Im Gespräch
„Wer kein Risiko eingeht, kann keinen Fortschritt erzeugen“
Über Jahrzehnte war das Verhältnis zwischen Stadt und Land von einer Urbanisierungswelle geprägt. Warum soll ausgerechnet jetzt das Land wieder so attraktiv sein, dass Menschen hier wohnen und arbeiten wollen?
Armin König: Ich glaube im Sinne des Shareholder-Value, dass der Wert der Ökologie und des Klimaschutzes, der Gesundheit und des Sozialen – also alles, was bislang nicht bilanziert wird – ein ungeheures Potenzial für uns als Region ist. Ob das aber dauerhaft gegen die Urbanisierung ankommt, ist heute nicht abschätzbar.
Was sind dabei die größten Herausforderungen?
Wir verwalten uns immer noch wie im 19. Jahrhundert. Wenn wir die Digitalisierung der Verwaltung ernst nehmen, könnten wir im Saarland 20 Millionen Euro pro Jahr einsparen. Die algorithmenbasierte Verwaltung wird kommen und wir werden uns komplett neu aufstellen. Bürgermeister müssen Manager der Transformation sein und sich als Zukunftsgestalter verstehen.
Wie entstehen bei Ihnen neue Projekte?
Unsere Leerstandsarbeit hat mit einer Diplomarbeit begonnen. Ich hatte Zweifel, ob das Thema überhaupt für uns relevant ist. Die Studentin hat dann 80 Leerstände entdeckt. Daraufhin haben wir den Mut aufgebracht, diese Problemlage mit einer Kommunikationskampagne bewusst zu machen. Mit Slogans wie „Ich bin als nächstes dran“, „Mich hat’s auch erwischt“ oder „Bin zu haben“. Heute haben wir fast keinen Leerstand mehr.
Die Zukunftsentwicklung unter Einbeziehung der Bevölkerung stellt für eine Gemeinde einen erheblichen Mehraufwand dar. Warum tun Sie sich das an?
Wir sind als Verwaltung allein nicht weitergekommen, haben uns über Jahre im Kreis gedreht. Erst ein breit angelegtes Öffentlichkeitsbeteiligungsprojekt mit professioneller Begleitung durch nonconform, ein auf partizipative Zukunftsraumentwicklung spezialisiertes Top-Büro aus Österreich, hat den Grundstein für die komplette Neuausrichtung unserer Ortsmitte gelegt, weil wir die Fläche einer riesigen, zwölf Jahre leer stehenden Wurstfabrik inmitten des Zentrums neu entwickeln konnten: Wohnen, Einkaufen, Arztbesuche, Kneipe, Essen und Trinken – alles auf kurzem Weg mitten im Zentrum. Wenn man sich mit einem Projekt identifiziert, ist man auch bereit, Zeit aufzubringen.
Hatten Sie am Anfang gedacht, dass ein positiver Impuls, ein Umschwung so viel Arbeit erfordert?
Ich hätte mir nie vorstellen können, dass die Aktivierung des Zentrums mit so viel Arbeit verbunden sein wird. Die Mühen bestehen darin, Flächen zu erwerben oder nutzen zu können, die eigentlich in Schutt und Asche liegen und bei deren Eigentümern kein Verantwortungsgefühl vorhanden ist.
Das zweite große Problem ist die Finanzierung. Wenn Kommunen Geld haben, können sie kaufen, ansonsten brauchen sie Investoren. Wir brauchten Investoren, sind aber bei der Auswahl von Geldgebern unserem Anspruch treu geblieben. Dann dauert eine gesicherte Finanzierung.
Und parallel haben wir den Kampf gegen ein großes Einkaufszentrum gewonnen, das man uns auf die grüne Wiese setzen wollte. Dies hätte alle unsere Bemühungen um ein lebendiges Zentrum vernichtet. Mit politischen Mitteln auf Gemeindeebene haben wir nichts erreicht, erst mit einem Gegengutachten konnten wir auf Augenhöhe kämpfen. Als das auch nicht fruchtete, sind wir in die Medien gegangen und wurden so bis nach Berlin getragen. Damit hatten wir die Transparenz, die wir brauchten. Von höchster Stelle ist dann gegen das Einkaufszentrum entschieden worden.
Was motiviert Sie für Ihre Initiativen und was sind Ihre Zukunftswünsche?
Ich habe eine große Vision im Kopf, die auch Rückschläge aushält. Ich möchte, dass es meinem Ort und der Bevölkerung gut geht, und attraktive Lebensräume schaffen. Die Kommunikation mit der Bevölkerung ist das Eigentliche und wir müssen dabei den digitalen Raum viel mehr mitdenken. Bildlich gesprochen: Im Wirtshaus erreicht man hundert Leute, im digitalen Wirtshaus ein paar tausend.
Und ich wünsche mir, dass die Zahl der Bedenkenträger abnimmt. Wer kein Risiko eingeht, kann keinen Fortschritt erzeugen. Wir sind als Kommune bis an die Grenze und manchmal darüber hinaus gegangen, weil wir ein Ziel vor Augen hatten. Und man muss auch den Mut haben, Fehler zu korrigieren, über den Schatten zu springen und sich selbst zu korrigieren.