichen, benötigt Baden also verschiedene neue Verkehrsmittel für unterschiedliche Nutzergruppen.

Bei der Frage, wie man bestmöglich vorgeht, holte sich die Gemeinde auch externen Rat, wie Bürgermeister Stefan Szirucsek berichtet: „Wir haben zwar eine Rechtsabteilung in der Stadt, aber das Verfahren ist doch komplexer und umfangreicher. Daher haben wir mehrere Anwaltskanzleien kontaktiert, die auf Vergaberecht spezialisiert sind. Nicht zuletzt aufgrund des Hinweises, dass für dieses Vorhaben eine ­Dienstleitungskonzession etliche Vorteile für den Auftraggeber hätte, entschieden wir uns für die Kanzlei Schramm Öhler Rechtsanwälte GmbH.“

Kanzleipartner Andreas Gföhler setzt fort: „Es hat sich für uns recht schnell herauskristallisiert, dass die Stadt einen zentralen Ansprechpartner haben will, der dieses Sammelsurium an unterschiedlichen Angeboten vereint.“

Grundsätzlich war nur der Abschluss einer Rahmenvereinbarung angedacht, um eine Dienstleistung zu beschaffen. „Wir haben uns dann gemeinsam mit der Stadtgemeinde Baden für ein Betreibermodell in Form einer Dienstleistungskonzession entschieden, weil es zahlreiche Vorteile für die Gemeinde bietet.“
Das Wesen einer solchen Dienstleistungskonzession besteht darin, dass ein (privater) Betreiber das Recht erhält, das Mobilitätspaket auf eigenes wirtschaftliches Risiko anzubieten. Die Beurteilung des Betriebsrisikos obliegt dabei dem Konzessionsnehmer. 

Andreas Gföhler und Bürgermeister Stefan Szirucsek
Vergaberechtsexperte Andreas Gföhler (links) und Bürgermeister Stefan Szirucsek (rechts) erklären beim Interview mit KOMMUNAL im Badener Rathaus, wie die Stadt bei der Ausschreibung für das neue Mobilitätspaket vorgegangen ist.  Foto: Andreas Hussak 

Rechtssicherheit für die Stadt

Die Vorteile für die Stadtgemeinde sind offenkundig. So bietet das Vergabeverfahren nach dem BVergG Rechtssicherheit, auch für den Fall einer Rechnungshofprüfung.

Der Konzessionsnehmer trägt die Gesamtverantwortung, agiert auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko. Nimmt ein Bürger das neue Angebot in Anspruch, besteht das Vertragsverhältnis direkt zwischen dem Konzessionsnehmer/Betreiber und ihm als Nutzer.

Die Gemeinde tritt nicht in ein Vertragsverhältnis mit den Nutzern, was insbesondere für Haftungsfragen relevant ist. Die Gemeinde ist daher auch nicht für die Rechnungslegung und Zahlungsabwicklung zuständig. Der Konzessionsnehmer stellt die Fahrzeuge bereit und serviciert sie, wodurch auch die Personalressourcen der ­Gemeinde geschont werden.

Das Verfahren erlaubt eine hohe Kalkulierbarkeit, räumt Baden ein Mitspracherecht im Rahmen regelmäßiger Projektbesprechungen mit Berichtspflichten des Konzessionsnehmers ein, und es ermöglicht der Stadt die Beteiligung am wirtschaftlichen Erfolg des Konzessionsnehmers. 

Möglichkeit, Dienstleistungskonzessionen zu erteilen, ist noch nicht sehr bekannt

Warum nutzen bei all diesen Vorteilen nicht mehr Gemeinden die Ausschreibung für eine Dienstleistungskonzession?

„Weil Konzessio­nen nach dem Bundesvergabegesetz noch recht unbekannt sind. Das Bundesvergabegesetz Konzessionen ist 2018 erlassen worden und noch relativ neu. Und die Erfahrung zeigt, dass man gerade im Gemeindebereich gerne auf Altbekanntes setzt“, erklärt Gföhler.

„Es war für uns in diesem Umfang auch das erste Mal und am Anfang sicherlich auch noch ein bisschen ein Im-Dunkeln-Tappen – etwa, wie sehr die vier Mobilitätsangebote tatsächlich genutzt werden“, berichtet der Bürgermeister. „Darum haben wir versucht vorzubauen und ein weitreichendes Änderungsmanagement vorgesehen. Sollte sich herauskristallisieren, dass z. B. zu wenige Fahrräder da sind, können wir deren Anzahl erhöhen, ohne dass wir dem Damoklesschwert einer unzulässigen Neuvergabe ausgesetzt sind. Wir haben uns auf diese Weise schon vorab die vertragliche Möglichkeit gesichert, entsprechend reagieren zu können.“ 

Wie lange dauerte es?

Im Juni 2021 fällte der Gemeinderat den Beschluss für die EU-weite Ausschreibung der Dienstleistungskonzession. Die Bekanntmachung folgte Ende desselben Jahres. Die Zuschlagserteilung war im Juni 2022, und im September 2022 schließlich waren die ersten neuen Fahrzeuge auf der Straße im Einsatz. Das Vergabeverfahren inklusive der Umsetzung dauerte damit rund ein Dreivierteljahr.

Das alternative Beschaffungsmodell eignet sich übrigens auch sehr gut, um dem Thema Nachhaltigkeit Rechnung zu tragen. Gföhler bezeichnet es gar als „den Prototyp eines nachhaltigen Verfahrens“.  Von der Leistungsbeschreibung bis zu den Zuschlagskriterien können klimarelevante Bedingungen mit ausgeschrieben werden, und das hat Baden auch getan. 

Die Verantwortlichen in Baden loben zudem die große Flexibilität, die diese Art der Ausschreibung bietet, und weisen darauf hin, dass sich das Modell auch hervorragend für Gemeindeverbände bzw. eine interkommunale Zusammenarbeit anbietet.

„Wir haben bewusst so offen ausgeschrieben, dass das Projekt, sofern eine Nachbargemeinde Interesse hat, jederzeit erweitert werden kann. Diese Tür ist eingebaut“, berichtet Bürgermeister Szirucsek und zeigt sich überzeugt davon, dass die Möglichkeit des Ausschreibens einer Dienstleistungskonzession bald auch für andere Gemeinden ein beliebtes Mittel der Wahl werden wird.